Branchenmeldungen 22.03.2022

Stadt Praxis Land – Leben und Arbeiten in der Lausitz



Stadt Praxis Land – Leben und Arbeiten in der Lausitz

Foto: Thomas Graff

Peitz in Brandenburg, eine Kleinstadt in der Niederlausitz, am östlichen Rand des Spreewalds, knapp 4.500 Einwohner, drei Zahnarztpraxen: Eine davon hat vor fünf Jahren Zahnarzt Thomas Graff übernommen. Mittlerweile ist er 36 und gemeinsam mit seiner kleinen Familie dort zu Hause. Warum ausgerechnet in Peitz, wie verlief der Praxisstart und wie fühlt es sich heute an? 

Herr Graff, was hat Sie veranlasst, am Standort Peitz eine Praxis zu eröffnen?

Ich bin in Spremberg aufgewachsen, etwa 45 Autominuten von Peitz entfernt. Studiert habe ich in Dresden und bin danach als junger Assistenzarzt nach Frankfurt (Oder) gegangen. Während dieser Zeit ist bei meiner Frau und mir der Wunsch entstanden, in die Heimatregion, also in die Lausitz, zurückzugehen.

Wie gestaltete sich die Praxissuche?

Wir haben uns ein Jahr Zeit gelassen, eine Praxis zu finden – ganz einfach war das nicht. Denn leider gab es auch Praxen, die tatsächlich nicht übernahmefähig waren. Wir hatten den Traum schon fast aufgegeben, bis bei der Besichtigung der 14. Praxis schließlich alles gepasst hat: der Ort, die Praxisräume, die Praxisphilosophie und die Vorstellungen des Praxisinhabers. Bei dieser Praxis war für meine Frau und mich alles stimmig. Wir konnten uns vorstellen, auch als künftige Familie hier zu leben und für die nächsten Jahrzehnte zu bleiben. Einig waren wir uns mit dem ehemaligen Praxisinhaber auch darüber, dass es eine harte Übergabe, also ohne gemeinsame Übergangszeit, geben sollte.

Sie haben die Praxis direkt ohne Übergangsphase und mit dem bestehenden Personal übernommen. Wie hat das funktioniert?

Im Nachhinein betrachtet, hat das sehr gut geklappt, wenngleich der Beginn natürlich sehr anstrengend war. In meiner Angestelltenzeit hatte ich bereits Ideen für meine Praxis entwickelt. Allerdings kamen anfangs auch Dinge auf mich zu, deren Tragweite ich noch gar nicht überblicken konnte. Negative Erfahrungen à la „das haben wir schon immer so gemacht“ hatte ich überhaupt nicht. Im Gegenteil! Die Angestellten waren mit Feuereifer bei der Renovierung und Modernisierung bzw. Aktualisierung von Abläufen dabei. Sie kamen selbstständig mit Dingen auf mich zu, von denen ich zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal wusste, dass dafür Entscheidungen zu treffen sind. Und wenn ich gerade angefangen hatte, ein Problem zu begreifen, dann kamen schon die nächsten zwei Anfragen. Es war eine spannende Zeit, in der mir die Mitarbeiterinnen sehr zur Seite gestanden haben.

Welchen Tipp würden Sie dem jungen Thomas Graff zum Start in Peitz mit auf den Weg geben?

Zum einen ist es vorteilhaft, wenn man mit der Praxis breit aufgestellt ist. Eine fachspezifische Praxis zu führen, wäre hier in Peitz schwieriger. Es hilft, das gesamte Spektrum abzudecken, nicht unbedingt in Personalunion. Mir hat außerdem geholfen, dass ich das Gefühl hatte, ich habe nach einigen praktischen Jahren die Zahnmedizin im Griff und eine solide Basis. So konnte ich mich zu Beginn wirklich auf die Praxisführung und Praxisgestaltung konzentrieren. Trotzdem entwickle ich mich fachlich natürlich gern weiter und bin auf Fortbildungen unterwegs.

Was macht für Sie der Praxisstandort Peitz aus? Was sind die Vor- und Nachteile einer Praxis in der ländlichen Region?

Ich mag es hier! Ich habe mich bewusst dafür entschieden, nicht nur in Peitz zu arbeiten, sondern auch zu wohnen. Das ist für mich genau das Salz in der Suppe: Dass meine Patienten nicht nur Nummern auf der Karteikarte sind, sondern dass jeder Patient auch seine Geschichte zu erzählen hat. Und auch ich gehe nicht anonym im Stadtbild unter, sondern werde erkannt und geschätzt – die Dankbarkeit der Patienten macht die Arbeit für mich sehr sinnstiftend.

