Branchenmeldungen 28.02.2013
Erfolgreiches Jahrestreffen der ITI Sektion Deutschland
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Aktuelle Aspekte in der Implantatprothetik und bei der Rekonstruktion oraler knöcherner Strukturen
Allen winterlichen Widrigkeiten zum
Trotz – erneut ein „vollbesetztes Haus“ konnte der
ITI-Sektionsvorsitzende Professor Dr. Gerhard Wahl im Schloss
Reinhartshausen am letzten Februarwochenende begrüßen.
Gut fünf Dutzend deutsche Fellows des ITI
waren seiner Einladung zum diesjährigen Sektionstreffen gefolgt. Die
Deutsche Sektion ist momentan mit über 700 Members und Fellows und
einem erneut beachtlichen Wachstum im Vergleich zum Vorjahr eine der
größten nationalen Gruppierungen in dem einzigartigen globalen
Implantologie-Netzwerk ITI, dem neben Oralchirurgen, Kieferchirurgen,
Zahnärzten, Zahntechnikern auch Grundlagenwissenschaftler angehören.
Traditionsgemäß war der erste Tag der Wissenschaft gewidmet, der
zweite Tag hingegen ITI-internen, vereinstypischen Abläufen gewidmet.
Wissenschaftlicher Nachmittag
In seinem Grußwort zeigte sich der
Sektionsvorsitzende Professor Gerhard Wahl, der auch für das
wissenschaftliche Programm verantwortlich zeichnete, überaus
erfreut, dass erneut so viele Fellows der Deutschen Sektion den Weg
nach Reinhartshausen gefunden hatten.
„Aktuelle Aspekte der Implantatprothetik
und bei der Rekonstruktion knöcherner oraler Strukturen“, so
könnte man vereinfachend den Tenor des hochkarätig besetzten
wissenschaftlichen Programmes am Freitagmittag beschreiben.
Impressionen
Den Auftaktvortrag hierzu steuerte Frau
Professor Dr. Meike Stiesch bei, die über „Aktuelle Aspekte in der
Implantatprothetik“ sprach. Frau Kollegin Stiesch hat den Lehrstuhl
für Zahnärztliche Prothetik an der Medizinischen Hochschule
Hannover inne und widmet sich verstärkt auch der Grundlagen- und
Biomaterialienforschung und deren Testung. Frau Professor Stiesch
widmete ihre Ausführungen den vollkeramischen Materialien und der
CAD/CAM-Herstellung und individuellen Abutments. Vor allem den
polykristallinen Zirkondioxidmaterialien weist Kollegin Stiesch
erhebliches Potenzial in der Zahnheilkunde und der Implantologie
zu. Diese werden in der Regel im CAD/CAM-Verfahren im vorgesinterten
Zustand gefräßt und dann nachgesintert. Die Passgenauigkeit der im
CAD-CAM-Verfahren hergestellten Restaurationen weist erheblich
bessere Werte als solche auf, die auf konventioneller Weise oder im
Kopierfräßverfahren hergestellt wurden. Die biomechanische
Belastbarkeit ist auf rein implantatgetragenen Restaurationen
(gemessen auf zwei Implantaten) wesentlich besser als auf
Verbundbrücken (und als auf rein zahngetragenen Situationen).
Offen hingegen ist die Beurteilung der Langzeitstabilität dieser
Materialien, die durch Degradation im feuchten Mundhöhlenmilieu und
in Kombination mit Belastungen zu Frakturen führen können.
Gradierte Keramiken mit einem sehr festen Kern sind hier ein
hoffnungsvoller Ansatz zur Lösung dieses Frakturproblems, ein
anderer Denkansatz ist das Aufbringen einer PVD-Beschichtung. Auch
bei Implantatabutments hat die Verwendung von Zirkondioxid große
Vorteile, was die Ästhetik (bis zwei Millimeter Mukosadicke) und
Gewebeintegration betrifft. Auch die Biofilmbildung ist signifikant
geringer als bei konventionellen Materialien. Hier präferiert die
Hannoveraner Hochschullehrerin klar individuelle Abutments.
Nano-Coating senkt hier die Besiedlung der Abutmentoberflächen mit
Bakterien erheblich. Einige klinische Fallbeispiele rundeten die
Ausführungen von Frau Professor Stiesch ab.
