Branchenmeldungen 19.09.2011
Rostocker arbeiten an der strahlenfreien Zahnarztpraxis
Spezial-Ultraschallgerät Scan-o-Dent® soll neue Ära in der Zahndiagnostik einläuten
Rund
37 Prozent der in der Medizin erstellten Röntgenaufnahmen werden im
Bereich der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde gefertigt. Ein neues großes
medizintechnisches Verbundforschungsvorhaben mit Rostocker Unternehmern
und Wissenschaftlern soll dazu beitragen, die Strahlenbelastung für
Patienten und das Fachpersonal in der Zahnheilkunde deutlich zu senken.
Wirtschaftsminister Jürgen Seidel gab jüngst in der Hansestadt Rostock
den Startschuss für die Entwicklung eines Spezial-Ultraschallgerätes zur
verbesserten Tiefendiagnostik in der Zahnmedizin. Daran
beteiligt ist die Rostocker Firma S&N Systemhaus für Netzwerk- und
Datentechnik GmbH und von der Universität Rostock der Lehrstuhl
Werkstoffe für die Medizintechnik sowie das Institut für
Automatisierungstechnik. Weitere Kooperationspartner sind die Poliklinik
für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde der Universität Rostock
und das Institut für ImplantatTechnologie und Biomaterialien an der
Universität Rostock.
„Das anspruchsvolle Verbundvorhaben spricht für die Qualität und das
Know-how bei allen Projektpartnern in ihren jeweiligen spezifischen
Gebieten der Biomechanik, Werkstoffkunde, Medizin sowie der
Prozessinformationsverarbeitung. Dadurch macht sich
Mecklenburg-Vorpommern zunehmend einen Namen als innovativer
Technologiestandort“, sagte Seidel. Das Wirtschaftsministerium fördert
das Vorhaben mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale
Entwicklung (EFRE) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) in Höhe von
1,37 Millionen Euro. Das Gesamtprojektvolumen beträgt 1,74 Millionen
Euro.
Bessere Bilder für die zielgenauere Behandlung
Im Rahmen des neuen Verbundvorhabens soll ein Ultraschallgerät für die
dreidimensionale und röntgenstrahlenfreie Tiefendiagnostik in
Zahnarztpraxen entwickelt werden. Das so genannte Scan-o-Dent® soll den
Werkstoffzustand eines Zahnes mit Ultraschall erfassen, die Zahnstruktur
bildhaft machen und mit wichtigen Kennwerten für die zahnärztliche
Diagnose wie Druckfestigkeit, Härte, Kariesausbreitung und
Randspalten-Zustand versehen. Das Gerät liefert somit nicht nur
hochgenaue und beliebig viele Bilddaten, sondern auch wertvolle
Zusatzinformationen zum Zustand von Zähnen und Zahnfleisch. Mit dem
Scan-o-Dent®-System soll das aufwändige herkömmliche Röntgen
weitestgehend ersetzt werden. Erste Machbarkeitsstudien haben gezeigt,
dass die geplante Technologie alle Material- und Gewebestrukturen im
Mund optimal erfassen kann. Die technische Weltneuheit, die bereits zum
Patent angemeldet worden ist, soll in den kommenden drei Jahren zur
Produktreife geführt werden.
„Die Aufgabe der S & N Systemhaus für Netzwerk- und Datentechnik
GmbH ist die Entwicklung eines handhabungssicheren Informatik-Systems
für die zahnärztliche Praxis, mit der dentale
3D-Ultraschall-Darstellungen erfasst, digitalisiert und interaktiv in
der Diagnostik eingesetzt werden können“, erläuterte
S&N-Geschäftsführer Karl-Heinz Sandmann. „Die Idee zu diesem
weltweit einzigartigen Instrumentarium in der Dentalmedizin ist aus der
jahrelangen Zusammenarbeit mit Zahnärzten entstanden, die immer wieder
mit der Röntgentechnik an ihre Grenzen stoßen.“ Das Rostocker
Unternehmen ist für die Realisierung des Projektes verantwortlich.
