Parodontologie 24.10.2016
Falldarstellung zur Therapie der parodontalen Entzündung und des Bone Remodeling
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Die parodontale Therapie ist überholt und braucht ein Update – Teil 5
Der Autor geht davon aus, dass die lokal keimreduzierende Therapie am Parodontium eine lokal temporäre Therapie ist. Nach seiner Auffassung hat Parodontitis einen multifaktoriellen Ursachenkomplex.
Der professionelle Therapiebeginn stellt die Voraussetzung und die Grundlage dar, aber ist nicht die Therapie und ist nicht ausreichend zum Stopp des Knochenabbaus. Zum Stopp des Knochenabbaus benötigen wir regelmäßig im individuellen Recall:
- Therapie der Entzündung nicht durch Keimreduktion, sondern durch Vermehrung der positiven, regenerativen Mikroorganismen, durch Umstellung des Patienten auf Effektive Mikroorganismen (EM) – Teil 1 und Teil 4 (ZWP 4/2016, ZWP 9/2016)
- Therapie des Bone Remodeling – Teil 2, Teil 3 und 4 (ZWP 5/2016, ZWP 6/2016, ZWP 9/2016)
- Ernährungs- und Lebensberatung – Materialbereitstellung für den Knochenstoffwechsel
Parodontitis ist gekennzeichnet durch Entzündung und Knochenabbau. Entzündungen entstehen durch Mikroorganismen (Teil 1), Knochenabbau durch verstärkt aktivierte Osteoklasten (Teil 2 und 3). Es gibt keine Mikroorganismen, die parodontalen Knochen abbauen. Für unterschiedliche Ursachen, Bakterien und Osteoklasten werden unterschiedliche Therapien benötigt, Therapie der Entzündungen und des Bone Remodeling. Parodontaler Knochenabbau ist ein multifaktorielles Geschehen. Die Ausschaltung der Ursache Entzündung heißt nicht automatisch Stopp des Knochenabbaus, es wird eine Möglichkeit zur indirekten Aktivierung der Osteoklasten reduziert. Ob dieses ausreicht, um das Bone Remodeling ins Gleichgewicht zu bringen bleibt fraglich, da es sich um ein multifaktorielles Geschehen handelt. Mit der Reduktion der Entzündung wird sich das klinische Bild verbessern, wobei Entzündungen und Knochenabbau unterschiedliche Prozesse sind und das Bone Remodeling klinisch nur über den langen Faktor Zeit oder den aMMP8-Test bewertet werden kann.
Seit Silness und Löe 1964 wissen wir, dass bei Unterlassen der Mundpflege es nach sieben Tagen zu einer Entzündung kommt. Der PA-Risikopatient hat Areale, die er nicht pflegen kann. Selbst nach einer professionellen Zahnreinigung dauert es nur sieben Tage, bis diese Areale, die nicht erreicht werden, wieder entzündet sind. Unsere individuelle körpereigene Abwehr tut sich schwer mit der circa einen Billiarde Mikroorgansimen, die den Menschen besiedeln. Je älter der Mensch wird, umso mehr schwächelt das Abwehrsystem. Einen Krieg gegen die Mikroorganismen können wir nicht gewinnen, es ist viel effektiver, die Kraft der Mikroorganismen zu nutzen. Aus diesem Grunde motivieren wir die Patienten zur Anwendung der Effektiven Mikroorganismen (Teil 1).
Die Therapie des Bone Remodeling erfolgt mit einem Doxycyclin. Entscheidend ist, dass Doxycyclin in entsprechender Konzentration den Knochen erreicht. Es funktioniert als Antibiotikum und als Kollagenase-Hemmer. Trifft es auf Bakterien, erfolgt eine aktive Wanderung in das Bakterium hinein. Der antibiotische Part kommt zum Tragen und dieses Doxycyclin steht für die Kollagenase-Hemmung nicht mehr zur Verfügung. Bei einer ausgeprägten lokalen Entzündung ist die Anzahl der Mikroorganismen sehr hoch. Die antibiotische Wirkung kommt eher und ist ausgeprägter als die Kollagenase- Hemmung. Vor der Therapie des Bone Remodeling ist folglich die Therapie der Entzündung zwingend erforder lich. Dadurch wird die Anzahl der Bakterien reduziert und Doxycyclin weniger verbraucht.
