Branchenmeldungen 22.10.2012
Die Gefährlichkeit von Krebs «ertasten»
Einer der Hauptgründe für den oft tödlichen Ausgang von Tumorerkrankungen ist die Ausbreitung von Krebszellen im gesamten Körper. Im Fachjournal «Nature Nanotechnology» berichten Forschende am Biozentrum und am Swiss Nanoscience Institute der Universität Basel, wie wichtig die einzigartigen nanomechanischen Eigenschaften von Brustkrebszellen für die Entstehung von Metastasen sind. Mit einer auf Rasterkraftmikroskopie basierenden Technik entdeckten sie einen spezifischen «Fingerabdruck» für Brustkrebs.
In der Schweiz erkranken jährlich rund 5500 Frauen an Brustkrebs, der
häufigsten Krebsart bei Frauen. Trotz bedeutender medizinischer
Fortschritte ist die Diagnose von Brustkrebs immer noch schwierig.
Gefährlich sind die fehlenden Kenntnisse darüber, ob sich der Tumor
bereits ausgebreitet hat und Metastasen bildet. Auch die spezifischen
strukturellen Veränderungen von Krebszellen und der sie umgebenden
extrazellulären Matrix – die eng mit der der Entstehung von Metastasen
verknüpft sind – bleiben häufig unentdeckt. Das Team um Prof. Roderick
Lim vom Biozentrum hat nun ein Diagnostiktool entwickelt mit dem die
nanomechanischen Eigenschaften von Gewebebiopsien untersucht werden
können.
Brustkrebs hinterlässt «Fingerabdruck»
Das
Tool ARTIDIS (Automated and Reliable Tissue Diagnostics/Automatisierte
und zuverlässige Gewebediagnostik) beruht auf der Technik eines
Rasterkraftmikroskops. Dessen Herzstück eine wenige Nanometer lange
Spitze, die als mechanische Messsonde fungiert. Mit ihr können einzelne
Zellen und extrazelluläre Strukturen einer Gewebeprobe abgetastet
werden. Die Erstellung eines nanomechanischen «Fingerabdrucks» erfolgt
durch ein systematisches Abtasten der ganzen Biopsie mit 10'000
Messungen. Die Vermessung von über hundert Gewebeproben von
Brustkrebspatientinnen mittels ARTIDIS zeigte nun, dass sich die
«Fingerabdrücke» von bösartigen Brusttumoren deutlich von denen gesunden
Gewebes und gutartiger Tumore unterscheiden. Die am Universitätsspital
durchgeführten Gewebeuntersuchungen bestätigten diese Ergebnisse. Zudem
zeigten am Friedrich Miescher Institut gemachten Studien am Tier, dass
auch hier die Brusttumore dasselbe nanomechanischen Profil aufweisen.
Dr. Marija Plodinec, Erstautorin dieser Studie, erklärt: «Dieser einzigartige ‹Fingerabdruck›
spiegelt die sehr heterogene Struktur bösartiger Tumore wider, die bei
gesundem Gewebe und gutartigen Tumoren sehr viel homogener ist.»
Kennzeichnend für bösartig entartetes Gewebe war zudem das Auftreten
einer sehr weichen Region, die für Krebszellen und das veränderte
Mikroumfeld charakteristisch ist. Diese Erkenntnisse untermauern die
Annahme, dass sich weiche Krebszellen leichter deformieren und dadurch
besser in den umliegenden Zellverband hineinzwängen können. Die
Anwesenheit des gleichen Typus von weichen Zellen in Lungenmetastasen
von Mäusen bekräftigte den Zusammenhang zwischen den physikalischen
Eigenschaften von Krebszellen und ihrem Potenzial zu metastasieren.
KTI unterstützt ARTIDIS-Weiterentwicklung
«Die
Entdeckung einer so grundlegenden Eigenschaft von Krebs bekräftigt die
Verwendung nanomechanischer ‚Fingerabdrücke‘ als quantitative Marker in
der Krebsdiagnostik. Diese haben das Potenzial die Gefahr der Bildung
von Metastasen abzuschätzen», sagt Mitautor Dr. Marko Loparic. Der
Zeitaufwand von rund einer Woche für eine Diagnose mit herkömmlichen
Verfahren verringert sich mit ARTIDIS auf etwa vier Stunden. Die
Kommission für Technologie und Innovation (KTI) entschied, Lim's Team
und die Schweizer Firma Nanosurf AG für die Weiterentwicklung von
ARTIDIS in der Krebsdiagnose mit rund 1,2 Millionen Schweizer Franken zu
unterstützen.
Originalbeitrag
Marija
Plodinec, Marko Loparic, Christophe A. Monnier, Ellen C. Obermann,
Rosanna Zanetti-Dallenbach, Philipp Oertle, Janne T. Hyotyla, Ueli Aebi,
Mohamed Bentires-Alj, Roderick Y. H. Lim, and Cora-Ann Schoenenberger
The nanomechanical signature of breast cancer
Nature Nanotechnology (2012); Published online 21 October 2012 | doi: 10.1038/nnano.2012.167
Quelle: Uni Basel