Branchenmeldungen 04.11.2024

Drei Fragen an Univ.-Prof. Dr. Samir Abou-Ayash



Drei Fragen an Univ.-Prof. Dr. Samir Abou-Ayash

Foto: rudi1976 – stock.adobe.com & Dr. Samir Abou-Ayash

Seit dem 1. September fungiert Univ.-Prof. Dr. Samir Abou-Ayash, EMBA (FH) als Direktor der Poli­klinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde der Univer­sitätsmedizin Mainz und besetzt damit zudem die gleichnamige W3-Professur. Der 40-jährige Zahnmediziner war zuletzt in der Schweiz als leitender Oberarzt und stellvertretender Direktor der Klinik für Rekonstruktive Zahn­medizin und Gerodontologie der Zahnmedi­zinischen Kliniken der Universität Bern tätig und ist im besonderen Maße Experte für digitale Zahnmedizin.

Herr Prof. Abou-Ayash, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Ruf nach Mainz. Welche Ziele verfolgen Sie bei der fachlichen Weiterentwicklung an Ihrem neuen Standort, besonders in den Bereichen der digitalen Zahnmedizin und der interdisziplinären Zusammenarbeit?

Zunächst einmal ist es für mich eine riesige Ehre, den Ruf an eine so große und traditionsreiche Institution erhalten zu haben. Die Klinik für zahnärztliche Prothetik hat sich in den letzten Jahren zu einem sehr großen, überregionalen zahnärztlichen Versorgungszentrum entwickelt. Mein erster Eindruck zeigt, dass hier prothetische Versorgungen auf allerhöchstem Niveau, die jedoch meist eher im Sinne traditioneller Vorgehensweisen angefertigt sind, angeboten werden. Diese traditionellen Fertigungstechniken bergen extrem hohe manuelle Anforderungen an die Herstellung des Zahnersatzes in den zahntechnischen Laboren, die selbstverständlich auch entsprechend honoriert werden müssen. Hier möchte ich durch die Digitalisierung unabhängiger von den individuellen Fähigkeiten einzelner Zahntechniker werden. Zusätzlich sollen durch die Digitalisierung auch die Fertigungskosten gesenkt werden, während die Qualität der Arbeiten mindestens gleichbleibend hoch sein sollte. Einen speziellen Fokus möchte ich hierbei auf digitale Designverfahren, additive Fertigungstechnologien und auf Augmented Reality als Tool zur Visualisierung und Simulation prothetischer Versorgungen legen. Die Digitalisierung ist aber auch Grundlage für den interdisziplinären Datenaustausch. Mein Ziel ist es, durch die Digitalisierung die bereits bestehende Zusammenarbeit innerhalb der ZMK zu vereinfachen und die Gemeinschaftsarbeit mit der Allgemeinmedizin weiter auszubauen.

Wie planen Sie, Ihre Expertise in der Gerodontologie und der Implantatprothetik in die Patientenversorgung an der UM Mainz einzubringen und welche neuen Behandlungsansätze möchten Sie profilieren?

Es ist ganz wichtig zu verstehen, dass die Gerodontologie und die Implantatprothetik nicht zwei voneinander getrennte Bereiche sind. Wenn wir schauen, welche Patienten heute Implantate bekommen, sind dies in 50 Prozent der Fälle Patienten mit einem Alter von 65 aufwärts – was genau dem Alter entspricht, das die WHO einst als „alt“ definiert hat. Für diese Pa­tientengruppe bedarf es spezieller Versorgungsstrategien, im Sinne von minimalinvasiven und mit minimalem Aufwand umbaubaren Implantatversorgungen. Es geht aber nicht nur um Implantate, die neu eingesetzt werden, sondern auch um die Betreuung der Patienten die schon lange Implantate haben, diese aber aufgrund der mannigfaltigen Veränderungen, die das Altern mit sich bringt, nicht mehr wie gewohnt pflegen können. Hier geht es um die Entwicklung von Nachsorgestrategien oder auch die Entwicklung von Kriterien, die den Umbau von bestehendem Zahnersatz oder dessen Neuanfertigung bedingen. Hier strebe ich auch ganz klar die Kollaboration mit dem Zentrum für Geriatrie der Universitätsmedizin sowie dem be­stehenden Geriatrischen Netzwerk an.

Die neue zahnärztliche Approbationsordnung fordert die universitären Standorte heraus. Wie ist das in Mainz und was haben Sie für die dortige Lehre geplant?

Das Schöne für mich ist, dass die neue zahnärztliche Approbationsordnung relativ nah an dem dran ist, was ich die letzten acht Jahre in der Schweiz gemacht habe. Die größte Herausforderung, die ich in den kommenden Jahren sehe, sind die parallel verlaufenden praktischen klinischen Kurse nach neuer und alter Approbationsordnung. Dieser Spagat wird sicher nicht ganz einfach, sowohl logistisch als auch personell. Sobald sich aber die neuen Formate wie die integrierten praktischen Kurse, die interdisziplinären Vor­lesungsreihen oder auch die stärkere Anbindung an die Allgemeinmedizin etabliert haben, denke ich, dass sowohl die Studierenden als auch die Pa­tienten von diesem ganzheitlicheren Ansatz profitieren. Was speziell uns in der Prothetik betrifft, sehe ich die neue Approbationsordnung jedoch auch mit einem weinenden Auge, da der Zahntechnik, die für mich immer ein essenzieller Teil der prothetischen Ausbildung war, deutlich weniger Beachtung zukommt. Eine generelle Herausforderung in der zahnmedizinischen Ausbildung unabhängig von der Approbationsordnung ist die fortschreitende Digitalisierung. Wir befinden uns aktuell in einem Zwischenstadium, in dem wir sowohl die digitalen als auch die sogenannten konventionellen Arbeitsweisen in Theorie und Praxis lehren müssen – und zwar in dem gleichen Zeitraum, in dem wir früher „nur“ die konventionellen Arbeitsweisen ver­mittelt haben. Das bedeutet, dass wir mehr Lehrinhalte in der gleichen Zeit, bei gleichbleibender Qualität der Ausbildung, abbilden sollen. Ob das letz­-ten Endes möglich ist, wird die Zeit zeigen, ich jedoch wage es zu bezwei­feln. Sie sehen, es bleibt spannend, aber ich freue mich auf die anstehenden ­Herausforderungen!

Dieses Interview ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

Mehr News aus Branchenmeldungen

ePaper