Branchenmeldungen 08.04.2015
Migräne durch Bruxismus – wie erkennen, wie behandeln?
In der medizinischen Fachsprache steht Bruxismus für unbeabsichtigtes Knirschen mit den Zähnen. Dieses tritt am häufigsten nachts auf, kann in manchen Fällen aber auch am Tag bestehen. In der Regel handelt es sich um eine nächtliche Muskelhyperaktivität der Kaumuskulatur, die sich auf das Kontaktverhalten zwischen den Zähnen des Ober- und Unterkiefers (Okklusion) auswirkt. Die Folgen sind nonfunktionales Reiben und Verbeißen der Zähne.
Bruxismus ist häufig: laut Jahrbuch 2011 der Bundeszahnärztekammer knirscht jeder zehnte Mensch in Deutschland1. Bruxismus wird häufig in die Gruppe der kraniomandibulären Dysfunktionen (CMD) eingeordnet. Hierbei handelt es sich um eine Sammelbezeichnung, welche Störungen der Muskel- bzw. Kiefergelenksfunktion verschiedener Ursachen zusammenfasst2.
Welche Ursachen gibt es?
Die Ursachen für das Zähneknirschen sind bis heute noch nicht vollständig erforscht. Allerdings kann das Ursachenspektrum als äußerst heterogen angenommen werden. So können morphologische Anomalien (Zahnfehlstellungen) im Zahnschluss- und knöchernen Kiefersystem oder nicht exakt eingepasste Zahnersätze ebenso wie psychosoziale Faktoren (bspw. Stress, Alkohol- und Koffeineinnahme) und Schlafstörungen Trigger von Bruxismus sein. Als sicher gilt, dass es weder einen einzelnen Bruxismus-auslösenden Faktor gibt, noch dass eine einzelne Behandlungsmethode zur Beendigung des Zähneknirschens führt3.
Warum ist Zähneknirschen zahnschädigend?
Während die physiologisch adäquaten Funktionen der Kaumuskulatur darauf ausgelegt sind Kauen und Sprechen sehr kontrolliert bei minimaler Belastung von Zahn und Zahnhalteapparat zu gewährleisten, kommt es bei sogenannten parafunktionellen Aktivitäten, wie dem Bruxismus, zu einem unkontrollierten und damit potenziell schädigendem Zahnkontakt. Normalerweise wirken die Druckkräfte des Unterkiefers verteilt auf eine Vielzahl der Zähne. Beim Zähneknirschen hingegen wirken die Kräfte auf einen einzelnen Zahn bzw. wenige Zähne ein und führen so zur starken Belastung der Zahnsubstanz. Als Folge ist eine Zahnschädigung möglich. In Ruhe, beim Kauen oder Sprechen wird der Kauapparat von ausgeglichenen, rhythmischen Kontraktions- und Entspannungsintervallen bestimmt. Dies gewährleistet einen adäquaten und suffizienten Blutfluss. Beim Zähneknirschen dagegen dominieren lang andauernde Muskelkontraktionen. Diese führen in der Folge zu einer Reduktion der lokalen Blutversorgung. Auch die Sauerstoffversorgung verschlechtert sich und der Spiegel an Kohlendioxid und Stoffwechselendprodukten in den Zellen steigt an. Dies kann wiederum innerhalb des Muskelgewebes zu Schwäche, Spastiken/Krämpfen und Schmerzen führen4.
Woran erkenne ich, dass ich mit den Zähnen knirsche?
Die Diagnostik ist herausfordernd, die Therapie vielfältig. Die Patienten sind häufig ahnungslos. Meist berichtet der Partner zufällig vom beobachteten nächtlichen Zähneknirschen oder die Betroffenen erfahren erst beim routinemäßigen Zahnarztbesuch von einem unangemessen fortgeschritten Abnutzungszustand der Zähne und werden erst durch gezielte Nachfragen des Zahnarztes aufmerksam. Auch über Folgesymptome wie Kieferschmerzen und ein unerholsames Schlafverhalten können Patienten für ihr Zähneknirschen sensibilisiert werden. Da das Knirschen aber vielfach asymptomatisch verläuft und somit der Leidensdruck gering ist, wird ein therapeutisches Angehen durch die Betroffenen oftmals verzögert.