Privatdozent Dr. Kai-Hendrik Bormann
widmete seinen Vortrag einem in der ITI Sektion Deutschland und bei
Kongressen sowie Symposien durchaus kontrovers diskutierten Thema;
Bormann sprach über „Die biologisch adäquate Rekonstruktion des
Alveolarfortsatzes“. In seinem rein
klinisch gehaltenen Vortrag ging er im Rahmen seiner Ausführungen hart
mit Knochenersatzmaterialien ins Gericht und zeigte einige
diesbezügliche Negativbeispiele gescheiterter Behandlungen mit KEMs.
„Dies ist nicht unser Weg“, formulierte der nunmehr in Hamburg in
eigener Praxis tätige Privatdozent und erläuterte anschließend die
„Hannoveraner Behandlungsphilosophie“ anhand einiger
Fallbeispiele. An erster Stelle steht die Defektrekonstruktion, hier
sieht Bormann im Oberkiefer die Piezochirurgie und Entnahme an
der Crista zygomatica alveolaris (konvex gebogen) im echten Vorteil
zu anderen Entnahmeregionen und -verfahren. Nach lediglich zwölf
Wochen Einheilzeit wird das Osteosynthese(schrauben)material entfernt
und es erfolgt die Implantation in anatomisch korrekter Position.
Eine kurze Erläuterung der statistischen Auswertung einer
Hannoveraner Studie mit 130 solcher Transplantate (Crista zygomatica
alveolaris) waren für den Referenten beredter Beweis für die hohe
Wertigkeit des von ihm vorgestellten und präferierten Verfahrens.
Im Unterkiefer hingegen sollte, so Bormann, eine modifizierte
Sandwich-Osteotomie, ebenfalls piezounterstützt und mit retromolarer
Knochenentnahme, zum Einsatz kommen. Auch hier erfolgt die Fixierung
mit Osteosynthesematerial und Abdecken mit einer Membran. Nach zwölf
Wochen kann dann die Implantation erfolgen.
„Möglichkeiten und Grenzen der
Kieferrekonstruktion“ lautete das Vortragsthema von Professor Dr. Dr.
Frank Hölzle. Der Aachener Kieferchirurg gab einen umfassenden
Überblick, der – beginnend mit intraoralem und extraoralem Knochen
– rasch zu mikrochirurgisch unterstützten OP-Techniken wechselte
und einen Abschluss in der Darstellung besonders schwieriger Fälle
fand. „Es hat sich in den letzten Jahren auf diesem Gebiet
unheimlich viel getan“, dies das Fazit des nordrheinischen
Hochschullehrers. In hervorragend dokumentierten, bewegten und
statischen Bildern vermochte Hölzle seine Ausführungen im
klinischen Fallbeispiel zu untermauern. Einen Schwerpunkt seiner
Ausführungen stellte indes die mikrochirurgische
Knochenrekonstruktion dar, hier stellte Hölzle das
Scapula-Transplantat (Patient muss während der OP gedreht werden),
das Fibula- und das Beckenkammtransplantat dar. Die in England weitverbreitete Entnahmestelle am Arm lehnt Hölzle aufgrund der damit
verbundenen erhöhten Frakturgefahr ab. Auch hier zeigt die
Digitalisierung der Zahnmedizin Spuren: Anhand virtueller OP-Planung
und computerassistierter Chirurgie, so Hölzle, wird nun ein neues
Kapitel der Kieferrekonstruktion aufgeschlagen, man kann sogar von
einer neuen Dimension sprechen. Besonders Patienten mit
Bisphosphonatnekrosen sind dankbare Empfänger dieser neuen
OP-Optionen. Dank virtueller Planung kann der anhand bildgebender
Verfahren dargestellte und errechnete resezierte Anteil auf das
Spenderareal aufgerechnet, gespiegelt und die hiermit gewonnenen
Informationen in eine Resektionsschablone (Surgical guide)
übertragen werden. Das extrem passgenaue Transplantat wird anschließend
einfach „eingeklackt“, was zu einer dramatischeren Vereinfachung
und Verkürzung dieses hochinvasiven Eingriffs führt. Ein überaus
spektakulärer Fall einer Rekonstruktion eines dramatischen, durch
eine im Säuglingsalter durchgeführte Rhabdomyosarkom-Operation
entstandenen Gesichtsdefektes war ein Höhepunkt seines Referats; die
Darstellung weiterer klinischer Fälle, bei denen keine Anschlussgefäße
für Transplantate mehr da und damit nahezu unlösbar sind,
bildeten den Abschluss seiner Ausführungen. Auch wenn
mitunter durch klassische Rundstiellappentechnik in Kombination mit
mikrochirurgischen Transplantaten Verbesserungen möglich sind, so
gibt es hier doch eindeutige Limitationen.
