Branchenmeldungen 03.09.2020
Der Zahnarztmarkt weist den Weg in die Zukunft – und zeigt Probleme auf
Die Frage nach der Zukunft für Zahnärzte beschäftigt die Branche bereits seit mehreren Jahren. Verschiedene Entwicklungen tragen dazu bei, dass sich bundesweit ein grundlegender Wandel abzeichnet, wobei vor allem die Digitalisierung und die Problematik des Landarztmangels als hauptsächliche Treiber fungieren. Immer mehr wird in diesem Zuge deutlich, dass der Zahnarztmarkt als Vorbild dient, beispielsweise für Hausärzte oder andere Fachärzte. Doch diese Entwicklungen bringen nicht nur Vorteile mit sich, sondern machen auch deutlich, wo jetzt und in Zukunft die Probleme liegen.
Digitalisierung macht Umdenken erforderlich
Die Digitalisierung sorgt derzeit für grundlegende Veränderungen in vielen Branchen. Auch der Zahnarztmarkt bleibt davon nicht verschont. Basisthemen wie das Praxismarketing oder das Terminmanagement müssen plötzlich neu gedacht werden. Das birgt Herausforderungen, bringt aber auch viele Chancen mit sich. Allerdings sind es genau diese Themen rund um die Digitalisierung, welche bei vielen Ärzten noch auf Widerstand stoßen. Es fehlt am Willen oder Knowhow, um den Sprung in die digitale Ära zu schaffen. Die ohnehin technikaffine Zahnmedizin nimmt diesbezüglich eine Sonderrolle ein. Hier werden die digitalen Möglichkeiten nicht nur begrüßt, sondern vielerorts aktiv vorangetrieben und in umfassende Konzepte übertragen. Ziel ist, durch die digitalen Technologien den Praxisalltag in allen Belangen zu vereinfachen und zu verbessern. Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung in der Zahnarztbranche ist beispiellos und somit ein Vorbild für viele andere Medizinbereiche.
Der Landarztmangel verändert die Branche
Auch, wenn es um die Problematik des Landarztmangels geht, kennt die Zahnarztbranche moderne Lösungen, die sich in anderen Branchen noch nicht abzeichnen. Denn der Fachkräftemangel, der deutschlandweit immer mehr Wirtschaftssektoren fest im Griff hat, macht sich zunehmend auch unter Ärzten bemerkbar. Zahnärzte sind hierbei nicht die am schwersten betroffene Berufsgruppe, doch auch ist eine solche Entwicklung langsam erkennbar – Tendenz steigend. Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass mehr als die Hälfte aller Zahnärzte in Rheinland-Pfalz bis zum Jahr 2023 in den Ruhestand gehen. Ähnlich ist die Situation in vielen anderen Bundesländern. Gleichzeitig fehlt es an einer ebenso großen Zahl an Nachfolgern. Während es viele (angehende) Zahnärzte in die Großstädte zieht, fehlt es dementsprechend jetzt sowie in Zukunft vor allem auf dem Land an entsprechenden Fachärzten. Für Nachwuchsärzte bedeutet das jedoch eine hervorragende Position mit exzellenten Karrierechancen – denn junge Zahnärzte genießen derzeit vollständige Gestaltungsfreiheit, wenn es um ihre berufliche Laufbahn geht.
Umstrittene Finanzinvestoren treffen den Zahn der Zeit
Das Interessante an der Sache ist, dass immer mehr dieser Nachwuchszahnärzte keine eigene Praxis mehr wünschen. Sie scheuen die Selbständigkeit und suchen stattdessen nach der Sicherheit eines klassischen Angestelltenverhältnisses. Hand in Hand geht diese Entwicklung mit dem zunehmenden Einstieg von kapitalstarken Privatinvestoren in den deutschen Gesundheitsmarkt, der bereits seit dem Jahr 2018 für viele kritische Stimmen in den Medien sorgt. Davon ist nicht nur, aber vor allem die Zahnarztbranche betroffen. Das Geschäftsmodell ist dabei denkbar simpel: Die Finanzinvestoren kaufen medizinische Einrichtungen wie Zahnarztpraxen auf, um diese entweder zu betreiben oder nach einer Umstrukturierung wieder zu verkaufen. In jedem Fall ist natürlich eine größtmögliche Rendite das Ziel. Was vor allem von alteingesessenen Zahnärzten eher negativ betrachtet wird, scheint sich jetzt sowie in Zukunft aber sehr gut mit den Karrierezielen vieler Nachwuchsärzte zu decken. Wie so oft im Leben, hat also auch diese Medaille zwei Seiten.
