Branchenmeldungen 07.03.2011

Symptome des von-Willebrand-Syndroms abfragen und Blutungsrisiken vermeiden

Symptome des von-Willebrand-Syndroms abfragen und Blutungsrisiken vermeiden

Foto: © Shutterstock.com

Ein Patient bekommt bei einer Zahnextraktion eine Blutung, die einfach nicht aufhören will - ein Alptraum für jeden Zahnarzt. Gerinnungsbeeinflussende Medikamente fragen Zahnärzte vor einer solchen Behandlung meist ab - eine Gerinnungsstörung in der Regel nicht. Dabei sind Blutungen durch unerkannte Gerinnungsstörungen häufiger als mancher Zahnarzt glaubt.

Das "Netzwerk vWS" ist ein Zusammenschluss mehrerer Fachgesellschaften und Organisationen - unter anderem dem BDIZ EDI - und klärt Ärzte speziell über das von-Willebrand-Syndrom auf. Dabei handelt es sich um die häufigste angeborene Gerinnungsstörung.

Die Initiative „Netzwerk vWS“ fördert die Früherkennung des von-Willebrand-Syndroms (vWS), der häufigsten angeborenen Gerinnungsstörung. Um dieses Ziel zu erreichen, vereint die Initiative wichtige Patientenorganisationen, Fachgesellschaften und Berufsverbände verschiedener Disziplinen. Seit der Gründung im Jahr 2008 hat das „Netzwerk vWS“ viele Maßnahmen initiiert, um die Öffentlichkeit und Mediziner verschiedener Fachrichtungen für das Krankheitsbild zu sensibilisieren. Anlässlich des dreijährigen Bestehens fand Ende Januar 2011 eine Pressekonferenz in Hamburg statt.


Günter Schelle, Dr. med. Günter Auerswald, Gisela Wind, Prof. Dr. Reinhard Schneppenheim (hinten), Werner Kalnins, Dr. med. Klaus König.

Das von-Willebrand-Syndrom ist weit verbreitet

Unter dem Vorsitz wichtiger Repräsentanten des Netzwerkes – Dr. Klaus König, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes der Frauenärzte (BVF), Werner Kalnins, Vorsitzender der Deutschen Hämophiliegesellschaft (DHG), Günter Schelle, stellvertretender Vorsitzender der Interessengemeinschaft Hämophiler (IGH) – sowie Gisela Wind, vWS-Patientin, kamen im Rahmen dieser Presseveranstaltung Experten der am häufigsten vom vWS betroffenen Indikationsfelder zu Wort. Prof. Dr. rer. nat. Reinhard Schneppenheim, Klinikdirektor der Klinik und Poliklinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, stellte entscheidende medizinische und epidemiologische Grundlagen des vWS vor. Neben der Prävalenz und den klinischen Charakteristika wies Schneppenheim auf die immense Bedeutung einer frühzeitigen Diagnose hin. Das vWS sei mit einer Prävalenz von 1 Prozent die häufigste genetisch bedingte Gerinnungsstörung bei Frauen und Männern. Ursache sei entweder ein Mangel bzw. völliges Fehlen oder ein Defekt des von-Willebrand-Faktors (vWF), der eine wichtige Rolle bei der Thrombozytenadhäsion spielt. Hauptkennzeichen des vWS sei eine verlängerte Blutungsneigung, die je nach Subtyp der Erkrankung verschieden stark ausgeprägt sei.

Beim vWS gibt es unterschiedliche Subtypen

Bei mehr als 70 Prozent der Patienten liege klinisch ein Typ 1 mit leichtem Mangel des von-Willebrand-Faktors vor, was eine moderate Blutungsneigung verursache. Beim Typ 2 bestehe ein Defekt des vWF, der mit einer gestörten Funktion einhergehe. Besonders gefährdet für lebensbedrohliche Blutungen seien Patienten des sehr seltenen Typ 3, die keinen von-Willebrand-Faktor bilden könnten.

Blutungen bei der zahnärztlichen Behandlung – ein Alptraum!

