Alterszahnmedizin 31.05.2024
Tägliche Mundhygiene – was lernen wir aus bevölkerungsbasierten Studien?
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Vorliegende Studienergebnisse erweitern die Evidenz der langfristigen Vorteile der Verwendung von Hilfsmitteln zur Zahnzwischenraumreinigung sowie von elektrischen Zahnbürsten.
Einleitung
Die oralen Erkrankungen Parodontitis und Karies verursachen etwa 60 % des Zahnverlustes in Deutschland (Glockmann et al., 2011). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Zahnverlust aus der Sicht des Patienten die wichtigste Folge von Zahnerkrankungen darstellt (Steele et al., 2004) und somit aus dieser Perspektive unbedingt vermieden werden sollte. Aktuelle Daten deuten nun darauf hin, dass die Mundgesundheit in Deutschland sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert hat (Micheelis et al., 1999; Micheelis et al., 2006; Schutzhold et al., 2013; Schutzhold et al., 2015. Jordan et al., 2016; Schwendicke et al., 2018; Jordan et al., 2019; Schwendicke et al., 2020). So hat die Zahnzahl in den beiden Altersgruppen der Deutschen Mundgesundheitsstudien (DMS) als auch in den Studies of Health in Pomerania (SHIP) deutlich zugenommen (Abb. 1). Unter Berücksichtigung der aktuellen demografischen Entwicklungen und der ansteigenden Prävalenz (funktionell) bezahnter Personen ist jedoch insgesamt mit einem zunehmenden Behandlungsbedarf, insbesondere parodontaler Erkrankungen, zu rechnen.
Supragingivale Biofilmauflagerungen, dentale Plaque, sind die Hauptursachen für Parodontitis und Karies (Loe et al., 1965; Marsh et al., 2008) (Abb. 2). Der Grundpfeiler der Parodontitis- und Kariesprophylaxe ist demzufolge die sorgfältige und vor allem regelmäßige Entfernung dieser Beläge idealerweise unterstützt durch die Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasten (Tonetti et al., 2015; Walsh et al., 2019).
Häusliche individuelle Zahnpflege
Für die tägliche Mundhygiene steht eine Vielzahl an Produkten, darunter Hand- und elektrische Zahnbürsten, Zahnseide und Floss, Zahnzwischenraumbürstchen sowie verschiedene Zahnpasten und Mundspüllösungen zur Verfügung (Abb. 3). Die Handzahnbürste ist dabei am weitesten verbreitet. Sowohl für die Hand- wie auch die elektrische Zahnbürste ist für eine effektive Anwendung die Beherrschung einer entsprechenden Putztechnik erforderlich, um Plaque wirksam zu entfernen. Elektrische Zahnbürsten sind im Vergleich meist etwas einfacher zu handhaben. Interessant ist aber, dass nur wenige Studien ihre Langzeitwirksamkeit dokumentiert haben, obwohl sie seit Jahrzehnten auf dem Markt sind (Dörfer et al., 2016; Pitchika et al., 2019). Unabhängig von der Verwendung einer Hand- oder elektrischen Zahnbürste ist es so, dass Zähneputzen allein mit diesen Hilfsmitteln nicht ausreicht, da die Zahnzwischenräume so nicht adäquat zu reinigen sind und daher weitgehend unberührt gelassen werden (Lindhe et al., 1967; Ciancio et al., 1992). Daher besteht die Empfehlung, weitere Reinigungshilfen speziell für die Zahnzwischenraumpflege wie Mundduschen, Zahnstocher, Zahnseide, Floss oder Zahnzwischenraumbürstchen zur Vorbeugung von Parodontitis und Karies in das Repertoire aufzunehmen (Abb. 3). Unter diesen Produkten ist die Zahnseide am bekanntesten und am weitesten verbreitet. Sie hat sich durch einige In-vitro- (Smith et al., 1986) und klinische Studien als durchaus wirksam erwiesen (Mwatha et al., 2017; Graziani et al., 2018). Ein systematischer Vergleich der Literatur zu Hilfsmitteln zur Interdentalraumpflege