Landarztmangel vs. Stadtflucht
Dass die Modernisierung von Arztpraxen nicht nur sinnvoll, sondern obligatorisch ist, um den aktuellen Problemen auf dem (Zahn-) Arztmarkt zu begegnen, macht der Landarztmangel deutlich. Bereits seit mehreren Jahren haben viele Ärzte ein Problem damit, geeignete Nachfolger für ihre Praxen in ländlichen Regionen zu finden. Ursachen gibt es hierfür viele. Doch es gibt auch Lösungen, wie die Zahnarztbranche derzeit deutlich macht. Sie zeigt auf, dass das Problem oftmals nicht im Fachkräftemangel per se liegt, sondern in einer falschen Herangehensweise strukturschwacher Regionen an die Thematik. Es gilt, die Vorstellungen der jungen Nachwuchskräfte zu kennen und zu bedienen. Die Herangehensweise der Finanzinvestoren ist hierbei fortschrittlicher als jene vieler Landärzte, dennoch aber nicht die gewünschte Lösung der Branche. Stattdessen gilt es, die Praxen zu modernisieren und den jungen Nachwuchsärzten jene Arbeitsbedingungen zu bieten, welche sie sich wünschen. Dann kommen sie gerne in ländliche Regionen, so die Experten, schließlich findet derzeit eine regelrechte Stadtflucht der jüngeren Generationen statt. Immer mehr junge Familien und somit auch Zahnärzte wünschen sich also einen Lebens- und Arbeitsbereich inmitten der Natur – nur finden sie dafür bislang nur in den wenigsten Fällen die geeigneten Bedingungen vor.
Junge Zahnärzte wollen nicht in die Selbständigkeit
Die klassische Einzelpraxis stellt für viele junge Zahnärzte nicht mehr das Arbeitsmodell ihrer Wahl dar. Sie wünschen sich stattdessen mehr Sicherheit sowie mehr Flexibilität hinsichtlich ihrer Arbeitszeiten. Der Trend geht daher zum Angestelltenverhältnis oder der Gemeinschaftspraxis. Denn diese Konzepte bringen zahlreiche Vorteile mit sich. So können sich die Zahnärzte nicht nur die Arbeitszeiten aufteilen, was ihnen mehr Spielraum lässt durch die gegenseitige Vertretung, sie teilen sich auch zahlreiche Kosten sowie einen Großteil der teuren Versicherungen. Wenige Ausnahmen gibt es auch hier, zum Beispiel die Berufshaftpflichtversicherung oder Krankenversicherung. Im Regelfall können die Zahnärzte aber dennoch frei zwischen der GKV und PKV wählen und genießen somit sämtliche Vorteile der privaten Absicherung – wenn gewünscht. Hier wiederum werden die Beiträge individuell bemessen und somit unabhängig von den anderen Zahnärzten in der Praxis oder dem Arbeitgeber. In letzterem Fall, also jenem einer Anstellung als Zahnarzt, kommt zusätzlich der Aspekt der finanziellen Sicherheit zum Tragen: Die Nachwuchsärzte müssen keine hohen Investitionen eingehen und damit kein Risiko, sondern haben ein planbares Einkommen mit hervorragender sozialer Absicherung.
Work-Life-Balance wird auch von Ärzten großgeschrieben
Ein weiterer Hauptgrund, weshalb sich immer mehr junge Zahnärzte jetzt und mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft für die Festanstellung entscheiden, liegt also in dem Wunsch, nicht nur flexibler, sondern vor allem weniger zu arbeiten. Die sogenannte Work-Life-Balance ist in allen Branchen ein wichtiges Thema und in der Medizin macht der Zahnarztmarkt derzeit vor, wie diese auch bei Ärzten funktionieren kann. Denn junge Zahnärzte wollen sich nicht mehr für ihren Beruf aufopfern – und auch diesbezüglich werden sie somit zum Vorreiter, wenn es um die Praxis der Zukunft geht. Anstatt also hohe Schulden aufzunehmen für eine eigene Praxis und anschließend den Großteil ihrer Lebenszeit mit der Arbeit verbringen zu müssen, wünschen sie sich finanzielle sowie zeitliche Unabhängigkeit. Kurz gesagt: Sie wollen der „Konsumspirale“ entfliehen und weniger arbeiten, beispielsweise nur vormittags oder nur vier Tage pro Woche. Bewährte Modelle aus anderen Branchen also, die jedoch auf dem Zahnarztmarkt erst langsam Einzug halten; und noch langsamer schreitet diese Entwicklung in anderen Arztpraxen wie bei den Hausärzten (auf dem Land) voran.
Fazit
Der Zahnarztmarkt befindet sich also derzeit gleich in mehrfacher Hinsicht in Bewegung. Schneller und besser als andere Branchen passt er sich aber an die Veränderungen an und fungiert als Vorbild. In diesem Zuge wird auch ersichtlich, wo aktuelle sowie potenzielle zukünftige Probleme liegen – und wie deren Lösungen aussehen könnten. Vor allem der Wunsch vieler Nachwuchsärzte, in einer Festanstellung oder Gemeinschaftspraxis zu arbeiten, sticht dabei besonders heraus. Er verstärkt die Problematik des Landarztmangels, da viele Praxen schlichtweg nicht die Modernität und Arbeitsbedingungen bieten, welche sich junge Zahnärzte wünschen. Wo es jedoch geschafft wird, sei es durch Investoren oder eigene Bestrebungen, die Ärztelandschaft auch in weniger städtischen Regionen entsprechend umzugestalten, könnte es schon bald eine regelrechte Stadtflucht geben. Der Zahnarztmarkt ist anderen Branchen wie den Hausärzten dabei einen großen Schritt voraus, aber längst noch nicht am Ziel angekommen, da sind sich die Experten einig. Dennoch sollten die Erkenntnisse von der Branche selbst sowie von anderen (Fach-) Ärzten genutzt werden, um den Problemen wie dem Landarztmangel proaktiv zu begegnen. Es bleibt somit spannend, wie diese Entwicklungen in den kommenden Jahren weitergehen werden.
Foto Teaserbild: Halfpoint – stock.adobe.com