Es ist immer eine durchschnittlich mikrobielle Belastung des Gewebes vorhanden. Aus diesem Grunde muss die Dosierung ausreichend hoch sein, damit Doxycyclin seine Kollagenase-Wirkung am Knochen entfalten kann. Zum Schutz des Mikroklimas erfolgt eine kurzzeitige Doxycyclin-Wirkung von maximal vier Stunden (Teil 3). Bedingt durch die kurze lokale Verweildauer, das vorhandene Doxycyclin in hoher Konzentration und den speziellen Mechanismus des Gels, die Bindegewebsschranke schnell zu überwinden und den Wanderungsweg zum Knochen zu realisieren, haben wir bei dieser Applikation eine geringe lokale Belastung und eine sehr geringe Fremdkörperreaktion.
Die Tetracycline werden von natürlich vorkommenden Bakterien, den Streptomyceten, produziert. Die Streptomyceten gehören zur Gruppe der EM. Dieses erklärt die gute Verträglichkeit EM/Doxycyclin.
In der Entzündungsreduktion beansprucht der professionelle Part circa 95 Prozent der Behandlungszeit. Hier werden die Voraussetzungen geschaffen. Die eigentliche Umstellung der Mikroorganismen von krankheits- und fäulniserregend zu regenerativ aufbauend und lebensfördernd erfolgt durch die häuslichen EM-Anwendungen des Patienten. Die professionelle Therapie wird in zwölf Teilschritte unterteilt (Teil 4).
Patientenfall
Im Folgenden wird die Erstkonsultation einer 61 Jahre alten Patientin beschrieben, die seit 15 Jahren in regelmäßiger Behandlung bei ihrem Zahnarzt mit halbjährlicher professioneller Zahnreinigung ist und jetzt vor der Frage steht, im OK alle Zähne entfernen zu lassen oder eventuell 23, 24 als Teleskopzähne mit Cover Denture zu belassen.Die Patientin hat nur geringe Entzündungen, keinen Pus, wenig Beläge, Zahnlockerungen generell 2. und 3. Grades, eine ausreichende Zahnpflege, einen positiven aMMP8, eine 93%ige Sauerstoffsättigung im Blut, trinkt zu wenig und hat ein Säure- Basen-Problem (Abb. 1 und 2).
Nach entsprechender Anfangsdiagnostik erfolgte eine systematische PA-Therapie mit nachfolgender Doxycyclin- Applikation in alle Taschen, Furkationen und Interdentalbereiche über neun Monate, wie in Teil 4 beschrieben. Dazu wurde die Patientin nach der Anfangstherapie neun Mal im Abstand von vier Wochen einbestellt und es erfolgten jedes Mal alle zwölf Therapieschritte (Abb. 3 und 4):
- Untersuchung
- Motivation
- Zahnsteinentfernung – Ultraschalltechnik
- Konkremententfernung
- Belagentfernung supragingival mit AIR-FLOW (EMS)
- Behandlung tiefer Taschen
über 7 mm
* 6.1 Konkremententfernung mit Vector (Dürr Dental)
* 6.2 Subgingivales AIR-FLOW (EMS) - Kontrolle und Korrektur der Zahnhalsüberempfindlichkeit
- Munddusche
- Patientenpflege, Kontrolle und Behandlung durch den Zahnarzt
- Zahnfleischtaschenspülung mit RinsEndo (Dürr Dental)
- Cervitec (Ivoclar Vivadent) – Touchierung
- Doxy-Gel und Reso-Pac (Hager & Werken) – Applikation
Eine einmal durchgeführte Tetracyclin-Therapie reduziert die kollagenolytische Aktivität bis zu fünf Wochen nach Abschluss der Therapie. Bei Doxycyclin hält dieser Effekt bis zu zwei Monate an. Bis zur vollständigen Aktivitätsanpassung der Kollagenasen vergeht bis zu ein Jahr. Eine Doxycyclin-Applikation im Abstand von vier Wochen führt zu einem Anstieg der Wirkkonzentration und über neun Monate zu einer maximalen Knochenreife. Nach neun Monaten muss der Abstand der Applikationen vergrößert werden.
