Parodontologie 06.02.2017
Parodontale Therapieunterstützung – Flüssigkeitshaushalt speziell
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Die parodontale Therapie ist überholt und braucht ein Update – Teil 8
Der Autor geht davon aus, dass die lokal keimreduzierende Therapie am Parodontium eine lokal temporäre Therapie ist. Nach seiner Auffassung hat Parodontitis einen multifaktoriellen Ursachenkomplex.
Der professionelle Therapiebeginn stellt die Voraussetzung, die Grundlage dar, aber ist nicht die Therapie und ist nicht ausreichend zum Stopp des Knochenabbaus. Für einen ausgeglichenen Knochenstoffwechsel, selbst im hohen Seniorenalter, ist ein regelmäßiger, individueller Recall notwendig, kontinuierlich mit drei Therapieschritten:
- Therapie der Entzündung, nicht durch Keimreduktion, sondern durch Vermehrung der positiven, regenerativen Mikroorganismen, durch Umstellung des Patienten auf Effektive Mikroorganismen (EM) – Teil 1 und Teil 4
- Therapie des Bone Remodeling – Teil 2, 3, 4 und 5
- ganzheitliche Betrachtung – Materialbereitstellung für den Knochenstoffwechsel und ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt – Teil 6 und 7.
Einleitung
Merkwürdig, welcher Mangel an selbstverständlichen Dingen inmitten unseres Alltags vollen Überflusses herrscht. Mangel an Ruhe, Schlaf, Bewegung, gesunder Ernährung, Sauerstoff, und ein Mangel herrscht oft auch beim Trinken. Dabei ist die Frage der richtigen Flüssigkeitszufuhr entscheidend für Gesundheit, Wohlbefinden und Voraussetzung für ein gesundes Parodontium.
Wasser ist die Grundlage des Lebens. Für einen ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt werden 30 ml/kg Körpergewicht Wasser täglich benötigt. Menschen haben keine Wasserspeicher, aus diesem Grunde sollte die Flüssigkeitszufuhr gleichmäßig verteilt über den Tag erfolgen, um den ständigen Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen, Atmen sowie durch die Ausscheidungen von Darm und Niere auszugleichen. Das Durstgefühl setzt erst sehr spät, bei etwa 0,5 Prozent Verlust an Körperwasser, ein.
Der Anteil am Gesamtkörperwasser ist vom Alter und vom Geschlecht abhängig. Beim Fötus beträgt der Wasseranteil bis zu 94 Prozent, beim Neugeborenen 85 Prozent, beim Erwachsenen ca. 70 Prozent und sinkt dann mit zunehmendem Alter bis auf 50 Pro zent ab (Abb. 1). Frauen liegen aufgrund ihres höheren Körperfettanteils ca. 10 Prozent unter den Männern. Ein erhöhter Anteil am Körperfett (adipös) führt zur Abnahme des Gesamtkörperwassers, da Fett kein Wasser bindet. Senioren haben einen sehr geringen prozentualen Anteil Gesamtkörperwasser, damit reagieren sie empfindlich auf Flüssigkeitsverluste, weil kaum noch Spielraum vorhanden ist. Der menschliche Stoffwechsel funktioniert nur, wenn dem Körper ausreichend Wasser zur Verfügung steht. Wasser wird zu zwei Dritteln vom Dünndarm und zu einem Drittel vom Dickdarm aufgenommen. Es wird mit den darin enthaltenen Mineral- und Nährstoffen über das Blut im Körper verteilt. Wasser regelt die Herzkreislauffunktion und die Verdauung, ist Lösungsmittel für Salze und Mineralstoffe, dient zum Transport von Nähr- und Wirkstoffen, der Wärmeregulation des Körpers und der Ausscheidung von Stoffwechselprodukten.
Reaktionen bei Flüssigkeitsdefizit
- Das Blut verdickt sich, es fließt langsamer, Endstromgebiete werden schlechter durchblutet, das Parodontium wird schlechter durchblutet.
- Die Nähr- und Wirkstoffverteilung im Körper erfolgt sehr schleppend. Haut, Bindegewebe und besonders Schleimhaut haben einen sehr hohen epidermalen Turnover und benötigen viel Material.
- Der Magen-Darm-Bereich wird weniger durchblutet; selbst wenn ausreichend Nahrung angeboten wird, läuft die Resorption schleppend.
- Durch die geringere Durchblutung sinken die Leistungskraft und die Abwehrleistung.
- Die „Entgiftung“ und der Müllabtransport sind verringert oder kommen zum Erliegen.