legt allerdings nahe, dass die Verwendung von Zahnzwischenraumbürstchen wohl die effektivere Methode zur Entfernung von Plaque im Zahnzwischenraum ist (Sälzer et al., 2015; Kotsakis et al., 2018). Aktuellere systematische Übersichtsarbeiten zeichnen demgegenüber ein differenziertes Bild und ordnen die Evidenz zur Wirksamkeit von Zahnseide und Zahnzwischenraumbürstchen von eher schwach bis moderat und zudem mit klinisch unbedeutenden Effektgrößen ein. Darüber hinaus werden neben Reduktion der gingivalen Blutung und/oder Plaqueentfernung keine weiteren patientenrelevanten Endpunkte wie z. B. approximale Karies, Parodontitis oder Zahnverlust berichtet (Amarasena et al., 2019; Worthington et al., 2019). Nichtsdestotrotz hat sich, wohl auch bedingt durch die redundanten Empfehlungen durch Zahnärzte und Industrie, die Verwendung von elektrischen Zahnbürsten (von 14,2 auf 47,7 % bei 35–44-Jährigen und von 4,9 auf 33,4 % bei 65–74-Jährigen in der DMS; 27,8 % in SHIP-TREND; Abb. 1b) und Interdentalraumhygienehilfsmitteln (von 29,5 auf 62,0 % bei 35–44-Jährigen und von 7,8 auf 49,7 % bei 65–74-Jährigen in der DMS; aber von 33,2 auf 29,5 % in den SHIP Studien; Abb. 1c) in den letzten 17 Jahren (zumindest in den deutschlandweiten DMS-Studien) kontinuierlich erhöht (Jordan und Micheelis, 2016). Es ist daher von übergeordneter zahnmedizinischer und gesundheitsökonomischer Bedeutung zu klären, inwiefern die Verwendung elektrischer Zahnbürsten und Hilfsmitteln zur Zahnzwischenraumpflege Vorteile für breite Teile der Bevölkerung in Bezug auf relevante Studienendpunkte und nach längeren Beobachtungszeiträumen hat.
Epidemiologische Studien
Hier kommen jetzt die Daten aus den großen epidemiologischen Studien in den Fokus des Interesses. In diesen Studien werden repräsentative Stichproben, welche die Gesamtbevölkerung oder Teile daraus abbilden, hinsichtlich sozialer, medizinischer oder individueller Parameter analysiert. Im Rahmen einer Längsschnitts- oder wiederholten Querschnittsstudie werden dabei zu unterschiedlichen und zuvor definierten mehrjährig auseinander liegenden Zeitpunkten empirische Untersuchungen durchgeführt. So lassen sich dann etwaige bevölkerungsbasierte Veränderungsprozesse über große Beobachtungszeiträume sichtbar machen. Solche Studien liefern regelmäßig wissenschaftlich und klinisch bedeutsame Ergebnisse, sie erfordern allerdings auch enorme finanzielle und personelle Ressourcen. Diese vielschichtige Datenerfassung erlaubt es aber, im Rahmen einer entsprechenden Fragestellung etwaige begleitende Einfluss- und Risikofaktoren in komplexen statistischen Modellen adäquat zu berücksichtigen. In Deutschland laufen derzeit gleich mehrere große epidemiologische Studien, die auch zahnmedizinische Parameter erfassen. Das sind zum einen die querschnittlichen Deutschen Mundgesundheitsstudien (DMS I–VI), die seit 1989 repräsentative Angaben zur Mundgesundheit in Deutschland liefern. Zum anderen gibt es das Projekt Studies of Health in Pomerania (SHIP), welches in Nordostdeutschland seit 1997 Daten zu sozialen und beruflichen Lebensumständen, gesundheitsbeeinträchtigenden Verhaltensweisen sowie einer Vielfalt von psychischen und körperlichen Funktionsstörungen und Erkrankungen erhebt (Abb. 4). Inzwischen umfasst SHIP drei Kohortenstudien, die im Abstand von etwa 10 Jahren mit einer Basisuntersuchung begonnen und bislang eine entsprechend unterschiedliche Anzahl an Folgeuntersuchungen abgeschlossen haben: SHIP-START, SHIP-TREND und SHIP-NEXT (Volzke et al., 2022).