Den aktuellen Stand der Studie mit
Zirkonoxidimplantaten erläuterte Privatdozent Michael Gahlert (München) –
„Nur wer sich in die Grenzbereiche wagt, der kann etwas bewegen“,
dies sein Einführungswort. Während die Penetration von Zirkonoxid
und Keramiken als Material der Wahl im Kronen-Brückenbereich bei ca.
90 Prozent liegt, so nimmt sich deren Anteil mit unter einem Prozent
Marktanteil eher bescheiden aus. Gelöst worden indes ist die Frage
der Oberfläche, bei dem neuen Straumann-Vollkeramikimplantat könnten
ähnlich raue Oberflächen und Osseointegrationswerte wie bei
Titanimplantaten erzielt werden. Seit 2011 wurden im Rahmen einer
klinischen Multicenterstudie an vier Standorten 44 Patienten mit
Straumann-Vollkeramikimplantaten versorgt. Diese haben einen
Durchmesser von 4,1 mm und können mit zwei Aufbauhöhen (einteilige
Implantate) eingesetzt werden. Mehrere in den USA durchgeführte
Hundestudien und eine in der Eidgenossenschaft durchgeführte Studie
zur Plaqueaffinität von Keramikimplantaten belegten die hohe
Wertigkeit dieses neuen Implantatmaterials. In einem Ausblick auf die
Zukunft konnte Gahlert ein zweiteiliges Vollkeramikimplantat
ankündigen.
Der Abschlussvortrag des ersten Tages
des Sektionstreffens der Deutschen ITI-Fellows war einer besonderen
und hochaktuellen Fragestellung gewidmet:
Dr. Dr. Robert Kah stellte
das von ihm entwickelte Implantatregister „Implasana“ vor.
Kollege Kah hat ein relationales Datenbanksystem zur Erfassung
wissenschaftlicher Daten für die zahnärztliche Implantologie
entwickelt. Die Eingabe kann nach Einloggen in das System durch den
Zahnarzt selbst erfolgen.
Datensicherheit und Datenschutz sind gesichert.
Fellow Meeting – Jahresversammlung
Nach einer harmonischen
Abendveranstaltung im Schlosskeller des Gutes Reinhartshausen stand
der zweite Tag des Sektionstreffens ganz im Zeichen der
Jahresversammlung. Der Vorsitzende der Deutschen ITI Sektion,
Professor Dr. Gerhard Wahl (Bonn), erstattete seinen Bericht, ebenso
Professor Dr. Dr. Hendrik Terheyden (Fortbildungskommission/ITI
Curriculum Library Conference), der Autor dieses Berichtes
(Communication Officer), Professor Dr. Dr. Schlegel (ITI Study Clubs)
und Thomas Kreuzwieser (ITI Sektionsaktivitäten).
Der Sektionsvorsitzende Professor Dr.
Gerhard Wahl wies in seinem Bericht darauf hin, dass nunmehr die 15.
Jahresversammlung des ITI abgehalten wurde und erläuterte die
Zusammensetzung der Deutschen ITI Sektion, welche eine der größten
der weltweit 27 Sektionen ist. Mit über 700 Members und Fellows und
zahlreichen Neugründungen von Study Clubs wurden die
prognostizierten Entwicklungen des Zuwachses der ITI Sektion
Deutschland mehr als erfüllt. Damit sieht sich die Deutsche Sektion
vollumfänglich eingebettet in den Konsens, der im Rahmen der
ITI-Vision-2017-Konferenz im Jahre 2007 in Vitznau (Schweiz) erzielt
worden ist. Dort wurden als Ziele für das Jahr 2017 u.a. festgelegt,
dass das ITI als führende, global tätige und unabhängige
wissenschaftliche implantologische Vereinigung wahrgenommen und
akzeptiert wird. Weitere Ausführungen Wahls betrafen die
Schwerpunktaktivitäten des ITI im vergangenen Jahr und eine
Darstellung der Organisation dieser enorm gewachsenen Vereinigung.
