Branchenmeldungen 05.02.2019

Digitaler Workflow: Vorteile sinnvoll nutzen

Seit zwei Monaten ist Prof. Dr. Daniel Grubeanu Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orale Implantologie e.V. (DGOI), die seit ihrer Gründung im Jahr 2004 die implantologische Fachgesellschaft für den Praktiker ist. Er will im Rahmen seiner Amtszeit vor allem den fachgesellschaftsübergreifenden Dialog fördern und Praktiker weiter stärken. Im Gespräch mit ihm stand auch der „digitale Workflow“ im Fokus.

Herr Prof. Dr. Grubeanu, vor welchen Herausforderungen stehen Praktiker in der Implantologie im Jahr 2019 in Bezug auf die Gegenüberstellung digital versus analog?

Zahlreiche digitale Technologien und Verfahren sind inzwischen fester Bestandteil der modernen Implantologie, wie zum Beispiel die 3D-Diagnostik und -Implantatplanung, Guided Surgery, die digitale Okklusionserfassung und das Digital Smile Design. Aktuell beschäftigen sich viele Kollegen mit der Frage, ob Intraoralscan ja, nein oder noch nicht. Wir erleben jetzt, dass Zahnheilkunde, also auch die Implantologie, digital wird. Der Praktiker steht vor der Herausforderung, die unterschiedlichen digitalen Möglichkeiten zu verstehen und so zu erlernen, um sie dann für sich und die Patienten sinnvoll zu nutzen. Mit der Digitalisierung gehen tiefgreifende Veränderungen des Arbeitsablaufs einher. Wir generieren über die 3D-Diagnostik viele unterschiedliche wichtige Patientendaten. Es gilt viele Aspekte zu betrachten, bewerten, reflektieren und zu sichern, bevor man mit der Implantation beginnt. Das Zusammenführen aller wesentlichen Parameter zu einer patientengerechten Planung ist eine komplexe Aufgabe. Präzise Datenerhebung und Planung sind im digitalen Workflow die Basis für den langfristigen Behandlungserfolg, oder anders gesagt, wenn in dieser Phase etwas nicht stimmt, kann der Misserfolg bereits vor Beginn des implantatchirurgischen Eingriffs vorprogrammiert sein. Die richtige Anwendung der unterschiedlichen digitalen Technologien setzt deren Verständnis und auch Erfahrung voraus. Für Ungeübte kann der digitale Workflow den Arbeitsprozess in der Implantologie sogar eher hemmen.

Inwieweit dient der digitale Workflow einer erhöhten Präzision und Planungssicherheit in der implantologischen Behandlung?

Der digitale Workflow kann eine fantastische Präzision, Planungssicherheit und Effizienz in zeitlicher sowie wirtschaftlicher Hinsicht bieten: Die 3D-Bildgebung stellt die genaue anatomische Situation dar, sodass die Implantatpositionen präzise virtuell geplant und mittels navigierter Chirurgie prothetisch sinnvoll umgesetzt werden können – vorausgesetzt ist jedoch die richtige Anwendung der digitalen Tools. Das gilt es, zu erlernen. Im Curriculum Implantologie „9+2“ der DGOI werden deshalb sowohl die analoge wie auch die digitale Vorgehensweise vermittelt.

Und was sollte trotz digitaler Möglichkeiten analog bleiben?

Welche digitalen Arbeitsschritte in den eigenen Workflow integriert werden, das ist eine Entscheidung, die jeder Praktiker für sich zu treffen hat – unter Einbeziehung des individuellen Kenntnis- und Wissensstands. Die Arbeitsschritte, die analog sicher, routiniert und (nahezu) perfekt beherrscht werden, sollte man zunächst beibehalten.

