Parodontologie 01.12.2015
Langzeitbetreuung bei chronischer Parodontitis
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Die Parodontitis ist eine in der Bevölkerung sehr weit verbreitete Erkrankung, man spricht von einer Volkskrankheit. Bei fehlenden Schmerzen und meist eher diskreten anderen klinischen Zeichen wird ihr oft nicht die notwendige Bedeutung zugemessen. Die Parodontitis gilt als eine chronische, multifaktorielle Erkrankung und ist durch ein bakteriologisches Ungleichgewicht charakterisiert. Chronische Erkrankungen bedürfen einer „chronischen“, sprich dauerhaften Betreuung, dementsprechend auch die Parodontitis.
Gegenwärtig ist die Reduktion der Keimlast auf ein für das Immunsystem des jeweiligen Patienten tragbares Level die vordergründige Herangehensweise im Rahmen eines individualisierten Therapiekonzeptes. Zentraler Bestandteil dabei ist die Reduktion des subgingivalen Biofilms, was der supragingivalen Biofilmentfernung im Sinne der Prävention nicht widerspricht. Neben der Infektionsbekämpfung durch Entfernung bzw. Reduktion des subgingivalen Biofilms mit Beseitigung der Dysbiose ist eine Tiefenreduktion der parodontalen Tasche auf einen Wert ≤4 mm, verbunden mit langfristig fehlender Blutung auf Sondierung, ein anzustrebendes Ziel der Parodontitistherapie. Hierbei kommt es unter anderem auf wiederholte Diagnostik im Rahmen der Langzeitbetreuung des Patienten an, um sitespezifischen Veränderungen im Sinne von Taschentiefenerhöhung und Wiederauftreten einer Blutung auf Sondieren zeitnah z.B. mit erneuter subgingivaler Reinstrumentierung und ggf. adjuvanten Maßnahmen zu begegnen.
Patientenfall
Zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung war die Patientin 55 Jahre alt. Sie ist Nichtraucherin, verneint Allergien, andere Erkrankungen und die Einnahme von Medikamenten. Die Patientin beklagt hohen beruflichen Stress. Die Mundhygiene zeigte sich bei Behandlungsbeginn unzureichend, der Approximalraum-Plaque-Index (API) betrug 100%. Auch der modifizierte Blutungsindex wies einen Wert von 100% auf. Nach Erheben des Parodontalstatus in Sechspunktmessung von Sondierungstiefen, Attachmentlevel, Bluten auf Sondieren (BOP), Furkationsbefall und Zahnbeweglichkeit sowie Auswertung des Orthopantomogrammes wurde die Diagnose lokalisierte schwere, generalisierte moderate chronische Parodontitis gestellt. Durch Information, Motivation und Instruktion im Rahmen wiederholter professioneller Zahnreinigungen konnte der Approximalraum-Plaque-Index (API) auf Werte von 25 bis 35% und der SulkusBlutungs-Index (SBI) auf einen Wert von 14% gesenkt werden, wohingegen der API im Untersuchungszeitraum leicht anstieg (45%). Ein Scaling und Root Planing erfolgte an allen Zähnen. Die Frequenz der unterstützenden Parodontitistherapie (UPT) betrug seither drei bis vier UPT-Sitzungen pro Jahr. Bei der jährlichen Erhebung des Parodontalstatus wurden vor ca. zwei Jahren an drei Stellen Sondierungstiefen von ≥ 5 mm sowie ein BOP-positives Ergebnis festgestellt (Tab.).
Abb. 1: Applikation von Ligosan Slow Release an Zahn 46 zu Baseline. – Abb. 2: Reevaluation Zahn 46 nach sieben Monaten: kein Bluten auf Sondieren. – Abb. 3: Reevaluation Zahn 46 nach 18 Monaten: stabile Verhältnisse, kein Bluten auf Sondieren.
An diesen Stellen erfolgte unter terminaler Lokalanästhesie eine Entfernung des subgingivalen Biofilms mittels Gracey-Küretten und subgingivalen Ultraschallansätzen sowie die adjuvante Applikation von 14%igem Doxycyclingel (Ligosan Slow Release, Heraeus Kulzer GmbH, Hanau). Aufgrund der nur lokalisierten rezidivierenden Stellen bot sich die adjuvante lokale Antibiose an. Unter relativer Trockenlegung und nach Blutstillung bzw. Trocknung der Sulkusflüssigkeit mit Sugi Eyespear pointed tips (Kettenbach, Eschenburg) wurde das Gel in die betreffenden Taschen appliziert (Abb. 1). Die Haftung des Gels auf den Wurzeloberflächen scheint damit besser gegeben. Wenn das Trennen des Gelstranges mittels Seitwärtsbewegen der Applikationsspitze über den Gingivarand nicht gelingt oder dadurch das Herausziehen des bereits applizierten Gels aus der Tasche heraus absehbar ist, erfolgt eine Trennung des Gelstranges mit einem Füllspatel. Ein Zahnfleischverband ist nicht erforderlich, jedoch sollte in den ersten sieben Tagen nach der Applikation im behandelten Bereich auf mechanische Approximalreinigung verzichtet werden. Zur zusätzlichen Plaquekontrolle im Applikationsbereich wurde über einen Zeitraum von zwölf Tagen mindestens zweimal täglich 1%iges Chlorhexidindigluconatgel supragingival appliziert. Die Reevaluation fand sieben (Tab. und Abb. 2) und 18 Monate (Tab. und Abb. 3) nach der Kombinationsbehandlung aus Debridement und Ligosan-Applikation statt. Dabei wurde an den behandelten Stellen eine Sondierungstiefenreduktion bis zu 2 mm festgestellt, das Bluten auf Sondieren war nicht mehr vorhanden.
Fazit
Für eine dauerhaft erfolgreiche Parodontitistherapie muss sich der aktiven Therapiephase eine lebenslange individuell angepasste unterstützende Parodontitisbehandlung anschließen.