Branchenmeldungen 10.06.2014
„Nur in einer Gemeinschaft ist man stark“
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Uwe Breuer, Präsident des VDZI, und Walter Winkler, Generalsekretär des VDZI, im Interview mit Georg Isbaner, Redaktionsleiter Journale & Zahntechnik, OEMUS MEDIA AG.
Der VDZI bietet Betrieben bzw. Laboren, deren Innungen nicht dem VDZI angehören, eine Einzelmitgliedschaft an. Das wird kontrovers betrachtet. Was sind Ihre Beweggründe hierfür?
Uwe Breuer: Ein Austritt einzelner Innungen aus dem Bundesverband ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Obermeister der ausgetretenen Innungen äußern sich kritisch über die Politik und die Erfolge des VDZI und meinen, sie könnten von außen agieren und etwas bewegen. Nur in einer Gemeinschaft ist man stark und kann etwas erreichen. Insofern konterkariert ein solches Verhalten die berufspolitischen Bemühungen des gesamten Zahntechniker-Handwerks.
Walter Winkler: Wenn eine Innung aus dem VDZI austritt, muss die Mehrheit des Zahntechniker-Handwerks dafür sorgen, dass die Politik des VDZI auch in dieser Region bekannt und vertreten wird. Eine Innung hat kein Gebietsrecht auf berufspolitische Information und Diskussion über die Probleme des Berufsstandes. Einzelne Betriebe sollten daher die Möglichkeit haben, an der Politik des VDZI mitzuwirken, auch wenn sich eine Innung der Solidarität des Berufsstandes verweigert. Deshalb haben Einzelmitglieder die Chance, bei uns mitzusprechen, mitzudiskutieren und die Berufspolitik der Mehrheit der zahntechnischen Betriebe zu unterstützen – das ist die Einzelmitgliedschaft.
An der Einzelmitgliedschaft wird unter anderem kritisiert, dass der VDZI nicht in der Lage sei, die regionale Arbeit der Innungen vor Ort zu leisten.
Walter Winkler: Es soll ja keine Innungsarbeit ersetzt werden. Eine Innung hat zahlreiche, insbesondere satzungsmäßige Aufgaben, die vor Ort am besten erfüllt werden. Da ist die Betriebsnähe, um die Sorgen und Probleme der Innungsbetriebe aufzunehmen und mit Information und Beratung zu helfen. Das wollen wir ja nicht tun. Der VDZI will denjenigen die Partizipationsmöglichkeiten an berufspolitischen Themen ermöglichen, die durch ihre Innungen nicht mehr im VDZI vertreten sind. Er will keine Innung ersetzen, sondern Teilhabemöglichkeiten für berufspolitisch aufgeklärte Inhaber im Diskussionsprozess im Zahntechniker-Handwerk ermöglichen. Wenn ein Betrieb davon überzeugt ist, dass seine Innung auf ihren originären Feldern nach wie vor gute Arbeit leistet, dann bleibt er. Es wird keiner dazu veranlasst oder gezwungen, aus seiner Innung auszutreten, sondern motiviert, Berufspolitik mitzugestalten.
Uwe Breuer: Betriebe aus den ausgetretenen Innungen sind an den VDZI herangetreten und haben nach einer Möglichkeit gefragt, den Bundesverband zu unterstützen, da sie sehr wohl unterscheiden können zwischen Innungsaufgaben und den bundespolitischen Aufgaben des VDZI. Diese Möglichkeit haben wir nun geschaffen.
Sprechen wir über ein zentrales Thema des Verbandstages vom vergangenen Wochenende: Gehaltsgefüge, Gehaltsstrukturen in der Bundesrepublik, fast 25 Jahre nach der Wiedervereinigung. Kollegen in den neuen Bundesländern verdienen noch immer weniger als in den alten. Was konnte der VDZI in den letzten Monaten erreichen, um diese Ungleichheit zu novellieren?
Walter Winkler: Die Lohnunterschiede im Zahntechniker-Handwerk zwischen Ost und West waren politisch natürlich immer ein wichtiges Gesprächsthema in allen Verhandlungen, sei es auf Bundesebene oder auf Landesebene. Der Lohnabstand beträgt durchschnittlich rund 27 Prozent. Das Kernproblem ist klar: Preise bestimmen im Handwerk zentral die Löhne und jeder weiß, dass ohne Änderung dergesetzlichenVorschriftendie Preise und Löhne in der Zahntechnik unbefriedigend bleiben. Mit der neuen Regierung und hier insbesondere dem Gesundheitsministerium sind wir im Gespräch. Daher unsere aktuelle gemeinsame Konzentration auf die Mindestlohndebatte. Wenn derzeit mehr als 30 Prozent der Laborbeschäftigten im Osten auf oder unterhalb der Mindestlohngrenze arbeiten, wird jeder Regierung klar werden müssen, dass hier Änderungen notwendig sind und die nächsten Verhandlungsrunden um die BEL-Preise unter völlig neuen Voraussetzungen stattfinden müssen. Hier arbeiten wir eng mit den Innungen zusammen. Das Lohnniveau muss angehoben werden, ansonsten werden die Laboratorien weder für die knappen Auszubildenden noch für die Fachkräfte zukünftig ein attraktives Berufsfeld darstellen. Der Gesundheitspolitik muss klar sein, dass auch in Zukunft qualifizierte Zahntechniker angesichts der demografischen Entwicklung in der Fläche nur mit konkurrenzfähigen Löhnen verfügbar sein werden.
