Parodontologie 18.10.2017
Die parodontale Therapie ist überholt und braucht ein Update – Teil 15
Ganzheitliche parodontale Therapieunterstützung – Ernährung (Teil 7)
Der Autor geht davon aus, dass die lokal keimreduzierende Therapie am Parodontium eine lokal temporäre Therapie ist. Nach seiner Auffassung hat Parodontitis einen multifaktoriellen Ursachenkomplex.
Der professionelle Therapiebeginn stellt die Voraussetzung, die Grundlage dar, ist aber nicht die Therapie und somit auch nicht ausreichend zum Stopp des Knochenabbaus. Für einen ausgeglichenen Knochenstoffwechsel ist ein regelmäßiges, individuelles Recall notwendig, kontinuierlich mit drei Therapieschritten:
- Therapie der Entzündung durch Vermehrung positiver, regenerativer Mikroorganismen und Umstellung des Patienten auf Effektive Mikroorganismen (EM) – Teil 1, 4
- Therapie des Bone Remodeling – Teil 2, 3, 4, 5
- Ganzheitliche Betrachtung, mit Blick auf den Knochenstoffwechsel, einen ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt und eine adäquate Ernährung – Teil 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14
Antiskorbutische Säure
Es ist in der Wissenschaft unbestritten, dass Vitamin C an der Bildung und Aufrechterhaltung der mineralischen Struktur und Dichte der Knochen beteiligt ist.2 Hierzu gibt es unzählige Studien über Skorbut.9 Die chemische Bezeichnung für Vitamin C ist Ascorbinsäure und steht für Antiskorbutische Säure, für einen Stoff, der Skorbut verhindert.9 Desto weiter dieses Thema erforscht wird, je mehr wird die Bedeutung von Vitamin C für die Knochenbildung anerkannt.17 Neuere Forschungen zeigen, dass Osteoporose nicht infolge einer chronisch unzureichenden Kalziumaufnahme in der Nahrung entsteht. Die Erkrankung entwickelt sich durch die Unfähigkeit, Kalziumsalze aus dem Blut in gesunde, kalziumdichte Knochenmatrix umzuwandeln.19 Vitamin C ist im Knochenstoffwechsel zwingend notwendig.4
- Mineralisierung:
Kalziumeinbau in den Knochenstoffwechsel. - Resorption:
Kalzium wird aus dem Knochen gelöst und gelangt in den Blutkreislauf. - Vermeidung von oxidativem Stress:
Dieser hemmt die Mineralisierung und erhöht die Resorption.
Mehr ist mehr: Vitamin C
Vitamin C regt die Bildung von Präosteoblasten im Bindegewebe an und aktiviert als Transmitter Präosteoblasten zu Osteoblasten. Gleichzeitig hemmt es die Bildung von Präosteoklasten im Blut und die Aktivierung der Osteoklasten.14 Zudem kommt es bei Vitamin-C-Mangel zu einer unkontrollierten Vermehrung von Präosteoklasten. In deren Folge entwickelt sich ein negativer Knochenstoffwechsel.8 Viele Studien verweisen auf die Bedeutung der Vitamin-C-Einnahme in der Therapie des negativen Knochenstoffwechsels, obwohl viele dieser Studien völlig unterdosiert waren.13, 15, 17 Sahni et al. untersuchten das Verhältnis von Knochenfrakturen und Vitamin-C-Aufnahme bei 1.000 Teilnehmern im Alter von 70 bis 80 Jahren über einen Zeitraum von 17 Jahren. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Vitamin-C-Einnahme über die Nahrung ohne zusätzliche Nahrungsergänzung keinen ausreichenden Schutz vor Knochenbrüchen bietet. Sie fanden heraus, dass es zur signifikanten Absenkung des Knochenbruchrisikos kommt, wenn Vitamin C als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen wird, dabei sinkt das Risiko zunehmend bei ansteigender Dosierung.16
40 Orangen pro Tag
Wollten wir einen ausreichenden Vitamin-C-Spiegel durch unsere Nahrung erzielen, würde dies umgesetzt bedeuten, 40 Orangen pro Tag oder 7 kg Sauerkraut pro Tag, und das sind nur die Werte für den Normalverbrauch. Im Krankheitsfall ist der Vitamin-C-Bedarf um ein Vielfaches höher. Eine ausreichende Vitamin-C-Versorgung nur über die Nahrung zu erreichen, ist folglich unrealistisch.2 Falch et al. beobachteten einen generellen Zusammenhang zwischen dem Frakturrisiko und der Vitamin-C-Konzentration bei älteren Patienten. Patienten mit gebrochener Hüfte wiesen einen signifikant niedrigeren Vitamin-C-Spiegel im Blut auf.3 Adäquate Vitamin-C-Blutwerte sind essenziell notwendig für einen ausgeglichenen Knochenstoffwechsel im Alter.13 Der Vitamin-C-Bedarf ist keine konstante Größe. Er variiert sehr stark und ist von vielen Faktoren abhängig.12 Nicht nur die Aufnahme von Vitamin C verändert sich, sondern ganz extrem auch der tägliche Verbrauch. Im Durchschnitt ist die tägliche Aufnahme von Vitamin C zu gering.10 Erschwerend kommt hinzu, dass ein Vitaminmangel auch sekundär begünstigt wird durch5–7:
- Alkohol, Zigaretten, Drogen, Medikamente
- einseitige oder unzureichende Ernährung, Fast Food, Konserven, Fertiggerichte, Kantinenessen
- schlechte Resorption im Alter
- falsche oder zu lange Lagerung der Lebensmittel (Es gehen Vitamine verloren.)