Bedingt durch die Resttaschentiefe, den positiven aMMP8 und die allgemeine Situation der Patientin erfolgte nach Therapieabschluss eine Recallbehandlung im Abstand von zwei Monaten bis Februar 2012. Dadurch bleibt der Doxycyclinspiegel im Wirkbereich. Alle zwei Monate erfolgten alle zwölf Therapieschritte. Parallel zur PA erfolgten die Revisionen aller Wurzelbehandlungen und eine konservative, medikamentöse Ausheilung der periapikalen Regionen. Die Zähne 22 und 33 waren, bedingt durch Wurzellängs- und Wurzelquerfrakturen und dem sehr geringen in situ verbliebenen Wurzelrest, nicht erhaltungswürdig.
Im Februar 2012 erfolgte die Eingliederung der zirkulären Brücke im OK (Abb. 5 und 6).
Nach Abschluss der parodontologischen und endodontologischen Behandlungen im UK erfolgte im Oktober 2012 die Eingliederung der zirkulären Brücke im UK (Abb. 7).
Seit Oktober 2012 konsultiert uns die Patientin im vierteljährlichen Recall. Der aMMP8 ist immer noch positiv, sie trinkt ausreichend, aber die Ernährungsumstellung zur Normalisierung des Säure-Basen-Verhältnisses ist ihr nicht gelungen. Erschwerend kommt der Bewegungsmangel dazu. Die Patientin bleibt als Risikopatientin eingestuft und muss diesen vierteljährlichen Abstand beibehalten. Die Patientin zeigt keine Entzündungen, keine Zahnfleischtaschen und keine Zahnlockerungen (Abb. 8 und 9).
Die Patientin ist indessen 69 Jahre alt, acht Jahre nach Therapiebeginn zeigt die Patientin keine Entzündungen, keine Zahnfleischtaschen und keine Zahnlockerungen (Abb. 10 und 11).
Zusammenfassung
Entzündungen und Knochenabbau haben unterschiedliche Ursachen und brauchen unterschiedliche Therapien. Die professionelle Vorbehandlung zur Entzündungsreduktion und Ausschaltung lokaler Ursachen für einen parodontalen Knochenabbau ist die Voraussetzung, aber nicht die Therapie. Essenziell ist die Motivation des Patienten zur Anwendung von Effektiven Mikroorganismen (EM) sowie die Ernährungslenkung zur Unterstützung eines ausgeglichenen Bone Remodeling und eines individuell angepassten Knochenstoffwechsels, der beim Risikopatient alle zwei Jahre mit dem aMMP8-Test kontrolliert wird. Der Therapie der parodontalen Entzündung folgt eine Therapie des aus dem Gleichgewicht geratenen Bone Remodeling durch Aktivitätsanpassung der Osteoklasten/ Osteoblasten. Es handelt sich um eine rein chemische Reaktion des lokalen Doxycyclin-Gels mit den Osteoklasten, die keiner Resistenz unterliegt. Voraussetzung ist lediglich, dass das Doxycyclin-Gel den Wirkort erreicht und dafür ist eine Entzündungsreduktion des Applikationsortes Bedingung, da sonst ein Großteil des Doxycyclin-Gels als Antibiotikum verbraucht wird. Für diesen Wirkmechanismus ist es egal, wodurch oder warum die Osteoklasten zu viel aktiviert wurden. Doxycyclin reagiert einfach chemisch mit den aktivierten Osteoklasten und inaktiviert diese. Wenn es aber gelingt, die Ursache für die zu stark aktivierten Osteoklasten zu finden und auszuschalten, wirkt sich dies positiv auf die Recall- Zeiten aus.