Klinisch relevante Daten aus bevölkerungsbasierten deutschen Studien zur Wirksamkeit von Mundhygieneprodukten
In einer Serie von aktuell fünf Arbeiten basierend auf den Daten der epidemiologischen Studien DMS und SHIP analysierten Wissenschaftler unter Führung der Universität Greifswald den Einfluss von unterschiedlichen Mundhygieneprodukten auf die orale Gesundheit. So wurden die Effekte der Verwendung elektrischer Zahnbürsten und die Effekte der Anwendung von Hilfsmitteln zur Interdentalraumpflege auf die parodontale Gesundheit, die Karieserfahrung und den Zahnverlust untersucht (Pitchika et al., 2019; Pitchika et al., 2021; Pitchika et al., 2022; Sager et al., 2023; Holtfreter et al., 2024). Die wichtigsten Erkenntnisse aus diesen recht anspruchsvollen Studien sollen hier in chronologischer Reihenfolge möglichst verständlich dargestellt werden.
Pitchika et al., 2019: Probanden der SHIP-START Studie wurden über den Zeitraum von 11 Jahren mit klinischen Untersuchungen und Interviews systematisch beobachtet. Gesamthaft konnten die Daten von 2.819 Probanden mit einem Durchschnittsalter von 52,1 ± 14,4 Jahren mittels unterschiedlicher statistischer Modelle und unter Berücksichtigung bekannter Co-Faktoren ausgewertet werden. Probanden, die elektrische Zahnbürsten benutzten, waren demnach jünger (46,3 Jahre) als solche, die eine Handzahnbürste (53,4 Jahre) verwendeten. Der Anteil an elektrischen Zahnbürstennutzern nahm über den Untersuchungszeitraum kontinuierlich von 18,3 auf 36,9 % zu. Die durchschnittliche Sondierungstiefe und der durchschnittliche Attachmentlevel nahmen signifikant weniger zu in der Gruppe der elektrischen Zahnbürstennutzer, verglichen mit Handzahnbürstennutzern. Elektrische Zahnbürstennutzer hatten eine um 17 % geringere Kariesprogression und verloren signifikant weniger Zähne (19,5 %).
Pitchika et al., 2021: In dieser Studie wurde anhand der Daten der DMS III (1997), DMS IV (2005) und DMS V (2014) untersucht, inwieweit der Wandel in der Häufigkeit der Nutzung elektrischer Zahnbürsten und von Hilfsmitteln zur Zahnzwischenraumpflege (Zahnseide, Zahnstocher, Zahnzwischenraumbürstchen) die Veränderungen in Bezug auf die erfassten dentalen Kenngrößen zwischen den drei Untersuchungszeitpunkten erklärt. Den Untersuchungen lagen dabei Probandenzahlen zwischen 1965 (DMS IV) und 2022 (DMS V) zugrunde. Zwischen 1997 und 2014 erhöhte sich die Anzahl der Nutzer elektrischer Zahnbürsten bei Erwachsenen von 14,2 auf 47,7 % und bei Senioren von 4,9 auf 33,4 %. Ähnlich verlief die Entwicklung des Nutzerverhaltens bei Hilfsmitteln zur Zahnzwischenraumreinigung und zeigte bei Erwachsenen eine Erhöhung von 29,5 auf 62,0 % und bei Senioren von 7,8 auf 49,2 %. Parallel zu diesen Entwicklungen stieg die Anzahl kariesfreier gesunder Zahnflächen bei Erwachsenen und Senioren von 69,2 bzw. 31,2 Flächen in DMS III auf 107,8 bzw. 80,6 Flächen in DMS V an. Die Anzahl Zähne erhöhte sich zwischen 1997 und 2014 bei Erwachsenen von 23,9 auf 26,2 und bei Senioren von 13,6 auf 19,5 Zähne. Demgegenüber nahm die mittlere Sondierungstiefe zu. Die Zunahmen der prozentualen Nutzung der oben genannten Mundpflegeprodukte erklärten einen erheblichen Anteil der Veränderungen der mittleren Sondierungstiefe, der erhöhten Anzahl kariesfreier gesunder Oberflächen und der Zunahme der Zahnzahl von DMS III zu DMS V. Die anteiligen Beiträge an den Gesamtveränderungen durch Zahnzwischenraumbürstchen waren – im Vergleich zu elektrischen Zahnbürsten bei den Senioren ausgeprägter als bei den Erwachsenen. Beispielsweise stieg die Anzahl der Zähne zwischen DMS III und DMS V bei Senioren um 4,5 an, wovon den elektrischen Zahnbürsten 0,49 und den Hilfsmitteln zur Zahnzwischenraumpflege 1,25 zugeschreiben wurde. Beim Vergleich von DMS IV und V lag eine Steigerung der Zahnzahl von 1,7 vor. Davon entfielen 0,25 Zähne anteilig auf die elektrischen Zahnbürsten und 0,48 auf die Nutzung von Zahnzwischenraumbürstchen.
