Branchenmeldungen 06.05.2024

Kontaminierte Schutzausrüstung – Mund-Nasen-Schutz im Fokus



Kontaminierte Schutzausrüstung – Mund-Nasen-Schutz im Fokus

Foto: Drobot Dean – stock.adobe.com

Kann der Mund-Nasen-Schutz nach zahnärztlicher Behandlung selbst eine Kontaminationsquelle sein? Dr. Madline Priska Gund (Universitätsklinikum des Saarlandes) und ihr Team haben genau das untersucht. Ihre Forschungsergebnisse zeigen, dass die Schutzausrüstung in Zahnarztpraxen besonders kritisch betrachtet werden sollte, denn Aerosolnebel können Schutzmasken selbst zu potenziellen Gefahrenquellen machen. Im Interview offenbart die Oralchirurgin, wie diese Erkenntnisse die Hygienepraktiken in der Zahnmedizin verändern und den Schutz von Personal und Patienten beeinflussen könnten.

Frau Dr. Gund, warum ist es wichtig, die Hygienepraktiken in zahnmedizinischen Behandlungen zu optimieren?

Grundsätzlich weiß man nicht, mit welchen Mikroorganismen ein Patient besiedelt ist. Diese können durch die Behandlung und die Aerosolbildung in Form von Bioaerosolen ihren Niederschlag in der Luft und auf Oberflächen bilden. Beides stellt eine potenzielle Infektionsquelle dar. Ob diese Mikroorganismen pathogen oder nicht bzw. fakultativ pathogen sind, können wir nicht wissen. Daher muss grundsätzlich von einem Risiko ausgegangen werden, um sich richtig zu verhalten. Hinzu kommt, dass man nicht abschätzen kann, wie stark die Immunabwehr einer anderen Person ist, die mit diesen Mikroorganismen in Kontakt kommt. Wir wissen auch nicht, wann in solch einer Situation ein fakultativ pathogener Keim tatsächlich pathogen wird. Wir haben also viele Unsicherheiten und deshalb empfiehlt es sich, die Hygienepraktiken ernst zu nehmen. Strenge Hygienepraktiken und ein besonderes Bewusstsein für dieses Setting gibt es schon sehr lange in der Zahnmedizin – nach jedem Patienten werden beispielsweise die Oberflächen desinfiziert. Auch arbeiten wir schon sehr lange mit Mund-Nasen-Schutz, Schutzbrille und Handschuhen.

Welche Rolle spielt die Kontamination der Schutzausrüstung wie die des Mund-Nasen-Schutzes?

Die Betrachtung der Kontamination der Persönlichen Schutzausrüstung ist ein neuer Aspekt. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass der Mund-Nasen-Schutz nach jeder Behandlung kontaminiert ist. Wir haben festgestellt, dass auf ihm Mikroorganismen aus der Mundhöhle des Patienten selbst wiederzufinden sind. Darüber hinaus konnten wir zeigen, dass der Mund-Nasen-Schutz nach dieser Kontamination selbst zur Kontaminationsquelle wird, wenn man ihn zum Beispiel mit frischen Handschuhen oder der bloßen Hand berührt oder ihn auf Oberflächen ablegt. Über den frischen Handschuh lassen sich – über einen bereits gebrauchten Mundschutz – Keime von einem Patienten auf den anderen übertragen. Aufgrund globaler Migrationsströme und einer damit einhergehenden Migration von Keimen sowie einer globalen Erwärmung mit entsprechenden Auswirkungen auch auf Mikroorganismen, sollte man diesen Aspekt zukünftig in der Hygienekette berücksichtigen. All das könnte dazu führen, dass möglicherweise zukünftig Mikroorganismen eine Rolle spielen, die uns bisher unbekannt waren. Wir empfehlen daher den Wechsel des Mund-Nasen-Schutzes nach jedem Patienten. Dieser sollte nicht auf Oberflächen abgelegt werden und man sollte ihn nicht mit der bloßen Hand berühren. Diese Beobachtungen gelten nicht nur für den Mund-Nasen-Schutz, sondern auch für andere Bestandteile der Schutzausrüstung wie z.B. Visier oder OP-Haube.

Welche Bedeutung haben präventive Maßnahmen wie präprozedurale Mundspülungen und das Tragen von Gesichtsvisieren?

Wir haben beides im klinischen Setting getestet und konnten zeigen, dass eine präprozedurale Mundspülung mit 0,1% CHX die Kontamination des Mund-Nasen-Schutzes reduzieren kann. Ein gewisser Effekt konnte auch für Wasser gezeigt werden. Allerdings kann die Kontamination nicht verhindert werden. Dies gilt auch, wenn zusätzlich ein Visier getragen wird. Das Visier hat entgegen unseren Erwartungen einen geringen Einfluss auf die Kontamination des Mund-Nasen-Schutzes. Man geht aktuell davon aus, dass das Visier Spritzer und Tröpfchen abfängt, die ansonsten im Gesicht oder in der Umgebung aufkommen würden, der aufsteigende Aerosolnebel hingegen, kann hinter das Visier steigen und den Mund-Nasen-Schutz kontaminieren. Um die Kontamination des Mund-Nasen-Schutzes zu reduzieren, ist daher eine präprozedurale Spülung zu empfehlen. Das Visier sollte getragen werden, wenn mit entsprechend vielen Tröpfchen und Spritzern zu rechnen ist.


Kontamination während einer Behandlung

Grundsätzlich findet während der zahnärztlichen Behandlung eine Kontamination der Umgebung, des Patienten und des Behandlerteams statt. Diese Kontamination entsteht zum einen durch Spritzer und Tröpfchen, welche mit dem bloßen Auge wahrgenommen werden können und durch Aerosole, die zu klein dafür sind. Bioaerosole enthalten Mikroorganismen. Sie sind in der Luft und auf Oberflächen zu finden. Grundsätzlich ist es wichtig, in solch einem Setting die Hygienekette einzuhalten.


Wie können in den Praxen die Hygienepraktiken verbessert werden?

Wir haben zum Glück schon sehr gute und hohe Standards in den Zahnarztpraxen. Grundsätzlich sollte zusätzlich ein Bewusstsein dafür entstehen, dass die Persönliche Schutzausrüstung nach der Behandlung durch den entstehenden Aerosolnebel problematisch werden kann, da sie dann kontaminiert ist. Entsprechend sollte sie nicht mehrfach verwendet, nirgends abgelegt und nicht mit den Händen berührt werden. Wir wissen nicht, welche Mikroorganismen ein Patient in seiner Mundhöhle hat, und wir wissen nicht, wie es um die Immunabwehr eines folgenden Patienten steht. Bei unauffälliger Anamnese können trotzdem Immunabwehrschwächen bestehen, sei es nur durch einen kürzlich überstandenen grippalen Infekt. Darüber hinaus müssen wir daran denken, dass auch das Alter die Immunabwehr verändert und reduziert. Die Zahl der älteren Patienten, die eine besondere Risikogruppe darstellen, wächst auch in der Zahnmedizin. Möglicherweise sind wir zukünftig mit Mikroorganismen konfrontiert, die bisher nicht relevant waren. Auch haben wir bisher intensiv Bakterien untersucht – Untersuchungen zu Viren stehen aus. Dieses Gefahrenpotenzial können wir noch gar nicht abschätzen.

Dieser Artikel ist in der ZWP spezial erschienen.

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