Branchenmeldungen 07.06.2022

FAQ #2: Keramikimplantate – die gesündere Wahl?

FAQ #2: Keramikimplantate – die gesündere Wahl?

Foto: eliahinsomnia – stock.adobe.com

Lange galten Zahnimplantate aus Titan als Goldstandard, wenn es darum ging, Zahnlücken von Patienten zu schließen oder hoffnungslos erkrankte Zähne zu ersetzen. Angesichts zunehmender Komplikationen im Zusammenhang mit Titanimplantatversorgungen wird jedoch vielerorts der Ruf nach biologisch verträglicheren Implantatmaterialien lauter. So verdichten sich die Hinweise aus der Wissenschaft, dass die Abriebpartikel, die sich aus Titanimplantaten unter funktioneller Belastung herauslösen, nicht nur für die periimplantäre sondern auch für die systemische Patientengesundheit große Herausforderungen darstellen.

Der Forscher Prof. Dr. Georgios Romanos gilt als wissenschaftliche Referenz in den Bereichen Implantologie, Parodontologie und Laserzahnheilkunde. Seit vielen Jahren setzt er sich im Rahmen seiner Studien kritisch mit den immunologischen Implikationen von Titanimplantatversorgungen auseinander. In diesen konnte der Wissenschaftler nachweisen, dass sich – bedingt durch Oberflächenbehandlungen, Insertionsprotokolle und Mikrobewegungen im Bereich von Implantat-Abutment-Interfaces – Abriebpartikel aus Titanimplantatoberflächen herauslösen und im periimplantären Gewebe ablagern. Dieses Phänomen lässt sich laut Prof. Dr. Romanos selbst bei Implantatsystemen namhafter Hersteller beobachten.

Abgeriebene Titan-Nanopartikel sind laut Prof. Dr. Romanos immunologisch bedenklich, da jeder Patient auf diese, wenn auch unterschiedlich stark, mit einem Entzündungsreiz reagiert: Da das Immunsystem an das Vorkommen derartiger Nanopartikel im Körper nicht gewöhnt ist, versuchen die zur Familie der Makrophagen gehörenden Osteoklasten, die im periimplantären Gewebe befindlichen Partikel zu eliminieren, indem sie sie phagozytieren. Diese Fresszellen schaffen es zwar, die Partikel aufzunehmen und in sich zu sammeln, aber eliminieren können sie sie nicht. Infolge wird eine Expression proinflammatorischer Zytokine initiiert – eine Entzündungsantwort des Immunsystems, die als Hilferuf der Fresszellen verstanden werden kann. Die Entzündungsantwort ist bei einigen Patienten sogar so stark, dass abgeriebene Titanpartikel bei ihnen eine periimplantäre Mukositis oder eine Periimplantitis verursachen.

Darüber hinaus verbleiben durch Reibung entstandene Titanpartikel nicht im periimplantären Gewebe, sondern werden zum Teil in andere Bereiche des Körpers transportiert. In Studien von Ferguson et al., Schliephake et al. und Weingart et al. konnte eine Akkumulation von Titanpartikeln in Organen wie der Leber, der Milz sowie in regionären Lymphknoten nachgewiesen werden – für Prof. Dr. Romanos Anlass zur Sorge, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese immunogenen Abriebpartikel infolge ihrer Wanderung auch Entzündungsreaktionen anderswo im Körper begünstigen.

Eine weitgehend abriebfreie, immunologisch wenig reaktive und folglich gesunde Versorgungsalternative stellen Keramikimplantate dar. Wenn überhaupt Abrieb von Keramikimplantatoberflächen im menschlichen Organismus entsteht, dann werden die resultierenden Nanopartikel deutlich schneller fibrinös eingeschieden und abgekapselt. Grundsätzlich fällt der Entzündungsreiz auf keramische Implantatmaterialien wesentlich geringer aus als der auf Titanimplantate, was ein Mitgrund für die gesunde Weichgewebsintegration von Keramikimplantaten ist. Anders als bei Titanimplantaten haftet periimplantäres Weichgewebe in besonders hohem Maße an Keramikimplantaten an, wodurch es in der Mundhöhle befindliche Bakterien bei diesen Implantaten schwerer haben, die Barriere des Saumepithels zu überwinden und an den Implantaten vorbei in das tieferliegende Gewebe einzudringen, wo sie unter anderem periimplantäre Entzündungen und marginalen Knochenabbau begünstigen würden. Sind pathogene Bakterien zudem einmal ins Körperinnere eingedrungen, können sie über den systemischen Blutkreislauf in weitere Bereiche des Körpers vordringen und infolge zur Entstehung von systemischen Erkrankungen beitragen. Dies hat auch die WHO erkannt und die Mundhöhle als Ausgangspunkt von bis zu 70% aller chronischen Erkrankungen identifiziert. Vor diesem Hintergrund werden immer fortschrittlichere Technologien mit dem Ziel entwickelt, die Weichgewebsanhaftung um Keramikimplantate derart zu maximieren, sodass ein regelrechter Weichgewebsverschluss entsteht, der das Körperinnere gegen Angriffe von bakteriellen Erregern aus der Mundhöhle weitgehend abdichtet.

Autor: Johannes Liebsch

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