Branchenmeldungen 02.02.2023

«safe and better endo»: Der 29. SSE-Jahreskongress in Bern



«safe and better endo»: Der 29. SSE-Jahreskongress in Bern

Foto: OEMUS MEDIA AG

Die Schweizerische Gesellschaft für Endodontologie (SSE) lud am 27. und 28. Januar 2023 unter dem Motto «safe and better endo» zum 29. Jahreskongress nach Bern ein. In den Räumlichkeiten der BERNEXPO trafen sich zahlreiche Endodontologen, um sich über die Herausforderungen, Trends und News auf dem Gebiet der Endodontologie zu informieren und sich auszutauschen.

Namhafte Referenten aus Deutschland, Grossbritannien, den USA, Belgien, Dänemark und der Schweiz bereicherten den SSE-Jahreskongress und belegten den internationalen Charakter des Fortbildungsevents.

Reto Lauper, Pambio-Noranco, Präsident der SSE, begrüsste die Teilnehmer und freute sich darüber, dass, nachdem der Kongress 2021 und 2022 von den Organisatoren schweren Herzens aufgrund von coronabedingten Anforderungen abgesagt werden musste, die Teilnehmer jetzt wieder spannende Vorträge und die Gelegenheit, sich mit Kollegen auszutauschen, erwarten.

Der Kongress-Chairman Prof. Dr. Klaus Neuhaus, Vorsitzender der SSE, führte am ersten Tag durch die Fortbildungsveranstaltung.

Den Auftakt machte Prof. Dr. Sebastian Schlafer, Aarhus University, und sprach über die klinischen Folgerungen beim Biofilm-Vergleich bei Karies und im Wurzelkanal. Abhängig von den mikrobiellen Gemeinschaften können biofilmassoziierte Infektionen nicht nur an der Zahnoberfläche, sondern im Wurzelkanalsystem auftreten. Der Krankheitsverlauf wird dabei von der Mikrobiota bestimmt.

Impressionen der Veranstaltung

Prof. Dr. Tina Rödig, Universitätsmedizin Göttingen, sprach in ihrem Vortrag über die endodontische Revisionsbehandlung. Der Anteil an endodontischen Behandlungen steigt seit Jahren ständig. Nicht jede Wurzelkanalobturation führt jedoch zum Erfolg. Aufgrund dessen besteht zunehmend die Notwendigkeit, bereits wurzelkanalgefüllte Zähne erneut zu behandeln. Ziel dieser Revisionsbehandlung ist es, nicht oder nicht ausreichend behandelte Wurzelkanäle aufzufinden und alle bereits gefüllten Kanalabschnitte von Fremdmaterial zu befreien, um im Anschluss eine optimale Desinfektion zu erreichen. Diese Revisionsbehandlungen erfordern vom Behandler ein hohes Mass an anatomischen Kenntnissen und technische und manuelle Fähigkeiten. Anhand vieler Patientenfälle wurden die orthograden und retrograden Revisionsmöglichkeiten erläutert.

Nach der ersten Pause folgte Dr. Frank Setzer, University of Pennsylvania, der gleich mit zwei Beiträgen vertreten war. Im ersten Vortrag informierte er über die apikale Mikrochirurgie: «Wann und wie?» In den meisten Fällen sind gescheiterte Fälle einer nicht ausheilenden apikalen Parodontitis auf eine intraradikuläre Infektion zurückzuführen. In 90–95 Prozent der Fälle ist eine erschwerte Desinfektion aufgrund Anatomie und Zugang zum Wurzelkanalsystem der Grund dafür. Hier kommt die mikrochirurgische Revision zum Einsatz, die für den Behandler besonders herausfordernd ist.

Im zweiten Vortrag widmete er sich dem «hot tooth» und präsentierte Anästhesiestrategien im stark entzündeten Seitenzahnbereich. In den meisten dieser Fälle ist die gewünschte Anästhesietiefe nicht erreichbar. Welches Lokalanästhetikum und welche Anästhesietechnik kann der Behandler also verwenden, wenn die übliche Infiltrations- und Leitungsanästhesie keine Wirkung zeigt? Dr. Setzer informierte über mehrere Alternativen der Schmerzausschaltung, von der intraligamentären über die intrapulpäre bis hin zu intraossärer Anästhesie.

Den beeindruckendsten Vortrag des ersten Konferenztages hielt Dr. Tomas Lang, Essen, der die «Virtual realities in endodontics» von der Diagnostik bis hin zur minimalinvasiven Behandlung darstellte. Der Einsatz des Dental-Mikroskops in der Endodontie sichert eine qualitätsorientierte Behandlung und optimale Ergebnisse in der Praxis, von der Planung mikroinvasiver endodontischer Zugänge bis hin zur anschliessenden Restauration des Zahnes.

Die aus Berlin angereisten Dr. Stefan Verch und Priv. Doz. Dogan Kaner machten in ihrem Doppelvortrag auf die synergistische Zusammenarbeit von Endodontologen und Parodontologen aufmerksam. Anhand gut präsentierter Fallbeispiele erklärten sie, wie Zähne auch bei grossen Paro-Endo-Läsionen noch zu erhalten sind.

Anschliessend wurde der Kongress, diesmal am ersten Tag, durch einen praktischen Teil ergänzt. PD Dr. Thomas Connert und Dr. Wadim Leontiev vom Universitären Zentrum für Zahnmedizin Basel UZB widmeten sich in ihrem Hands-on-Workshop den Dislokationsverletzungen, die häufig zu einer Kalzifizierung des Wurzelkanalsystems führen. Anhand einer dreidimensionalen radiologischen Bildgebung und eines digitalen Oberflächenscans kann mit der entsprechenden Software virtuell ein optimaler Zugang zum Wurzelkanal geplant werden. Diese sogenannte «Guided Endodontics»-Technik wird anhand von Bohrschablonen analog der geführten Implantologie umgesetzt.