„Bei noch nicht identifizierten Erkrankten können bei invasiven Eingriffen massive Komplikationen eintreten. Auch wenn in den meisten Fällen nur ein Typ 1 mit verlängerter Blutungsneigung vorliegt, können gerade bei Zahnextraktionen, Implantationen oder Wurzelspitzenresektionen Blutungen auftreten. Auch scheinbar leichte Eingriffe wie Zahnfleischbehandlungen, Zahnsteinentfernungen oder das Spritzen eines lokalen Betäubungsmittels können schwer stillbare Blutungen im Gewebe verursachen. Besonders gefürchtet sind Schleimhautblutungen bei Kindern“, erläuterte der Mediziner weiter. Um bei solchen Eingriffen nicht von starken Nachblutungen überrascht zu werden, sollten Patienten bereits in der Erstanamnese nach Symptomen des vWS befragt werden.

Zielgerichtete Gerinnungsanamnese hilft weiter

Dr. med. Günter Auerswald von der Professor-Hess-Kinderklinik am Klinikum Bremen-Mitte, verwies in seinem Vortrag auf die Gefahren eines unentdeckten vWS im Kindesalter. Insbesondere bei geplanten Routineeingriffen wie Tonsillektomien, Adenotomien oder zahnärztlichen Maßnahmen könnten kaum stillbare Blutungen zu lebensbedrohlichen Risiken werden. Ebenso gelte es, potentielle Komplikationen minimal-invasiver Eingriffe nicht zu unterschätzen. Als Schutzmaßnahme sei es deshalb unerlässlich, Kinder mit einer Hämostasestörung durch eine zielgerichtete Anamnese frühzeitig zu identifizieren. „Hierzu hat sich der Einsatz eines standardisierten Anamnesebogens mit 14 Fragen, die mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten sind, bewährt. Durch die selbsterklärende Konzeption kann er von Ärzten und Patienten gleichermaßen ausgefüllt werden“, erklärte Auerswald. Abgefragt würden bekannte Blutgerinnungsstörungen, Wundheilungsauffälligkeiten, vermehrte Blutungsneigungen im Alltag und nach Verletzungen oder operativen Eingriffen sowie die Einnahme von die Blutgerinnung beeinflussenden Medikamenten. Der Fragebogen hätte hohe prädiktive Aussagekraft und liefere damit einen wichtigen Beitrag zur Früherkennung des vWS, so Auerswald. Verdachtsfälle sollten an ein Gerinnungszentrum überwiesen werden, wo die klinische Diagnose im Rahmen aufwendiger Laboruntersuchungen gestellt werden könne.

Therapie des vWS

Je nach Schweregrad der Erkrankung stünden verschiedene effektive Therapieoptionen zur Verfügung. Bei leichteren Verlaufsformen des vWS (Typ 1) hätte sich die Behandlung mit dem Hormonanalogon Desmopressin als erfolgreich erwiesen. Die Einnahme könne in Form von Nasenspray oder intravenös erfolgen (Octostim®, Minirin®). In schweren Fällen oder bei Patienten mit vWS Typ 3 sei eine Substitutionsbehandlung mit von-Willebrand-Faktor / -Faktor VIII- Konzentrat (z. B. Haemate® P) zu empfehlen.

Das vWS – ein „Frauenleiden“

Abschließend referierte Dr. med. Klaus König vom BVF über die Relevanz einer frühzeitigen Diagnostik des vWS in der Gynäkologie. Bei Mädchen und Frauen könne bereits eine Hypermenorrhoe ab Menarche auf ein unerkanntes von-Willebrand-Syndrom hindeuten. Besonders Geburten könnten zu einer massiven Gefährdung für Leib und Leben werden, da der von-Willebrand-Faktor ein Akutphase-Protein darstelle, dessen Konzentration unmittelbar nach der Geburt stark abfalle. Daher könnten postpartal lebensbedrohliche Blutungen auftreten, die ein schnelles und interdisziplinäres Handeln erforderten, um das Leben der Mutter zu retten.

Das „Netzwerk vWS“ im Internet

Im Netzwerk vWS haben sich Fachgesellschaften, Berufsverbände und Patientenorganisationen zusammengeschlossen. Initiiert von CSL Behring wird die Initiative von der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH), dem Berufsverband der Frauenärzte (BVF), dem Bundesverband der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa (BDIZ EDI), der Interessengemeinschaft Hämophiler (IGH) sowie der Deutschen Gesellschaft für Hämophilie (DHG) getragen. Im Internet ist das Netzwerk vWS unter www.netzwerk-von-willebrand.de mit umfangreichen Informationen präsent.

Quelle: Netzwerk vWS

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