Zahntechnik 06.11.2013
Die labortechnische Herstellung der Rückschubdoppelplatte
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Eine FKO-Alternative zur Therapie von gewissen Klasse III-Anomalien stellt bei Kindern im frühen Wechselgebiss die Rückschubdoppelplatte dar. Welche Arbeitsschritte bei der Fertigung einer RDP nach Sander erfolgen, erläutert ZT Michael Sattel.
Wurde im ersten Beitrag dieser dreiteiligen Artikelserie die labortechnische Fertigung der Vorschubdoppelplatte (VDP) nach Sander beschrieben, widmet sich Teil 2 der Herstellung der Rückschubdoppelplatte (RDP, auch Sander III-Apparatur genannt). Mitte der 1990er-Jahre von Franz Günter Sander entwickelt, bewirkt diese – im Gegensatz zur VDP – den kleinschrittigen Rückschub des Unterkiefers, während eine reziproke Kraft auf den Oberkiefer wirkt und dessen Entwicklung fördert.
Die Rückschubdoppelplatte wird zur Therapie einer skelettalen Klasse III (Progenie) eingesetzt. Insbesondere Kinder im frühen Wechselgebiss können mithilfe dieser funktionskieferorthopädischen Apparatur behandelt werden. Bei entsprechender Indikationsstellung bietet die Behandlung mittels RDP nach Sander unter Nutzung von Mundmuskelkräften eine Alternative zur Anwendung extraoraler Geräte (z. B. Kopf-Kinn-Kappe, Gesichtsmaske). Zudem kann die Apparatur als Retentionsgerät und dabei gleichzeitig als Zungenheber eingesetzt werden.
Apparaturaufbau/Wirkungsweise
Die Rückschubdoppelplatte nach Sander besteht aus zwei herausnehmbaren Einzelplatten, die mithilfe miteinander korrespondierender intermaxillärer Elemente – Stege im OK (Abb. 1a) und aktivierbare Exzenterschrauben im UK (Abb. 1b) – eine schrittweise Rückschubbewegung des Unterkiefers bewirken. Voraussetzung für die Anwendung der Apparatur ist jedoch deren Verankerungsmöglichkeit. So sollte der Durchbruch der bleibenden 6er abgewartet werden. Zudem empfiehlt sich der Einsatz zusätzlicher Halteklammern an weiteren Zähnen.
Je nach Indikationsstellung (z. B. Schmalkiefer, seitlicher Kreuzbiss) kann durch den zusätzlichen Einbau einer Memory-Dehnschraube in die Oberkieferplatte eine transversale Erweiterung des OK erreicht werden. Parallel müsste eine Dehnung in der UK-Platte erfolgen. Durch sukzessives Aktivieren der Exzenterschrauben kann der gewünschte, schrittweise Rückschub des Unterkiefers eingestellt werden. Aufgrund der exakt positionierten Schrauben im UK wird beim Zubiss ein Kontakt mit den OK-Stegen erreicht, wobei jedoch ein kompletter Kieferschluss verhindert wird. Durch die Stege der Oberkieferplatte wird beim Zubiss die Kraft auf den Oberkiefer übertragen, woraus nach anterior gerichtete Kraftimpulse resultieren, die das Wachstum des Oberkiefers fördern. Gleichzeitig wirkt die nach anterior gerichtete Kraft im Oberkiefer intrusiv auf den Molaren und somit der Entstehung eines offenen Bisses entgegen.
Labortechnische Fertigung
Auch bei der RDP stellt die Grundvoraussetzung für deren Herstellung der vorherige, durch den Kieferorthopäden zu fertigende Konstruktionsbiss dar.
Bei der Fertigung wird mit der UK-Platte begonnen. Nach dem Auswachsen der unter sich gehenden Stellen am Modell werden die Halteelemente (Dreiecksklammern, Adamsklammern) sowie der Labialbogen gebogen und mittels Wachs fixiert (Abb. 2a). Da Ober- und Unterkieferplatte getrennt voneinander sind, können wie bei der VDP alle üblichen aktiven Elemente der Schwarz’schen Platten zur Anwendung kommen. Zu beachten gilt jedoch auch hier, dass die Retentionen von Labialbogen, Dreiecksklammern etc. nach distal zu biegen sind, um genügend Platz für die Positionierung der Exzenterschrauben zu haben. Zur Verbesserung der Retention im UK können auch modifizierte Blattfedern verwendet werden.