Pitchika et al., 2022: In dieser Studie wurden die möglichen Einflussfaktoren auf die Veränderung der Zahnzahl über mehrere wiederholt durchgeführte Querschnittsstudien in drei europäischen Populationen aus zwei Ländern analysiert. Hierfür standen die deutschen Querschnittsdaten aus DMS III und V sowie SHIP-START-0 und SHIP-TREND-0 zur Verfügung. Dazu kamen die Daten aus der schwedischen Jönköping Studie von 2003 und 2013. Demnach wurden die dentalen und sozialen Entwicklungen über mehr als 10 Jahre (DMS: 17 Jahre, SHIP: 11 Jahre und Jönköping: 10 Jahre) bei Probandenzahlen zwischen 407 (Jönköping 2003) und 3.323 (SHIP-START-0) ausgewertet. In allen drei Studien nahm die Anzahl der Zähne zwischen den Untersuchungen zu (DMS: +2,3 [Erwachsene], +4,9 [Senioren], SHIP: +1,7, Jönköping: +1,0). Die wichtigste Erkenntnis aus diesen drei repräsentativen wiederholten Querschnittsstudien war, dass Bildung der wichtigste protektive Faktor für Zahnverlust war. Darüber hinaus trug ein sensibler und aufmerksamer Umgang mit der oralen Gesundheit, wie Häufigkeit des Zähneputzens, Verwendung einer elektrischen Zahnbürste (erklärter Anteil von 0,1 Zähnen bei Erwachsenen und 0,5 Zähnen bei Senioren) und Zahnzwischenraumreinigung (erklärter Anteil von 0,3 Zähnen bei Erwachsenen und 1,2 Zähnen bei Senioren) oder auch die Häufigkeit von Zahnarztbesuchen in beiden deutschen Kohorten zur Vermeidung von Zahnverlust bei (Abb. 5).
Sager et al., 2023: Die Auswertung der Daten von 2.214 Probanden aus SHIP-TREND zeigte die Effekte der Benutzung elektrischer Zahnbürsten auf unterschiedliche klinische parodontale Kenngrößen. Im Vergleich zur Anwendung von Handzahnbürsten war die Nutzung elektrischer Zahnbürsten vorteilhaft für reduzierte Plaque- und Blutungswerte, mittlere (interdentale) Sondierungstiefen, den Prozentsatz an Stellen mit Sondierungstiefen ≥ 4 mm und den mittleren Attachmentlevel (siehe auch Abb. 6). Darüber hinaus hatten die Nutzer elektrischer Zahnbürsten bei den Nachuntersuchungen weniger fehlende Zähne im Vergleich zu Handzahnbürstennutzern. Besonders ausgeprägte Wirkungen wurden bei ≥ 50-jährigen Probanden beobachtet. Hinsichtlich der Kariesprogression wurden keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Versuchsgruppen nachgewiesen.