- während der Zubereitung durch Kochen und Konservieren verloren gegangener Vitamine
- unregelmäßige und tagesweise völlig fehlende Vitamin-C-Aufnahme (Dadurch ist keine schleichende Resorptionssteigerung bei oraler Aufnahme möglich.)
- zu geringe Flüssigkeitsaufnahme (Führt zur verringerten Resorption.)
Andererseits kommt es auch zu einem erhöhten Verbrauch an Vitamin C,5–7 je nach den folgenden Begebenheiten:
- Alter, Leistungssport, Wachstum, Schwangerschaft und Stillzeit
- chronische Erkrankungen (Aids, HIV, Herpes, Diabetes mellitus, Hyperthyreose, Helicobacter pyloriInfektionen, Krebs, Magen-DarmErkrankungen, Leber- und Nierenerkrankungen, entzündliche Erkrankungen wie Parodontitis)
- Arzneimittel (ASS, Barbiturate, Diuretika und Tetracycline steigern die renale Vitamin-C-Exkretion) Calcitonin, orale Kontrazeptiva, Antidepressiva, Antianämika, Anti hypertonika, orale Antidiabetika, Kardiaka, Zytostatika, Magen-DarmMittel (Säureblocker), Antiepileptika, Osteoporosemittel, Parkinsonmittel
- Malabsorption und Maldigestion
- Chemo- und Strahlentherapie
- Mangel- und Fehlernährung, Reduktionsdiäten
Vitamin-C-Mengen im Vergleich
Der Vitamin-C-Bedarf des Menschen variiert stark. Dabei bewegt er sich in einem Bereich, der die amtlich festgelegten 95–110 mg/Tag weit übersteigt. Bei gesunden Erwachsenen beträgt der tägliche Vitamin-C-Bedarf mindestens 6.000 mg. Er erhöht sich je nach dem Grad der toxischen Belastung und den Anforderungen an das Immunsystem. Grundsätzlich kann dieser Bedarf nicht nur durch Nahrungsmittel gedeckt werden.13
Wie viel Vitamin C der Mensch braucht1, 5–7, 11, 13, 17:
- unter 10 mg/Tag nur acht Wochen überlebensfähig – danach inneres Verbluten
- 10 mg/Tag schützen vor der Krankheit Skorbut
- 95 mg/Tag empfohlene Zufuhr für Frauen – Deutsche Gesellschaft für Ernährung
- 110 mg/Tag empfohlene Zufuhr für Männer – Deutsche Gesellschaft für Ernährung
- 200–300 mg/Tag würde jemand zu sich nehmen, der fünfmal am Tag Obst und Gemüse isst.
- 300 mg/Tag an zusätzlich eingenommenem Vitamin C hat in Studien das Leben von Männern um sechs Jahre verlängert.
- 1.000 mg/Tag benötigen viele Menschen in Krankenhäusern, um ihren Vitamin-C-Spiegel aufrechtzuerhalten.
- 6.000 mg/Tag durchschnittlicher Bedarf bei gesundem Erwachsenen
- 10.000 mg/Tag nahm Prof. Linus Paulin, zweifacher Nobelpreisträger und Begründer der orthomolekularen Medizin, 27 Jahre lang ein, er wurde 93 Jahre.
- 20.000 mg/Tag werden vielfach von Menschen eingenommen, die Krankheiten wie Aids, Krebs oder Virusinfektionen überwinden wollen.
- 20.000 mg/Tag werden von verschiedenen Tieren produziert, wie beispielsweise Ziegen und Hunden.
- 400.000 mg/Tag zur Therapie schwerer Erkrankungen in Deutschland
Keine Überdosisgefahr!
Vitamin C wird schnell wieder abgebaut.18 Um einen gleichmäßigen Spiegel zu halten, ist es vorteilhafter, mehrmals am Tag kleinere Mengen aufzunehmen.8, 9 Die Resorption erfolgt durch die Schleimhaut bereits in der Mundhöhle, aber hauptsächlich im Dünndarm. Der Verdauungstrakt zeigt eine gewisse Resistenz in Bezug auf die Vitamin-C-Resorption. Diese beruht auf Aufnahmebegrenzungen in der Darmwand. Nur ein Ascorbatmolekühl auf einmal kann mit einem Transporter durch die Darmwand geschleust werden. Sind alle Transporter besetzt, wandert nicht absorbiertes Vitamin C in den Dickdarm. Aus diesem Grunde kann der Körper regulär zugeführtes Vitamin C nur begrenzt aufnehmen. Bei einem gleichmäßig über den Tag verteilten, ständigen hohen Vitamin-C-Angebot erhöht sich die Leistungsfähigkeit des Transportersystems durch die Darmschleimhaut.13 Vitamin C kann nicht überdosiert werden. Nimmt der Körper zu viel an Vitamin C auf, so wird dieses durch den Urin wieder ausgeschieden, denn Vitamin C ist ein wasserlösliches Vitamin.18 Eine zu hohe Dosierung von synthetischer Ascorbinsäure kann zu breiigem Stuhl führen. Bewertet als problemlos ist dies ein Zeichen, dass die maximale Aufnahmemenge erreicht ist.13
Die Aufnahmemenge per os (oral) von Vitamin C ist begrenzt, dennoch gibt es verschiedene Möglichkeiten für einen hohen Vitaminspiegel. Seien Sie gespannt auf den nächsten Artikel zum Vitamin C. Wollen Sie mehr verstehen – dann lesen Sie die gesamte Artikelserie, die in der ZWP seit April 2016 erscheint und kommen Sie zur Fortbildung.
Die vollständige Literaturliste gibt es hier.
Der Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 10/2017 erschienen.