Senkrecht zum Zahnbogenverlauf werden nun die Exzenterschrauben positioniert. Die Lage der Exzenter sollte dabei so weit dorsal wie möglich sein, am besten zwischen Zahn 5 und 6.
Auch sollte bei der Ausrichtung darauf geachtet werden, dass die Schrauben auf beiden Seiten in gleicher Höhe fixiert werden. Optimal sind sie positioniert, wenn sie 2 bis 3 mm unterhalb der Okklusionsebene liegen. Die frontale Ausrichtung der Exzenterschrauben ist parallel zur Molarenlängsachse, wobei der Zungenraum so wenig wie möglich eingeengt werden darf.
Um ein exaktes und sicheres Fixieren der Schrauben zu ermöglichen, kann ein kleines Hilfsmittel – ein Wachswall – geformt und am UK-Boden verschwemmt werden. In diesen sind die Exzenter beidseits einzutauchen und somit zu fixieren (Abb. 2b, c).
Anschließend wird die UK-Platte gewässert, gestreut oder gestopft und die Exzenterschrauben einpolymerisiert. Die blauen Kunststoffplatzhalter werden nach dem Drucktopf durch Ausbrühen entfernt und die Platte schließlich ausgearbeitet (Abb. 3a–c, 4a, b). Nun wird die OK-Platte vorbereitet, indem auch hier zunächst die Halteelemente und der Labialbogen gebogen und mit Wachs am Modell fixiert werden (Abb. 4c). Im Anschluss wird die OK-Platte gewässert.
Die ausgearbeitete UK-Platte wird wieder auf das Modell gesetzt. Es gilt nun, die beiden Stege an den Exzenterschrauben mithilfe spiegelbildlicher Einbauschablonen (Abb. 1c) in einem Winkel von 100° zur Okklusionsebene auszurichten und zu fixieren. Die Schablonen werden dabei mit der Spitze nach vorn zeigend über die Exzenter gestreift (Abb. 5a), sodass die Rückschubstege in die Schablone eingeschoben werden können (Abb. 5b). Dadurch wird gewährleistet, dass die Richtung der Stege stets gleich ist und eine Symmetrie vorliegt.
Anschließend werden die Stege an den Übertragungsschablonen festgewachst (Abb. 5c) und in der Vertikalen ausgerichtet. Hierfür ist der Oberkiefer aufzusetzen. Bei geschlossenem Fixator sollten die Stege einen Abstand von ca. 2 bis 3 mm zum Gaumendach aufweisen. Bei Bedarf sind sie durch Biegen dem Gaumenverlauf anzupassen (Abb. 6a). Danach ist die komplette UK-Platte mit Wachs abzudecken (Abb. 6b), damit sich beim Streuen der OK-Platte der Kunststoff nicht mit dem der fertig ausgearbeiteten UK-Platte verbindet. Bei geschlossenem Fixator nochmals prüfen, ob wirklich alles mit Wachs abgedeckt ist (Abb. 6c).
Jetzt wird die OK-Platte gestreut (Abb. 7a). Je nach Indikation kann hier zusätzlich eine Dehnschraube eingearbeitet werden. Ist dies der Fall, müssen jedoch die Stege entsprechend mit Bajonettbiegungen versehen werden. Der Kunststoff wird so aufgetragen, dass die Stege bei geschlossenem Fixator in diesen einsinken (Abb. 7b). Nochmals Kunststoff auftragen und das Ganze im geschlossenen Fixator im Drucktopf aushärten lassen. Nach Entfernen der Wachsschicht (Abb. 7c, 8a) und Versäubern der OK-Platte wird diese vorsichtig vom Modell gehoben (Abb. 8b), gesäubert (Abb. 8c) und analog der UK-Platte ausgearbeitet (Abb. 9a–c, 10a–c).
Fazit
Die RDP nach Sander stellt eine FKO-Alternative bei gewissen Klasse III-Anomalien bei Kindern im frühen Wechselgebiss dar. Die Apparatur ist wenig reparaturanfällig und lässt sich einfach und schnell fertigen.