Holtfreter et al., 2024: In dieser Arbeit wurden die 7-Jahres Follow-up-Daten von SHIP-TREND von 2.224 Probanden hinsichtlich des Effektes der Zahnzwischenraumreinigung, das heißt der Verwendung von Zahnhölzchen, Zahnseide oder Zahnzwischenraumbürstchen, auf dentale und parodontale Parameter analysiert. Die Verwendung von Zahnseide bzw. Zahnzwischenraumbürstchen führten zu 5–6 % geringeren interdentalen Plaque-Werten, zu 3–5 % niedrigeren interdentalen Blutungswerten und zu 0,05 mm niedrigeren mittleren Sondierungswerten (Zahnseide) im Vergleich zu Probanden, die keine Hilfsmittel zur Zahnzwischenraumpflege verwendeten (Abb. 7; schwarze Werte). Die Verwendung von Zahnseide reduzierte die Rate der Zahnextraktionen um 29 % im Vergleich zu Nichtanwendern. Positive Effekte auf die Kariesprogression konnten demgegenüber nicht nachgewiesen werden. Betrachtete man die Ergebnisse stratifiziert nach der Centers for Disease Control and Prevention (CDC)/American Academy of Periodontology (AAP) Fallklassifikation (Abb. 8; blaue und orange Werte), zeigte sich folgendes Bild: Zahnseide und Zahnzwischenraumbürstchen reduzierten den interdentalen Plaque Score, den interdentalen BOP Score, die mittlere interdentale Sondierungstiefe und das mittlere interdentale Attachmentlevel bei Teilnehmern ohne oder mit leichter Parodontitis als auch bei Teilnehmern mit moderater oder schwerer Parodontitis.
Klinische Schlussfolgerungen
Die Datenlage bezüglich der Vor- und Nachteile der Benutzung unterschiedlicher Zahnbürsten und/oder Hilfsmitteln zur Zahnzwischenraumpflege ist in Bezug auf Parodontitis- und Kariesprogression sowie Zahnverlust nach wie vor sehr heterogen. Hinzu kommt ein Mangel an großen Studien mit relevanten Beobachtungszeiträumen. Klare wissenschaftlich fundierte Schlussfolgerungen ließen sich daher bisher nicht ableiten (Yaacob et al., 2014; Amarasena et al., 2019; Worthington et al., 2019). Bis dato basierte die zugrunde liegende Evidenz auch weitgehend auf klinischen Vergleichsstudien. Gemein ist diesen Arbeiten neben häufig sehr kurzen Beobachtungszeiträumen bei überschaubaren Probandenkollektiven eine enorme Heterogenität der untersuchten Produkte und verwendeten Gingiva- oder Plaque-Indices. Zahnverlust – als der übergeordnete Endpunkt von Studien zu Therapie oder Prävention oraler Erkrankungen – ist zudem in derartigen Studien wegen der kurzen Studiendauer nicht adressierbar.
Die hier vorliegenden Langzeitdaten aus zwei bevölkerungsrepräsentativen Studien schaffen nun mehr Klarheit (Pitchika et al., 2019; Pitchika et al., 2021; Pitchika et al., 2022; Sager et al., 2023). Sie zeigten in großen Populationen klare Vorteile der Benutzung elektrischer Zahnbürsten im Vergleich zu Handzahnbürsten. Allerdings wurde hier nicht zwischen unterschiedlichen elektrischen Zahnbürsten differenziert. In aller Regel werden elektrische Zahnbürsten nach ihrem Wirkmechanismus und der daraus abzuleitenden Putztechnik differenziert. Während bei Produkten mit oszillierend-rotierenden Borstenbewegungen eher eine Technik, die jeden einzelnen Zahn berücksichtigt anzuwenden ist, ist bei Modellen, die auf der Schalltechnologie mit horizontalen Borstenbewegungen basieren, auch die Reinigung mehrerer Zähne gleichzeitig möglich. Gemein ist beiden Typen, dass der Nutzer die unterschiedlichen Zahnflächen, das sind die Kauflächen, die Außen- und Innenseiten sowie gegebenenfalls auch die mesialen und distalen Flächen, separat ansprechen muss. Aus der Grundlagenforschung ist ferner bekannt, dass sich elektrische Zahnbürsten in ihrem Wirkungsgrad hinsichtlich einer Biofilmentfernung mit oder ohne Borstenkontakt deutlich unterscheiden (Schmidt et al., 2017, 2019). Im Rahmen der Mundhygieneinstruktion sollten sich etwaige Empfehlungen daher auf gut untersuchte Zahnbürsten mit wissenschaftlich belegtem Nutzen fokussieren.
