Branchenmeldungen 09.09.2022
FAQ #5: Osseointegration – ein Problem bei Keramikimplantaten?
Aufgrund der vergleichsweise hohen Ausfallraten während der Einheilung, mit denen die ersten marktfähigen Keramikimplantate zu kämpfen hatten, scheuen sich manche Anwender noch immer davor, den Schritt in Richtung Keramik zu wagen. Die landläufige Meinung, Keramikimplantate würden häufig nicht osseointegrieren, hält sich hartnäckig. Dabei herrscht in der Welt der Wissenschaft heute Einigkeit: Die Oberflächenrauigkeit eines Keramikimplantats hat einen entscheidenden Einfluss auf dessen Einheilerfolg.
Je rauer die Oberfläche des enossalen Implantatanteils ist, desto größer ist die Kontaktfläche zwischen Implantat und Knochen, an die sich die knochenbildenden Zellen (Osteoblasten) heften können. Durch ein Anrauen der Implantatoberfläche kann diese Kontaktfläche im Vergleich zu einer glatten Oberfläche um ein Vielfaches erhöht werden. Besonders raue und osteokonduktive Keramikimplantatoberflächen sind zudem in der Lage, eine Knochenbildung im Sinne einer Kontaktosteogenese in Gang zu setzen: Ausgehend von einem einzigen Kontaktpunkt mit dem Knochen beginnt eine Migration von knochenbildenden Zellen entlang der freien Implantatoberfläche, durch die der Prozess der Knocheneinheilung beschleunigt und gesichert wird.
In der Vergangenheit haben sich jedoch Keramikimplantate mit glatten enossalen Oberflächen auf dem Markt etabliert, die in puncto Osseointegrationserfolg in keinster Weise mit den angebotenen Titanimplantaten vergleichbar waren. Die Krux liegt hierbei in der Herstellung: Das Sintern (das dazu dient, dem Implantat die gewünschte Festigkeit zu verleihen) lässt den keramischen Formkörper derart hart und inert werden, dass es im Anschluss nicht möglich ist, extensive Oberflächenbearbeitungen vorzunehmen, ohne dabei Mikrorisse im Implantat entstehen zu lassen, die sich negativ auf dessen Langzeitstabilität auswirken würden. Die Lösung ist ein hochkompliziertes, patentrechtlich geschütztes Verfahren, welches die Oberflächenbehandlung vor der Sinterung des Implantats ermöglicht. Die entstehende Oberflächentopographie zeichnet sich durch besonders hohe Rautiefen aus. Mikrorisse, die sich während dieses Vorgangs möglicherweise im Material einschleichen, werden im anschließenden Sintervorgang, durch den der Formkörper zusammenschrumpft, geschlossen. Wissenschaftlich ist heute belegt, dass Keramikimplantate mit hochrauen enossalen Oberflächen bei korrekter Herstellung zuverlässig osseointegrieren und hinsichtlich ihrer Erfolgsraten mit Titanimplantaten gleichauf sind.
Autor: Johannes Liebsch