Branchenmeldungen 31.10.2025

Diabetes und Parodontitis: Experten fordern bessere fachübergreifende Vernetzung



Diabetes mellitus und Parodontitis gehören zu den häufigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland. Beide beeinflussen sich wechselseitig und zeigen, wie eng Stoffwechsel und Entzündungsgeschehen miteinander verbunden sind. Auf der Pressekonferenz im Rahmen des Gemeinschaftskongresses wurde deutlich, dass diese Wechselwirkung stärker in den Fokus rücken muss, wenn Prävention und Therapie langfristig erfolgreicher sein sollen.

Diabetes und Parodontitis: Experten fordern bessere fachübergreifende Vernetzung

Foto: OEMUS MEDIA AG; DGZMK Marc Steffen Unger

„Die Mundhöhle ist kein isolierter Raum, sondern Teil der Körperoberfläche“, erklärte Prof. Dr. Henrik Dommisch. Eine fortgeschrittene Parodontitis sei deshalb kein lokales Geschehen, sondern könne über oral-pathogene Bakterien systemische Entzündungen auslösen, die auch entferntes Gewebe betreffen.

Wie eng Allgemein- und Mundgesundheit zusammenhängen, betonte auch Prof. Dr. Knut Mai, Direktor der Klinik für Endokrinologie, Stoffwechsel- und Ernährungsmedizin an der Charité. Bei Diabetes spielen entzündliche Prozesse eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Spätfolgen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenerkrankungen. Wer stabile Blutzuckerwerte anstrebt, sollte deshalb auch auf eine gesunde Mundflora achten, so Mai.

Die Zahnoberfläche gilt als empfindliche Schwachstelle des Körpers. Sie ragt aus dem Knochen in eine bakterienreiche Umgebung und ist nur durch ein schmales Gewebeband aus Saumepithel und Bindegewebe geschützt. Wird diese Barriere durch ein gestörtes Mikrobiom, durch Rauchen oder Diabetes geschwächt, reagiert der Körper mit einer Entzündung. Gelingt es nicht, diesen Prozess zu stoppen, zerstört die Entzündung den Zahnhalteapparat, bis der Zahn verloren geht. „Man könnte sagen, die Zähne amputieren sich selbst, um die Integrität der Körperoberfläche wiederherzustellen“, so Dommisch.

©OEMUS MEDIA AG

Studien belegen, dass sich durch eine erfolgreiche Parodontitistherapie auch der Blutzuckerspiegel verbessert. Der HbA1c-Wert sinkt bei Menschen mit Diabetes im Schnitt um 0,3 bis 0,6 Prozent. Umgekehrt zeigen sich bei gut eingestelltem Diabetes keine Unterschiede im parodontalen Zustand im Vergleich zu gesunden Personen.

Die wissenschaftlich gut belegten Zusammenhänge wurden inzwischen in einer gemeinsamen Leitlinie festgehalten. Die S2k-Leitlinie „Diabetes und Parodontitis“ der DG PARO, der DDG und der DGZMK liefert konkrete Empfehlungen für beide Fachrichtungen und soll die interdisziplinäre Versorgung verbessern.

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Zahnmedizinische Versorgung im Alter ist ohne Parodontitis- Versorgung nicht zu denken! 

Prof. Dr. A. Rainer Jordan, wissenschaftlicher Direktor des Instituts der Deutschen Zahnärzte, wies darauf hin, dass der demografische Wandel den Therapiebedarf weiter erhöhen wird. Durch den Erfolg präventiver Maßnahmen behalten Menschen heute deutlich mehr eigene Zähne als frühere Generationen. Damit verschiebt sich die Krankheitslast ins höhere Alter. Parodontitis werde in den kommenden Jahren in den jüngeren Altersgruppen zurückgehen, bei älteren Menschen jedoch zunehmen. Nach aktuellen Prognosen sinkt die Zahl der Betroffenen bis 2030 zwar um rund 13 Prozent, gleichzeitig steigt die Zahl der erkrankten Zähne um etwa 27 Prozent. „Zahnmedizinische Versorgung im Alter ist ohne Parodontitisversorgung nicht zu denken“, so Jordan. Der Zahnarzt werde damit zunehmend zum Gesundheitsmanager, der nicht nur die Mundhöhle, sondern auch den Gesamtzustand des Menschen im Blick haben müsse.

Dennoch fehlt bislang eine verbindliche Zusammenarbeit. Während Überweisungen zwischen Ärztinnen und Ärzten verschiedener Fachgebiete selbstverständlich sind, existiert zwischen Medizin und Zahnmedizin noch kein vergleichbarer Austausch. Ein Zahnarzt kann zwar auf einen möglichen Diabetes hinweisen, eine formale Rückmeldung erfolgt jedoch nicht. Ebenso wenig können Diabetologinnen und Diabetologen an Zahnärzte überweisen. Immerhin sieht der Gesundheits-Pass Diabetes inzwischen eine jährliche Parodontaluntersuchung vor, was von beiden Experten ausdrücklich begrüßt wurde.

Wie einfach Früherkennung gelingen kann, zeigen neue diagnostische Tools. Hausärzte können das Risiko für Parodontitis bei Menschen mit Prädiabetes oder Diabetes mithilfe kurzer Tests erfassen. Umgekehrt lässt sich in Zahnarztpraxen über Blutdruck, Taillenumfang und Fragebögen das Risiko für Diabetes abschätzen. „Das sind einfache, aber wirkungsvolle Maßnahmen, die sich gut in den Praxisalltag integrieren lassen“, erklärte Mai.

Eine stärkere Zusammenarbeit von Zahnmedizin und Innerer Medizin kann die Krankheitslast deutlich senken und zugleich Kosten im Gesundheitssystem reduzieren. Noch wichtiger ist jedoch der Gewinn an Lebensqualität, den frühe Prävention und gemeinsames Handeln für Betroffene bringen.

Zukünftige Herausforderungen an die Zahnmedizin aufgrund von Demografie und Migration – Statement von Prof. Dr. A. Rainer Jordan.  

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