Ein häufiges Symptom bei Bruxismus sind Kopfschmerzen5. Der Zusammenhang zwischen Zähneknirschen und verschiedenen Kopfschmerzformen wurde bereits von vielen Forschungsgruppen untersucht. Eine exakte Klassifizierung des Kopfschmerzes ist für eine zielgerichtete Therapie allerdings entscheidend. Schmerzen, die mit Zähneknirschen assoziiert sind, gehen eher auf ausstrahlende Schmerzen einer überbeanspruchten Kaumuskulatur zurück – wohingegen Migräne eine sehr komplexe multifaktorielle neurologische Erkrankung darstellt6. Aktuell sei aus wissenschaftlicher Perspektive der explizite Zusammenhang zwischen Bruxismus als Auslöser von Spannungskopfschmerz (tension type headache; holokranieller Kopfschmerz von dumpf-drückendem Charakter) oder Migräne, als einem anfallartigen, wiederkehrenden starken Kopfschmerz, zwar denkbar, allerdings nicht konkret nachzuweisen7. Interessant ist der Fakt, dass gerade für nächtliches Zähneknirschen ein signifikanter Zusammenhang zu psychosozialen Faktoren (u.a. Stress, Angstzuständen, Depression) nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte8.
Welche Therapieoptionen stehen zur Verfügung?
Ist die Diagnose gestellt, kann über verschiedene Therapieoptionen nachgedacht werden. Diese orientieren sich heute individuell an den Bedürfnissen des einzelnen Patienten, sind aber in der Regel rein symptomatisch ausgelegt. Häufig werden sogenannte Aufbissschienen angeboten. Diese Kunststoffschienen müssen in der Nacht getragen werden. Die unwillkürlichen Kieferbewegungen können damit zwar nicht unterbunden werden, allerdings sollen die Zähne so vor Abnutzung besser geschützt sein. Diese Schienen werden bei begründetem Verdacht von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet9. Weitergehende Therapien müssen meist vollständig privat finanziert werden. Hier kann sich also eine Zahnzusatzversicherung als nützlich erweisen.
Andere Therapieansätze orientieren sich an stressreduzierenden und entpannungsfördernden Verfahren. Beim autogenen Training wird über eine körperliche Entspannung eine psychische Ruhefindung angestrebt. Dies kann unter anderem durch Atem- oder Körperhaltungsübungen erreicht werden. Auch gezielte Physiotherapie kann sich relaxierend auf die Kaumuskulatur auswirken. Weiterhin stehen Möglichkeiten des Biofeedbacks zur Verfügung: über technische Hilfsmittel können bspw. Hirnaktivitäten, Puls oder Blutdruck audiovisuell dargestellt und deren Beeinflussung erlernt werden. Eine positive Auswirkung auf das eigene Wohlbefinden ist hierbei unter Umständen möglich. Ein Nachweis zur wirklichen Reduktion des Zähneknirschens im Schlaf ist allerdings nur unzureichend belegt.
1 www.bzaek.de/fuer-medien/presseinformationen/presseinformation/bzaek/2011/12/01/jeder-zehnte-knirscht-mit-den-zaehnen.html
2 www.klinikum.uni-heidelberg.de/Kiefergelenkserkrankungen-und-Craniomandibulaere-Dysfunktion-CMD.136618.0.html
3 Carlsson GE, Magnusson T. Chicago: Management of Temporomandibular Disorders in the General Dental Practice, Quintessence; 1999
4 Varalakshmi et al: Bruxism: A Literature Review, p. 107, J Int Oral Health. 2014
5 Troeltzsch et al: Prevalence and association of headaches, temporomandibular joint disorders, and occlusal interferences. p. 413. J Prosthet Dent. 2011
6 Ferrari et al: Migraine pathophysiology: lessons from mouse models and human genetics, p. 65, Lancet neurol., 2015
7 De Luca Canto et al: Association between tension-type headache and migraine with sleep bruxism: a systematic review. p. 1467, Headache, 2014
8 Manfredini D, Lobbezoo F: Role of psychosocial factors in the etiology of bruxism, p. 153-166, J Orofac Pain. 2009
9 www.kzv-berlin.de/patienten/behandlungsmethoden/schienen.html
Autorin: Julia Fischer