Am Freitagabend konnten die Teilnehmer auf der traditionellen Get-together Party mit ihren Kollegen, den Referenten, den Ausstellern und dem SSE Vorstand einen schönen Abend am Gründungsort der Gesellschaft, im Restaurant Kirchenfeld, geniessen.

Am Samstagmorgen ging es unter dem Vorsitz von Dr. Patrick Sequeira mit dem zeitgemässen Management der tiefen kariösen Läsion und der Behandlung der Kieferosteonekrose weiter.

«MI – contemporary management of the deep carious lesion» lautete das Thema des ersten Beitrages. Prof. Avijit Banerjee, King’s College London, präsentierte den Minimalinterventionsansatz (MI), der eine klinische, evidenzbasierte Grundlage für den präventiven und ursachenbezogenen Ansatz bei Zahnerkrankungen im Allgemeinen und bei Karies im Besonderen zusammenfasst. Die Behandlung von Patienten mit Zahnkaries nach dem MI-Konzept basiert auf einem aktualisierten Kenntnisstand über den histopathologischen Kariesprozess sowie auf der Entwicklung von Diagnosetechniken und adhäsiven, bioaktiven Restaurationsmaterialien. Es wird ein patientenzentrierter MI-Pflegeplan für die Anwendung in der allgemeinen zahnärztlichen Praxis beschrieben, der vier Phasen detailliert beschreibt: Kariesdiagnose, Kontrolle/Prävention, Wiederherstellung von Zahnoberflächen oder Restaurationen und Recall.

Dr. Alfonso Gil, Uni Zürich, gab Einblicke in die Gingivarezession, die mittlerweile eine häufige Erscheinung ist. Klinisch äussert sich die Gingivarezession durch eine apikale Verschiebung des gingivalen Gewebes, die zu einer Freilegung der Wurzeloberfläche führt. Die Gingivarezession kann für Patienten aus einer Reihe von Gründen wie Wurzelhypersensibilität, Erosion, Wurzelkaries und Ästhetik ein Problem darstellen (Wennstrom 1996). In jüngster Zeit wurden neue Techniken für die chirurgische Behandlung von Defekten des Typs «multiple adjacent recession» vorgeschlagen. Diese leiten sich hauptsächlich vom koronal vorverlagerten Lappen, einer supraperiostalen Envelope-Technik in Kombination mit einem subepithelialen Bindegewebstransplantat oder ihrer Weiterentwicklung als Tunneltechnik ab. In den vorliegenden Fallberichten wird ein neuartiger, minimalinvasiver Ansatz vorgestellt, der sowohl für isolierte Rezessionsdefekte als auch für mehrere zusammenhängende Defekte im Oberkieferfrontzahnbereich geeignet ist. Der Zugang zum Operationsgebiet erfolgt über einen Zugang, der als vestibuläre Inzision und subperiostaler Tunnelzugang bezeichnet wird.

«Safety first – Osteonecrosis of the jaws – Around in the past, seen in the present… and rife in the future?» lautete das Thema von Dr. Vinod Patel (Guy's and St Thomas' NHS Foundation Trust). Die Osteoradionekrose (ORN) und medikationsbedingte Osteonekrose des Kiefers (MRONJ) sind seltene Erkrankungen, doch wenn sie auftreten, haben sie erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patienten und sind bekanntermassen schwierig zu behandeln. Angesichts des medizinischen Fortschritts, der zu verbesserten Überlebensraten und einer höheren Lebenserwartung führt, ist es wahrscheinlich, dass Allgemeinzahnärzte immer häufiger in die Behandlung der Mundgesundheit von Patienten einbezogen werden, bei denen ein Risiko für ORN und MRONJ besteht. Auch wenn die Behandlung beider Erkrankungen nicht in den Aufgabenbereich der zahnärztlichen Grundversorgung fällt, kommt dem Generalisten dennoch eine Schlüsselrolle bei der Gesamtversorgung des Patienten zu. Daher ist es wichtig, diese Erkrankungen und ihre Folgen für die zahnärztliche Behandlung gut zu verstehen, um die Patienten angemessen unterstützen zu können.

Den letzten Vortrag des SSE-Kongresses lieferte Prof. Paul Lambrechts, KU Leuven, der über die invasive zervikale Resorption (ICR) sprach, ein lokalisierter, subepithelialer, supraossärer Resorptionsprozess der Zahnwurzel. Obwohl es mehrere prädisponierende Faktoren für die ICR gibt, sind ihre Ätiologie und Pathogenese nur wenig bekannt. Die Beschädigung der Schutzschicht auf der äusseren Wurzeloberfläche scheint die Anlagerung von klastischen Zellen zu ermöglichen und den resorptiven Prozess auszulösen, der durch die innere schützende perikanaläre resorptionsresistente Schicht, die den Wurzelkanalraum umgibt, begrenzt wird. Für die Diagnose und Beurteilung einer resorptiven Läsion wird die digitale Volumentomografie (DVT) empfohlen. Auf der Grundlage einer gründlichen Bewertung der Grösse und Lage der ICR-Läsion mittels DVT kann eine chirurgische oder nichtchirurgische Behandlung gewählt werden, um die Ursache der Resorption zu beseitigen.

Der nächste SSE-Jahreskongress wird am 19. und 20. Januar 2024 in Lausanne stattfinden.

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