Um sich in den digitalen Workflow einzufinden, können digitale Positionen schrittweise hinzugefügt werden. Zu fragen ist auch, ob das digitale Vorgehen für den Patienten einen konkreten medizinischen Nutzen bietet. Die pauschale Anwendung digitaler Verfahren bringt nicht per se einen positiven Nutzen für die implantologische Therapie. In der Implantologie gibt es keinen Automatismus. Jede Ausgangssituation ist patientenindividuell zu erfassen, zu reflektieren und zu bewerten. Die in oftmals jahrelanger chirurgischer Aus- und Fortbildung erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse sind das wichtigste Handwerkszeug. Unverzichtbar bleibt eine fundierte analoge Wissens- und Erfahrungsbasis. Digitale Technologien ersetzen diese nicht, sondern sind als Add-on und Unterstützung zu sehen, damit die Implantatbehandlung effizienter und für den Patienten schonender umgesetzt werden kann.

„Komplikationen meiden – Komplikationen meistern“ ist das Gipfelthema des DGOI-Wintersymposiums im März 2019. Fehlervermeidung und Komplikationsmanagement stehen im Fokus. Welche Rolle spielen Learnings in der Implantologie?

Immer wieder zeigt sich in Studien, dass die langjährige, fundierte implantologische Erfahrung des Behandlers im Hinblick auf den langfristigen Therapieerfolg eine entscheidende Rolle spielt. Learnings spielen eine Hauptrolle, wenn es darum geht, die chirurgischen Fähigkeiten zu trainieren. Deshalb sind Workshops ein fester Bestandteil des Programms. In diesem Jahr geht es in Zürs um das wichtige Thema Komplikationsmanagement: Was ist konkret zu tun, wenn ein chirurgischer oder prothetischer Arbeitsschritt plötzlich außerhalb der Planung verläuft? Trainiert wird, wie noch innerhalb des Prozesses die Korrektur eingeleitet werden kann. Die Teilnehmer erhalten konkrete Impulse für die direkte Umsetzung in ihrer Praxis.

Welche Ziele verfolgen Sie als Präsident der DGOI während Ihrer Amtszeit?

Ein besonderes Anliegen ist die Förderung des fachgesellschaftsübergreifenden Wissensaustauschs auf der Basis des wissenschaftlichen Diskurses. Die daraus resultierenden Erkenntnisse sollen über bewährte und neue Fortbildungsformate wie ImpAct mit den Kollegen in der Breite geteilt werden. Die DGOI will die Praktiker in ihrer täglichen Arbeit stärken – implantatprothetisch und -chirurgisch. Die Inhalte und Formate der DGOI-Curricula mit vielen praktischen Trainings und die Möglichkeit, Einzel-Coachings bei Experten zu absolvieren, versetzt die Kollegen in die Lage, ihr Wissen, ihre praktischen und auch unternehmerischen Fähigkeiten Schritt für Schritt optimal zu entfalten.

Bitte erläutern Sie kurz das neue Fortbildungsformat ImpAct.

ImpAct ist ein zweiteiliges Tagungskonzept, das den bisherigen Jahreskongress ersetzt. Im Oktober 2019 starten wir mit ImpAct Masterleague ein neues wissenschaftliches Diskussionsforum. Dafür haben wir fachgesellschaftsübergreifend hochkarätige Top-Spezialisten als Referenten eingeladen. In Streitgesprächen und 10-Minutes-one-Questions-Sessions geht es zum Beispiel um biologische Therapieansätze der Gegenwart sowie um interdisziplinäre Themengebiete, die mit der Implantologie möglicherweise konkurrieren. Wir wollen erreichen, dass sich Teilnehmer über Votings in die Diskussion einbringen können. Wir sehen Masterleague als eine Art Thinktank über die Implantologie der Gegenwart und Zukunft. Im Frühjahr 2020 folgt dann ImpAct Dental Leaders mit praxisorientierten Diskussionen und konkreten Impulsen zur Erweiterung der implantologischen Fähigkeiten. Wir wollen zukünftig unsere Fortbildungsangebote getreu dem Motto „next to you“ noch zielgruppenorientierter an den Bedürfnissen der Implantologen, Oralchirurgen, MKG-Chirurgen, implantologisch tägigen Zahnärzten, Zahntechnikern und Studierenden ausrichten – das ImpAct-Konzept ist der erste Schritt in diese Richtung.

Herzlichen Dank für das informative Gespräch.

Foto: DGOI

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