Branchenmeldungen 20.01.2016
Weichmacher – Gefahr im Alltag?
Kunststoffe umgeben uns Menschen überall. Ob Zahnbürste, Lebensmittelverpackung, Gummistiefel oder Zahnfüllung – ohne Plastik jeglicher Art würden viele Dinge nicht so sein, wie wir sie gerne hätten. Viele Gebrauchsgegenstände aus Kunststoff stellen aber aufgrund ihrer Inhaltsstoffe eine mögliche gesundheitliche Gefahr dar. Vor allem Weichmacher sind seit Jahren umstritten und teilweise bereits nur limitiert oder gar nicht einsetzbar.
Verbraucher denken beim Thema Weichmacher in erster Linie an Bisphenol A, PCB (Polychlorierte Biphenyle) oder gerade noch an DEHP (Di[Bisethylhexyl]phthalat) – weil ihnen diese Bezeichnungen in vielen Medien in Verbindung mit Krebsgefahr und Gesundheitsskandalen begegnen. Eine gewisse Vorsicht im Umgang mit diesen Stoffen ist berechtigt. Eine aktuelle Studie bringt den Weichmacher DEHP mit Adipositas in Verbindung und titelt polemisch „Dick durch Weichmacher“ (ZWP online berichtete). „In epidemiologischen Studien wurden bereits ernst zu nehmende Zusammenhänge zwischen erhöhten Phthalat-Konzentrationen im menschlichen Körper und der Entwicklung von Übergewicht nachgewiesen, und sollten deswegen weitergehend mechanistisch untersucht werden“, sagt Prof. Martin von Bergen, Leiter des Departments Molekulare Systembiologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. PCB, welches ebenfalls unter Verdacht steht, Krebs zu erregen, kann im menschlichen Körper nicht abgebaut werden. Es wird in den Fettzellen angereichert.
Aber woher gelangen derartige Stoffe in den Körper? Die höchste Konzentration von Weichmachern nehmen wir über unsere Nahrungsmittel auf. Und das, obwohl beispielsweise DEHP bereits seit 2007 in Verpackungen für fetthaltige Lebensmittel verboten ist. Die Konzentrationen sind gering und stellen nicht auf Anhieb eine Gefahr dar, doch die Menge macht das Risiko. 2013 stellte eine Studie des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und des Umweltbundesamtes (UBA) zur DEHP-Belastung in der Bevölkerung fest, dass bei einem Prozent der Bevölkerung – immerhin in Deutschland derzeit eine direkte Zahl von gut 810.000 Menschen – die Grenze einer gefährlichen Konzentration überschritten wird. Neben den Lebensmitteln stellt auch die Grundwasserversorgung mehr und mehr ein Risiko dar. Mikroplastik ist in aller Munde – im wahrsten Sinne des Wortes. Ende 2015 veröffentlichten Umweltwissenschaftler der Universität Basel eine Studie zur Belastung des Rheins zwischen Basel und Rotterdam durch Mikroplastik. Die gemessenen Konzentrationen zeigten, dass der Rhein zu einem der am stärksten durch Mikroplastik belasteten Gewässern weltweit zählt – mit einer Belastungsspitze in der Rhein-Ruhr-Region. Auch Meerestiere wie Delfine, Kabeljau und Makrele tragen eine gefährlich hohe Konzentration von Weichmachern im Körper und geben diese an ihren Nachwuchs weiter. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos wurde jüngst eine Prognose veröffentlicht, dass im Jahr 2050 mehr Plastik als Fisch in den Weltmeeren schwimmen wird. Plastikabfälle im Meer kommen nicht nur von den direkt ins Wasser geworfenen Plastikgegenständen, sondern auch durch Reste von Kosmetikprodukten, die über das Abwasser in die Flüsse und so ins Meer gelangen.
Welche Gefahr stellt das für die Menschheit dar? Erste Assoziation ist: Weichmacher sind krebserregend. Sie haben im Körper eine ähnliche Wirkung wie Hormone und beeinflussen damit bestimmte Abläufe. Diese Wirkung ist auch der Grund, warum Phtalate in Verdacht stehen, die Reproduktionsfähigkeit von Männern und Frauen negativ zu beeinflussen. Die wissenschaftliche Einschätzung dazu ist umstritten, trotz teils einschlägiger Hinweise. DEHP, DBP (Dibutylphthalat) und BBP (Butylbenzylphthalat) wurden aus diesem Verdacht heraus in der EU als fortplanzungsgefährdend eingestuft, und in Kleinkinderspielsachen sowie Verpackungen fetthaltiger oder Baby-Nahrungsmittel verboten. Auch mit dem immer noch nicht vollständig geklärten Krankheitsbild der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) wurde in einer französischen Studie Bisphenol A in Verbindung gebracht (ZWP online berichtete).
Rückgängig machen kann man die derzeitige Lage der Kunststoffbelastung nicht, aber man kann helfen, sie zu bremsen. NABU und andere Organisationen setzen sich für die Reinigung der Gewässer ein. Das vielversprechende Projekt „The Ocean Cleanup“ eines 20-jährigen Niederländers könnte ab dem nächsten Jahr helfen, den Müll aus den Weltmeeren zu holen. Ein nachhaltigerer Umgang mit Gebrauchsgegenständen und das Benutzen von Mehrweg- statt Einwegprodukten hilft, den Müllberg erst gar nicht derart wachsen zu lassen.