Prophylaxe 21.02.2011

Spezialsprechstunde für Mundgeruchspatienten

Bei Betroffenen und ihrem Umfeld steht hinter dem simplen Wort Mundgeruch oft eine jahrelange Leidensgeschichte. Dabei ist die Therapie in den meisten Fällen einfach. Das Angebot von zahnärztlichen Spezialsprechstunden ist ein wichtiger Schritt, das Thema Mundgeruch endgültig aus der Tabuzone zu holen.

Es hat sich einiges getan in den letzten Jahren in Sachen Aufklärungsarbeit zum Thema Mundgeruch. Aber bei Weitem nicht genug. Immer noch entspricht der Wissensstand in Bevölkerung und Fachwelt über Halitosis nicht dem Ausmaß des Problems. Denn Studien (z. B. Seemann et al., 2004) belegen, dass Mundgeruch eine Erscheinung ist, unter der jeder dritte Deutsche zumindest zeitweise zu leiden hat. Gemeint ist hier nicht die zeitweilig beeinträchtigte Geruchsqualität der ausgeatmeten Luft, wenn jemand Knoblauch oder Zwiebeln gegessen hat. Behandlungsbedürftiger Mundgeruch tritt immer wieder und ohne solche exogenen Faktoren auf. Doch Betroffene stehen vor gleich mehreren Problemen, die sie daran hindern, rasch Hilfe zu finden: Einerseits nehmen sie ihren eigenen Mundgeruch oft gar nicht wahr, da der menschliche Körper darauf gepolt ist, ständig vorhandene Gerüche als unwichtig auszublenden. Zum anderen ist die Schamgrenze, die Menschen davon abhält, offen über ein Problem wie Mundgeruch zu sprechen, immer noch extrem hoch. Das gilt sowohl für die Betroffenen selbst als auch für ihr soziales Umfeld. Das Problem wird im wahrsten Sinne des Wortes totgeschwiegen.

Spezialsprechstunden
Hinzu tritt eine gewisse Ratlosigkeit, an wen man sich als Betroffener für fachlichen Rat wenden soll. Wer sich endlich dazu überwindet, mit einem Mediziner über seinen Mundgeruch zu sprechen, wendet sich zumeist an seinen Hausarzt, denn immer noch hält sich hartnäckig die Auffassung, dass es vor allem Magen- und Darmleiden sind, die den schlechten Atem verursachen. Dabei konnte in Untersuchungsreihen eindeutig nachgewiesen werden, dass in weniger als einem Prozent der Fälle die Ursache für den Mundgeruch tatsächlich im Magen-Darm-Trakt zu finden ist. Häufigerer Auslöser sind Erkrankungen der Atemwege, doch mit fast 90 Prozent stehen die oralen Ursachen ganz oben auf der Liste der Verursacher von Mundgeruch. Folglich wäre der Zahnarzt der richtige Ansprechpartner. Allerdings reduzieren immer noch viel zu viele Patienten ihren Zahnarzt auf den Behandler der Zähne, Therapien für den gesamten Mundraum erfragen sie dort selten. Eine gute Möglichkeit, dieser Ratlosigkeit entgegenzuwirken und auch das Berufsbild des Zahnarztes als Therapeut der gesamten Mundhöhle zu unterstreichen, ist eine Spezialsprechstunde für Mundgeruchpatienten einzurichten. Was in den USA mit den sogenannten Breath Clinics bereits an der Tagesordnung ist, setzt sich hierzulande nur sehr schleppend durch, nicht zuletzt deshalb, weil Halitosis in der zahnmedizinischen Aus- und Weiterbildung bis heute in Deutschland eine nur sehr untergeordnete Rolle spielt.

Anamneseerhebung
Wie bei jeder medizinischen Fragestellung beginnt der Halitosistermin mit einer umfangreichen Anamneseerhebung. Da die Ursachen eines krankhaften Mundgeruchs enorm vielfältig sein können, empfiehlt sich hier der Einsatz eines umfangreichen Fragebogens, der gemeinsam mit dem Patienten abgearbeitet wird. Hier ergeben sich erste Anhaltspunkte im Sinne einer Differenzialdiagnose zu Erkrankungen aus dem HNO- oder dem internistischen Spektrum, oder auch eventueller psychisch motivierter Symptome. Abgefragt werden sollten neben Vorerkrankungen und persönlicher Lebenssituation auch Mund- und Zahnhygienegewohnheiten, Ess- und Trinkverhalten, Medikamenteneinnahme sowie Tabakkonsum.
 