- Die Speichelproduktion sinkt, der Mund wird trocken – direkte parodontale Infektionsgefahr.
- Die Sulkus-Fluid-Rate sinkt – direkte parodontale Infektionsgefahr.
Soll das Parodontium gesund blei ben oder ist eine parodontale Thera pie geplant, ist es sinnvoll, auf einen gut eingestellten Flüssigkeitshaushalt zu achten.
Hinweiszeichen für eine zu geringe Flüssigkeitsaufnahme
- Blässe, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Mattigkeit, Müdigkeit, Konzentrationsprobleme: Ursache ist die Verdickung des Blutes. Als Folge kann nicht genug Sauerstoff in das Gehirn vordringen (Abb. 2).
- Niedriger Blutdruck, erhöhte Herzfrequenz, schnellerer Pulsschlag: Bedingt durch die zu geringe Blutmenge erfolgt als kompensatorische Gegenregulation eine Steigerung der Herzfrequenz.
- Leichte Erhöhung der Körpertemperatur: Aufgrund der Transpiration von Flüssigkeit durch die Haut wird die Körpertemperatur reguliert. Ist die Blutmenge zu gering, reduziert der Körper seine Schweiß-, Tränen- und Drüsensekrete, um Flüssigkeit zu sparen.
- Trockene, juckende, schuppende Haut: Hat der Körper zu wenig Wasser, bekommt das auch die Haut zu spüren, denn es werden zuerst die Organe versorgt, die die Flüssigkeit viel dringender benötigen.
- Sehr fester Stuhlgang bis hin zu Verstopfungen
- Sehr dunkler und wenig Urin, Neigung zu Harnwegsinfektionen
- Kaum Tränen beim Weinen, besonders Babys und Kleinkinder
- Trockene gefaltete Lippen: Patienten nutzen oft Fettstift für die Lippen, um diese geschmeidig zu halten (Abb. 6).
- Trockener Mund: Essen fällt schwer; es muss dazu etwas getrunken werden, sonst lässt sich die Nahrung nicht hinunterschlucken.
- Blutdruckproblematik: Durch Druck mit dem Daumen auf den Handrücken entsteht ein weißer blutleerer Fleck. Sofort nach dem Loslassen sollte dieser wieder verschwunden sein. Bleibt der weiße Fleck jedoch bestehen, könnte zu wenig Flüssigkeit im Kreislauf sein (Abb. 10).
- Unterlidödem (Abb. 3).
- Oberlidödem (Abb. 4 und 5).
- Vertikale Falten im Bereich der Wange (Abb. 7).
- Verringerter Hautturgor: Unter Hautturgor versteht man den Spannungszustand der Haut. Dieser ist verringert bei zu geringer Flüssigkeitsaufnahme, was sich in der körperlichen Untersuchung durch stehende Hautfalten bemerkbar macht. Man testet den Hautturgor, indem man die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger nimmt und eine Hautfalte erzeugt. Bleibt die Falte nach dem Loslassen stehen, ist der Turgor verringert (Abb. 9).
- Zunge mit Eindellungen (Zahneindrücken): Deutliches Hinweiszeichen für Nieren- bzw. Nebennierenstörungen, Störungen im Wasserhaushalt (Abb. 8).
Wird ein Flüssigkeitsdefizit diagnostiziert und die Empfehlung zu einer höheren Flüssigkeitsaufnahme ausgesprochen, ist es nicht egal, was getrunken wird. Kaffee und alkoholische Getränke werden in der täglichen Menge nicht mitbewertet. Tabelle 1 zeigt den Zusammenhang zwischen Flüssigkeitseigenschaften und Resorption.
Fazit
Die Empfehlung für den erwachsenen Patienten lautet: Es sollte 30 ml/kg Körpergewicht pro Tag getrunken werden. Bei sportlicher Betätigung oder in den Sommermonaten wird durch Schwitzen eine höhere Trinkmenge benötigt; Kaffee und alkoholische Getränke werden nicht einberechnet. Geeignet zum Ausgleich des Flüssigkeitshaushaltes sind stilles Mineralwasser (ohne Kohlensäure, ohne Kohlenhydrate, ohne Zuckeranteile) mit vielen Elektrolyten, wobei der Parodontitispatient oft ein Defizit an Magnesium und Kalzium aufweist.
In Teil 9 erfahren Sie mehr über den Zusammenhang von Nahrung, Blutdruck, Knochenstoffwechsel und parodontalem Knochenabbau.
Dieser Beitrag erschien erstmalig in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 1+2/17.