Die wissenschaftliche Zielstellung der Universität Rostock am Lehrstuhl
für Werkstoffe für die Medizintechnik beinhaltet die Entwicklung und
Untersuchung eines Ultraschallsystems, dessen Geometrie sich an die
Größe eines gängigen Dentalinstrumentes anlehnt. „Weiterhin werden
Materialkennwerte und die dazugehörigen Bilddaten mittels eines
Ultraschallmikroskops erhoben und analysiert“, erklärte Prof. Detlef
Behrend. „So schaffen wir die Grundlage für eine komplexe Datenbank, die
später als Behandlungsbasis für die Zahnarztpraxen dient.“
Das Institut für Automatisierungstechnik unterstützt das
Verbundvorhaben, in dem es fundierte Methoden und Prozessalgorithmen zur
Echtzeit-Analyse von Bild- und Materialdaten erarbeitet und
praxistauglich gestaltet. Die Arbeitsaufgaben des Instituts für
ImplantatTechnologie und Biomaterialien e.V. umfassen die Gewinnung von
Materialkennwerten von Zahngewebe-Hartsubstanzen und die
Marktvorbereitung für die Ultraschall-Diagnostik mit den im Institut
etablierten und anerkannten Prüftechniken und Analyseverfahren.
Zahnärzte arbeiten sicherer und mobiler
„Die Reduzierung der strahlenbelasteten Röntgen-Diagnose, insbesondere
für Kinder und Schwangere, durch eine nichtinvasive und
röntgenstrahlfreie Tiefendiagnostik dentaler Strukturen wäre ein großer
Vorteil für alle Beteiligten. Für uns steht der Nutzen für unsere
Patienten im Mittelpunkt“, unterstrich der Direktor der Poliklinik für
Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde und Geschäftsführende
Direktor der Klinik und Polikliniken für Zahn-, Mund- und
Kieferheilkunde an der Universität Rostock, Prof. Peter Ottl. Die
Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde wird als
klinischer Partner das Gerät auf die Alltagstauglichkeit testen. „Der
Verzicht auf die Strahlenbelastung ist ein entscheidender Faktor. Zudem
können die in der Mundhöhle vorhandenen Gewebe und Werkstoffe im
Gegensatz zum konventionellen Röntgen dreidimensional dargestellt und
wesentlich leichter erfasst werden.“
Das Verfahren ermöglicht die effektivere Bewertung der
Zahnhartsubstanzen, insbesondere auf Vorliegen von Karies, auch unter
bestehenden Kronen. Gleichzeitig können genauere Bewertungen des
Weichgewebes im Zahnhalteapparat mit Blick auf Zahnbetterkrankungen
vorgenommen werden. Einen weiteren Mehrwert in der Bildqualität im
Vergleich zu den Röntgenaufnahmen erwartet der Zahnmediziner durch die
weitreichende Erfassung der knöchernen Strukturen im Zahnhalteapparat
und in der Umgebung von Zahnimplantaten sowie in der Zustandskontrolle
von Füllungen, Zahnersatz und Zahnimplantaten. „Eine große Bedeutung
wird diese Technologie zweifellos auch aufgrund der demographischen
Entwicklung erlangen, da vor allem ältere und pflegebedürftige Menschen
mit dem handlichen Ultraschallgerät viel besser erreicht und untersucht
werden können“, so Ottl.
Informationen:
Universität Rostock
Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik
Lehrstuhl Werkstoffe für die Medizintechnik
Lehrstuhlinhaber: Prof. Detlef Behrend
Friedrich-Barnewitz-Strasse 4
18119 Rostock
Tel. 0381-54 345 507
E-Mail: detlef.behrend@uni-rostock.de
www.uni-rostock.de
Klinik und Polikliniken für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde „Hans Moral“
Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. Peter Ottl
Strempelstraße 13, 18057 Rostock
T + 49 381 494-6501
E peter.ottl@med.uni-rostock.de