Messmethoden
Anschließend sollte der behandelnde Zahnarzt sich einen Eindruck von der Schwere des Mundgeruchs verschaffen: Neben einer rein subjektiven, organoleptischen Einschätzung (Geruchsstärkenbestimmung anhand des eigenen Geruchsinnes), die immer Bestandteil der Untersuchung sein sollte, ermöglicht die Messung mit einem Halimeter die Objektivierung des Schweregrades der vorliegenden Halitosis. Diese Messung, bei der die Konzentration von flüchtigen Schwefelverbindungen, sogenannten VSC-Gasen (Volatile Sulphur Compounds) in der Atemluft festgestellt wird, sollte im Behandlungsverlauf wiederholt werden, um das Anschlagen der Therapie zu überprüfen. Hier zeigt sich auch bereits, ob der vom Patienten beklagte Mundgeruch tatsächlich objektivierbar ist, oder eventuell eine Pseudohalitosis vorliegt.

Mundhygienestatus
Unabhängig vom Ergebnis der Halimetermessung folgt in jedem Falle eine umfassende Untersuchung der Mundhöhle, um möglichen oralen Ursachen des schlechten Atems auf die Spur zu kommen: Zu den häufigsten Auslösern einer oral bedingten Halitose gehören Parodontitis, überstehende Kronenränder, ein allgemein schlechter Mundhygienestatus sowie Bakterienbeläge auf der Zunge. In jedem dieser Fälle sind es Bakterien, die sich an den verschiedenen Stellen der Mundhöhle anlagern, vermehren und übel riechende Gase produzieren.

Erfolgreiche Therapie
Liegt die Ursache der Halitosis eindeutig in der Mundhöhle, besteht die Therapie in der Regel in der Beseitigung dieser Ursache. Außerdem sollte eine umfangreiche Instruktion zur häuslichen Mundhygiene durch den Zahnarzt erfolgen, bei der er dem Patienten sinnvolle Hilfsmittel und deren korrekte Anwendung vorstellt. Dazu gehören neben Instrumenten zur Reinigung der Zahnzwischenräume (Interdentalbürsten, Floss) vor allem Zungenreiniger, die eventuell vorhandene Bakterienbeläge vom Zungenrücken entfernen und somit eine der häufigsten Ursachen oral bedingten Mundgeruchs bekämpfen helfen. Die regelmäßige Zungenreinigung zu Hause ist in den meisten Fällen ein wesentlicher Bestandteil einer dauerhaft erfolgreichen Halitosetherapie. Als besonders geeignet dafür hat sich ein Kombinationsgerät erwiesen, bestehend aus Bürste und Schaber. Zur Unterstützung dieser mechanischen Therapie zu Hause kann auch die kurmäßige Anwendung von chlorhexidinhaltigen Mundspüllösungen erwogen werden. Wichtig ist in jedem Falle, dass die eingesetzten Instrumente und Mittel im Sinne einer systematischen Mund- und Zahnhygiene gut aufeinander abgestimmt sind und so alle Bereiche der Mundhöhle, in denen sich die geruchbildenden Bakterien ansiedeln können, gleichermaßen versorgt werden.
Nach dem Abschluss einer eventuell notwendigen Behandlung beziehungsweise etwa zwei bis drei Wochen nach dem Ersttermin sollte mit dem Patienten ein Folgetermin vereinbart werden, bei dem erneut eine Halimetermessung und eine organoleptische Untersuchung durchgeführt und der Mundhygienestatus überprüft werden. In vielen Fällen haben sich die Messwerte bereits nach dieser kurzen Zeit deutlich verbessert und eine hohe Therapietreue sorgt für schnelle und dauerhafte Behandlungserfolge.

Autor: Dr. med. dent. Andi Kison

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