Nicht zuletzt fühlt sich meine Familie hier wohl. Der Kindergarten unseres Sohnes liegt einmal quer über die Straße, ich kann ihn im Garten spielen sehen. Und wenn meine Frau und ich einmal Spätschicht haben, holt ihn unsere Empfangsdame ab und er spielt noch eine Stunde in der Praxis. Das macht den Alltag lebenswert. Auch das Kulturangebot kann sich sehen lassen – vielleicht nicht an sieben Tagen die Woche, aber ich habe auch nicht an sieben Tagen Zeit.

Der einzige Nachteil, der mir einfällt, sind die längeren Anfahrtswege zu qualitativ hochwertigen Fortbildungen, aber die hätte ich aus einer größeren Stadt ebenso.

In Peitz gibt es drei Zahnarztpraxen, vor Kurzem hat eine Praxis ohne Nachfolger schließen müssen. Ist weniger Konkurrenz ein weiteres Plus von Zahnarztpraxen fernab der Großstadt?

Die Praxen hier in Peitz sehen sich untereinander nicht als Konkurrenz. Wir sind Kollegen! Denn nur gemeinsam können wir das hohe Patientenaufkommen stemmen. Klar habe ich einen professionellen Praxisauftritt mit Logo und einer Corporate Identity. Aber weil wir das mögen und nicht, weil wir das brauchen, um Patienten zu akquirieren. Fast jede Woche kommen mehr Neupatienten hinzu, als wir betreuen können. In meiner Praxis arbeite ich mit einer angestellten Zahnärztin, Friederike Männel. Beispielsweise bieten wir zwei Prophylaxesprechstunden an, bei denen das Bestellbuch regelmäßig überläuft. Wir haben kaum Möglichkeiten, dafür noch freie Termine zu finden.  

Ist das Behandlungsspektrum anders als in der Großstadt?

Ich wüsste nicht, was wir in der Praxis nicht anbieten könnten. Wir behandeln oftmals die ganze Familie, vom Urenkel bis zu den Urgroßeltern. Praxisintern haben wir Zahnärzte gewisse Schwerpunkte gesetzt. So liegt die Kinderzahnheilkunde bei meiner Kollegin und die Endodontie bei mir.

Ich erlebe im Arbeitsalltag, dass unsere Patienten hochwertige und moderne Zahnmedizin von uns erwarten und einfordern. Das ist für sie so selbstverständlich wie für uns. Auch, wenn dadurch Zuzahlungen entstehen. Wenn die Patienten für gewisse Mehraufwendungen einen Mehrwert erhalten, ist das kein Problem.

Es wird ja immer wieder behauptet, Praxen auf dem Land würden sich nicht rechnen oder seien nicht wirtschaftlich.

Damit kann ich mich überhaupt nicht identifizieren. Auch die Statistiken, die ich kenne, kommen zu dem Schluss, dass Praxen auf dem Land wirtschaftlich deutlich solider funktionieren. Die Kostenstruktur ist entspannter, gerade, was die Fixkosten angeht. Und wie erwähnt muss ich mir um Patienten keine Sorgen machen, auch die Zahlungsmoral ist sehr gut. Man kennt sich hier und ist verbindlich, schließlich wollen die Patienten wiederkommen. Meine Sorge ist nicht, wie ich Patienten bekomme, sondern wie ich die Patienten alle versorgt bekomme.

Meine letzte Frage: Was müsste die Standespolitik tun, um das Praxissterben auf dem Land abzuwenden?

Unsere Brandenburger Standespolitik arbeitet sehr fleißig an dem Thema. Bei der „großen Politik“ findet sie teilweise aber zu wenig Gehör. Wenn zum Beispiel das Internet auf den Dörfern zu langsam ist, kann ich mich als Praxis nicht vernünftig an die Telematik anschließen. Noch wichtiger wäre jedoch eine Zahnmedizinische Fakultät in Brandenburg, denn die gibt es leider noch nicht. Zwar ist im Zuge der geplanten Umstrukturierung der Lausitz als bisherige Kohleregion eine Universitätsmedizin in Cottbus geplant. Allerdings wurde bei der Bedarfsplanung durch die „große Politik“ schlicht die Zahnmedizin vergessen. Dafür setzt sich die Standespolitik nun mit aller Kraft ein.

Thomas Graff

Praxis für Zahnheilkunde
Lutherplatz 6
03185 Peitz
Tel.: +49 35601 23148

kontakt@zahnarztpraxis-graff.de
www.zahnarztpraxis-graff.de

Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.

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