Die Vorteile elektrischer Zahnbürsten reichen jedoch nicht, um gesunde orale Verhältnisse zu etablieren. Es braucht zusätzliche Hilfsmittel zur Reinigung der Zahnzwischenräume (Lindhe et al., 1967; Ciancio et al., 1992). Bezüglich der Anwendung von Hilfsmitteln zur Zahnzwischenraumreinigung wurden in den hier zitierten bevölkerungsbasierten Langzeitstudien klare Vorteile gegenüber dem Verzicht auf Zahnseide oder Zahnzwischenraumbürstchen gezeigt (Pitchika et al., 2021; Pitchika et al., 2022; Holtfreter et al., 2024). Ähnlich positive Effekte, insbesondere bezüglich der Retention von Zähnen oder der Vermeidung von Zahnverlust konnten auch in anderen Studien gezeigt werden (Kressin et al., 2003; Marchesan et al., 2018; Marchesan et al., 2020).
Die zahnärztliche Empfehlung für Zahnseide oder Zahnzwischenraumbürstchen hängt dabei von der Größe der zu reinigenden Zahnzwischenräume, der Adhärenz und den manuellen Fähigkeiten des Patienten ab, die jeweilige Technik auch korrekt anzuwenden (Abb. 3 und 8). Mit Zahnseide sollte der Approximalraum gereinigt werden, wenn die Interdentalpapillen primär gesund und die Zahnzwischenräume geschlossen sind. Wichtig ist, dass die Zahnseide nur durch den Kontaktpunkt horizontal hin- und herbewegt, dann an die mesiale und distale Approximalfläche adaptiert wird und diese Flächen durch mehrere Auf- und Abbewegungen der Zahnseide gesäubert werden. Das ist technisch vor allem in den distalen Bereichen der Zahnbögen recht anspruchsvoll und sollte mit dem Patienten geübt werden. Liegen hingegen interdental schon parodontale Schäden und ein Verlust der Interdentalpapillen vor, so kann in der Regel ein Zahnzwischenraumbürstchen geeigneter Größe hin- und herbewegt werden, ohne dabei die Gingiva zu traumatisieren. Zahnzwischenraumbürstchen sind in diesen Fällen einfacher zu handhaben und somit wesentlich effektiver als Zahnseide. Außerdem können durch Zahnzwischenraumbürstchen konkave Zahnoberflächen, wie beispielsweise die Mesialflächen der ersten oberen Prämolaren, besser gereinigt werden. Nicht klar definiert, bezogen auf das Alter der Patientinnen und Patienten, ist der Zeitpunkt einer Empfehlung für Hilfsmittel zur Zahnzwischenraumreinigung. Bei Heranwachsenden mit den für diese Entwicklungsperiode spezifischen Herausforderungen (Pubertät, kieferorthopädische Apparaturen) sollten hier zuvorderst das individuelle Gesundheitsbewusstsein und die aktuelle Notwendigkeit berücksichtigt werden. Bei Erwachsenen sollte einer Empfehlung zur regelmäßigen zielgerichteten Reinigung der Zahnzwischenräume nichts entgegenstehen.
Zusammenfassend konnte durch die vorliegenden Studien die Evidenz für die langfristigen Vorteile der Verwendung von Hilfsmitteln zur Zahnzwischenraumreinigung sowie elektrischer Zahnbürsten wesentlich erweitert werden. Beide Produktgruppen sollten den Patientinnen und Patienten zur täglichen Anwendung empfohlen werden.
Literatur kann in der Redaktion unter dz-redaktion@oemus-media.de angefordert werden.
Dieser Artikel ist in der DENTALZEITUNG erschienen.