Recht 17.11.2025
Handlungsbedarf und Risiken bei Praxismietverträgen
Nach alter Rechtslage mussten Mietverträge für Praxen, die eine Mietdauer von mehr als einem Jahr vorsehen, schriftlich geschlossen werden. Andernfalls waren sie zwar nicht unwirksam, galten aber als auf unbestimmte Zeit geschlossen und waren infolge noch vor Ablauf der vereinbarten Mietzeit ordentlich kündbar.
Abgesenkte Formanforderung für Geschäftsraum- und Grundstücksmietverträge
Mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV), das seit dem 1. Januar 2025 in Kraft ist, wurde die Formanforderung für Geschäftsraum- und Grundstücksmietverträge mit einer Laufzeit von über einem Jahr abgesenkt. Für solche Verträge reicht nun der Abschluss in bloßer Textform aus, um nicht – trotz der anderslautenden Vereinbarung – auf unbestimmte Dauer zu gelten. Die (strengere) Schriftform bleibt aber weiterhin formwahrend.
Das Ziel des Gesetzgebers war es, die Wirtschaft durch diese Neuerung „von überflüssiger Bürokratie zu entlasten“ – grundsätzlich ein sinnvolles und lobenswertes Ansinnen. Jedoch kann die Neuerung in der Praxis zu erheblicher Rechtsunsicherheit über Bestand und Inhalt von Mietvertragsverhältnissen führen. Zudem besteht nun akuter Handlungsbedarf für Mieter oder Vermieter, die von einem infolge eines Formverstoßes unter Umständen bestehenden ordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch machen und das Mietverhältnis noch vor dem vereinbarten Laufzeitende beenden möchten.
Mietverträge prüfen lassen und bis Jahresende ordentlich kündigen
Nach den Übergangsvorschriften gilt die Neuregelung unmittelbar für Verträge, die nach dem 31. Dezember 2024 geschlossen werden, und zwar auch für Vereinbarungen, mit denen Altverträge geändert werden. Auf Verträge, die vor dem 1. Januar 2025 geschlossen wurden („Altverträge“), ist die Neuerung ab dem 2. Januar 2026 anzuwenden. Ein Altvertrag, der zwar der Textform, nicht aber der Schriftform genügt, gilt daher bis zum 1. Januar 2026 als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann bis zu diesem Zeitpunkt noch ordentlich gekündigt werden. Sofern keine Partei fristgerecht kündigt, unterliegt der Vertrag ab dem 2. Januar 2026 wieder der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer und ist dann nicht mehr ordentlich kündbar. Mieter oder Vermieter, die sich von ihrem Mietvertrag vorzeitig lösen wollen, sollten diesen daher zeitnah prüfen lassen. Zudem sollten Mieter oder Vermieter zumindest noch im laufenden Kalenderjahr vorsichtig mit dem Abschluss von Nachtragsvereinbarungen zu Altverträgen sein. Wird ein der Schriftform nicht genügender Altvertrag im Laufe des Jahres 2025 durch einen nur der Textform genügenden Nachtrag geändert, kann dadurch der ursprüngliche Formmangel unter Umständen geheilt werden. Mit Abschluss des Nachtrags würde also womöglich das ordentliche Kündigungsrecht entfallen.
Rechtsunsicherheit – (k)ein Vertrag
Die Textform erfordert nach dem Gesetzeswortlaut, dass „eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden“ muss. Dies trifft unter anderem auf elektronische Kommunikationsmittel wie etwa E-Mail, SMS oder Messengernachrichten zu.
Es stellt sich bereits die Frage, ob es für einen Vertragsschluss in Textform genügt, dass die Vertragserklärungen jeweils auf einem Schriftstück oder Datenträger abgegeben werden, oder ob sie sich auf demselben Dokument befinden müssen. Reicht es also aus, wenn beispielsweise der Vermieter dem Mieter den Mietvertrag per E-Mail übersendet und der Mieter daraufhin mit „OK“ antwortet, oder muss der Mieter für den formgerechten Vertragsabschluss den Mietvertrag mitsamt seiner Erklärung zurücksenden – unter Umständen sogar auf dem angehängten Vertrag?
Neben der dadurch hervorgerufenen Unsicherheit, ob überhaupt ein Vertrag zustande gekommen ist, wird es bei einem Vertrag in bloßer Textform zudem oftmals Schwierigkeiten bereiten, festzustellen, was genau Vertragsinhalt geworden ist. Gerade dann, wenn vorab verschiedene Entwürfe (die unter Umständen nicht als solche gekennzeichnet waren) hin- und hergeschickt wurden oder Anlagen zum Vertrag nicht mit diesem in einer Datei oder einem Dokument zusammengefasst wurden. Noch unübersichtlicher wird es, wenn nachträgliche Änderungen am Vertrag durch den bloßen Wechsel von E-Mails oder gar Messengernachrichten erfolgen, zumal diese deutlich schwerer nachzuhalten sind.
Fazit
Autor: Olaf Diederich, Rechtsanwalt bei Schultze & Braun in Bremen