Branchenmeldungen 25.04.2025
Drei Fragen an Dr. Carsten Hünecke – Präsident der ZÄK Sachsen-Anhalt
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Herr Dr. Hünecke, wie beurteilen Sie die zunehmende Belastung des zahnärztlichen Notdienstes durch Patienten, die eigentlich keinen akuten Notfall darstellen?
In der Tat erreichen uns in der Zahnärztekammer immer öfter Anrufe von Praxen, bei denen dies der Fall ist, und auch in unserer Praxis war dies im Notdienst so. Die Patienten können meist glaubhaft darstellen, dass sie sehr aktiv waren, um einen regulären Termin zu erhalten – jedoch vergeblich. Diese Entwicklung beweist einmal mehr unsere Aussage, dass der demografische Wandel im Berufsstand im vollen Gange ist und wir dringend mehr junge Kollegen in Sachsen-Anhalt brauchen. Bisher verhallten die Rufe insbesondere bei den politisch Verantwortlichen. Ich hoffe, dass die vom Gesundheitskabinett der Landesregierung verabschiedeten Maßnahmen für mehr Studienplätze und Landeskinder für Entlastung sorgen, aber das werden wir erst langfristig spüren. Gleichzeitig sind wir in der Zahnärztekammer gerade dabei, die bestehenden Notdienststrukturen auf Ebene der Kreisstellen auf den Prüfstand zu stellen, um die schrumpfende Zahl der Praxen im Land so weit wie möglich zu entlasten und dennoch den Patienten eine stabile Notfallversorgung außerhalb regulärer Sprechstundenzeiten zu bieten.
Wie sehen Sie die Perspektiven für eine Verbesserung der Zahnarztversorgung in ländlichen Regionen Sachsen-Anhalts?
Zahlen der KZV und eigener Berechnungen zufolge bräuchten wir im Schnitt pro Jahr 74 neue Zahnärzte im Land, um die altersbedingte Zahl der Praxisschließungen aufzufangen. Die beschlossenen Maßnahmen sind daher zu wenig und greifen zu spät – die Bevölkerung wird sich auf eine Verschlechterung der zahnmedizinischen Versorgung beziehungsweise weitere Wege zu den Praxen einstellen müssen. Übrigens betrifft dies nicht nur ländliche Regionen – auch in der Landeshauptstadt Magdeburg zeichnet sich eine Versorgungslücke ab, bis 2030 könnten hier 70.000 Menschen ohne Zahnarzt sein. Im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen wir gemeinsam mit der KZV über Förderprogramme, spezielle Fortbildungsreihen für junge Zahnärzte oder Niederlassungscurricula die Attraktivität des Standortes für Berufseinsteiger zu steigern. Wichtiger sind aber auch ansprechende Lebens- und Arbeitsbedingungen für junge Familien im Land, worauf wir wenig Einfluss haben. Da sind vor allem das Land und die Kommunen in der Pflicht.
Was tun Sie konkret, um Praxen in Sachsen-Anhalt zu unterstützen?
Die behandelnden Zahnärzte sowie ihre Teams sind auch nur Menschen, und wir müssen sehr darauf achten, sie nicht zu überlasten. Dies ist natürlich vor allem Aufgabe der Praxisinhaber, aber als Kammer unterstützen wir, wo immer es geht, zum Beispiel eben bei der Reform der Notdienststruktur, bei der alltäglichen Berufsausübung und Nachwuchsgewinnung sowie auf politischer Ebene, wo wir uns massiv für Entbürokratisierung stark machen, damit mehr Zeit für die Patienten bleibt. Ich hoffe, dass die neu gewählte Bundesregierung hier endlich aktiv wird.
Dieses Interview ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.