Uwe Breuer: Der Mindestlohn hat meines Erachtens weit größere Auswirkungen auf unsere Branche als gedacht. Oberflächlich betrachtet müsste in den meisten Fällen gerade einmal das Gehalt der Beschäftigten im ersten Gesellenjahr angehoben werden, um den Anforderungen gerecht zu werden. Beschäftigt man sich hingegen tiefer mit der Materie wird schnell klar, dass damit das Lohnabstandsgefüge zu höher entlohnten Angestellten aus dem Gleichgewicht gerät.
Das geht jetzt, weil in Deutschland ein Konsens darüber geschaffen wurde, was Arbeit für den Einzelnen bringen darf?
Uwe Breuer: In diesem Zusammenhang ist selbstverständlich auch die Forderung der Innungen der neuen Bundesländer hinsichtlich einer Preisanpassung zu thematisieren und wurde im Laufe des Verbandstages diskutiert. Ein bundeseinheitlicher Mindestlohn muss auch eine entsprechende Berücksichtigung bei den nach §§ 57 und 88 SGBV regulierten Höchstpreisverhandlungen zur Folge haben.
Walter Winkler: Sie haben in den neuen Bundesländern – verglichen mit der gesamten Wirtschaftskraft – ein Lohnniveau von 70 bis 75 Prozent. Das betrifft nicht nur das Zahntechniker-Handwerk, sondern die gesamte Ökonomie. Das Problem für die Zahntechniker in den neuen Bundesländern ist zudem, dass sie aktuell nicht mehr als 75 Prozent zahlen können – selbst wenn sie es wollten. Gründe hierfür sind z.B. die geringere Kaufkraft der Patienten und die unterschiedliche Auftragsstruktur mit Dominanz der BEL-Preise. In den alten Bundesländern sind vielerorts über 50 Prozent der Leistungen auf kalkulierter Basis berechenbar. Dies ist in den neuen Bundesländern ganz anders. Es gibt deutlich weniger Privatversicherte, weniger Patienten, die gleichartige Versorgungen wählen. Somit ist die Auftragsstruktur anders und dadurch ist bei gleicher Leistung die Erlössituation je Mitarbeiter eben deutlich niedriger. Was Kaufkraft und Auftragsstruktur betrifft, sind diese weder gesetzlich noch berufspolitisch lösbar, sondern abhängig von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung.
Der VDZI kann sich nur für die Verbesserung der Rahmenbedingungen einsetzen. Und nochmals: Der zentrale Hinderungsgrund zur Verbesserung der Löhne ist die rigide Anbindung der Preise an § 71 Abs. 3 SGBV. Wir haben das in den letzten Jahren durchexerziert – von der Bundesebene bis zum Landessozialgericht – und uns wurde klar geurteilt: „Im Gesetz steht für Sie als Bemessungskriterium zur Preisentwicklung nur die Rate aus §71.“ Selbst wenn wir gemeinsam mit den Krankenkassen wollten, dürften wir auf Bundesebene per Gesetz also nicht höher abschließen. Deshalb ist die zentrale Frage: Wie schafft man Mehrheiten für eine Änderung der Geltung des §71 so, dass die Kostenentwicklungen angemessen berücksichtigt werden können? Das hat nichts mit neuen oder alten Bundesländern zu tun. Das ist die Grundproblematik. Die Landesebene, also auch die neuen Bundesländer, hat zudem das Problem, dass die Krankenkassen aber hin und wieder auch von einzelnen Landesschiedsämtern oder Sozialgerichten fälschlicherweise die Anwendung von §71 auch auf Landesebene behaupten, was dazu führt, dass es keinen Angleichungseffekt innerhalb des Preiskorridors geben kann. Der VDZI setzt sich gemeinsam mit den Innungen dafür ein, zu diesem Punkt eine Klarstellung durch den Gesetzgeber zu erreichen. Wenn man sich also die wirtschaftliche Entwicklung anschaut, sind zwei Dinge vorrangig: Erstens der Versuch, die Anwendung von §71 generell zu verändern, und zweitens – vor dem Hintergrund der Mindestlohndebatte – mindestens die Anwendung von §71 auf Landesebene in den neuen Bundesländern zu unterbinden. Das ist die Aufgabe, das versucht der VDZI mit seinen Mitgliedsinnungen mit großer Solidarität und Kraft.
Uwe Breuer: Für uns als VDZI ist es eine Pflicht, hier etwas zu erreichen. Nach 25 Jahren sollten diese Unterschiede nicht mehr bestehen. Eine Benachteiligung der neuen Bundesländer ist in der heutigen Zeit nicht mehr nachzuvollziehen. In anderen Bereichen ist eine Angleichung bereits erfolgreich durchgeführt worden, wieso nicht auch im Zahntechniker-Handwerk? Eine Änderung dieser Rahmenbedingungen sollte für die neue Bundesregierung eine Selbstverständlichkeit sein. Jetzt kommt es auf jeden Einzelnen an, die Politik vom richtigen Handeln zu überzeugen.
Vielen Dank für das Gespräch!