Mit über 1.300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war der
Deutsche ITI-Kongress 2012 in Köln ein großer Erfolg; der nächste
ITI-Kongress wird im Jahre 2015 stattfinden, hier finden momentan
bereits umfangreiche Vorbereitungen statt – als Standorte sind
Dresden und Bremen in der Diskussion.
Bewährt und etabliert im globalen
Netzwerk ITI sind die Study Clubs, die sehr erfolgreich in
zahlreichen Ländern, auch in Deutschland, gestartet sind. Das noch
im vergangenen Jahr als überaus ambitioniert gewertete Ziel von
weltweit 500 Study Clubs im Jahre 2013 ist mühelos erreicht worden.
Speziell deutsches Highlight ist das „Young ITI Symposium“,
welches im vergangenen Jahr sehr erfolgreich in Konstanz stattfand –
ein Format, welches auch bei anderen ITI-Sektionen auf höchstes
Interesse stieß und sicherlich auch Nachahmung finden wird. Im
Vorfeld des Young-ITI-Symposiums fand ein Treffen der
Study-Club-Direktoren statt, ebenso wie ein Meeting der Fellows und
Members im Anschluss an das wissenschaftliche Programm.
Fortbildungskommission
Aus der
Arbeit der Fortbildungskommission berichtete Professor Dr. Dr.
Hendrik Terheyden, besonderes Augenmerk legte er hier auf das ITI
Fortbildungsprogramm. Ein Ziel ist hier die Etablierung von neuen
Nomenklaturen wie die der SAC-Klassifikation und von Spezialthemen
wie CAD/CAM und Prothetikkurse. Beispielhaft im wahrsten Sinne des
Wortes, so Terheyden, ist die deutsche Fortbildungsbroschüre des
ITI, die in einer beachtenswerten Auflage in den Umlauf gebracht
worden ist.
Für 2013/2014 ist die Vertiefung von
wichtigen Themen wie „Periimplantitstherapie“ und
„abdruckfreie Praxis/digitale Implantologie“, aber auch
Darstellung profunder Erfahrungen in der Implantologie im Rahmen
eines „Senior-Expert-Day“ vorgesehen; hier konnten hervorragende
Referenten gewonnen werden. Ausführungen zum ITI-Net und zur ITI
Speaker Library Conference und den Speaker-Seminaren rundeten die
Ausführungen Terheydens ab.
ITI Study Clubs Deutschland
Zu den
nunmehr 60 etablierten und projektierten Deutschen Study Clubs sprach
deren Koordinator Professor Dr. Dr. Andreas Schlegel: Bei den
Study-Clubs ist eine ungemeine Dynamik zu verzeichnen sowie
Wachstumsraten, die für die Sektionsbüros nur noch schwer zu
händeln sind. Obschon aufgrund dieser Tatsache momentan keine
Neugründungen berücksichtigt werden können, werden sich zu den
bestehenden Study Clubs in näherer Zukunft sicherlich mittelfristig
weitere hinzugesellen. Die im Vorfeld gesteckten Ziele konnten
somit nicht nur erreicht, sondern weit übertroffen werden.
Rückblick ITI Sektionsaktivitäten
Der Sektionskoordinator Thomas
Kreuzwieser rief alle Aktivitäten des vergangenen Jahres in
Erinnerung und erläuterte im zweiten Teil seiner Ausführungen auch
das Budget des kommenden Jahres. Kreuzwieser konnte auf ein
erfolgreiches Jahr für die Sektion Deutschland, aber auch das
Sektionsbüro selbst zurückblicken. Inzwischen kümmern sich vier
Vollzeitkräfte um die Belange und Erfordernisse der Deutschen
Members und Fellows. Ein Ausblick auf die ITI-Präsenz auf der IDS in
Köln rundeten die Ausführungen Kreuzwiesers ab.