Wissenschaft und Forschung 02.09.2014
Angststörungen lassen sich morgens besser behandeln
Eine Therapie gegen Spinnenphobie, die morgens durchgeführt wird, ist
weitaus wirksamer als eine Therapie am Abend. Das haben die
Psychologinnen Tanja Michael und Johanna Lass-Hennemann von der
Universität des Saarlandes in einer Studie nachgewiesen. Die
Wissenschaftlerinnen führen dies auf den höheren Cortisol-Spiegel des
Menschen am Morgen zurück. Cortisol ist ein körpereigenes Hormon, das
Lernprozesse fördert. Die Studienergebnisse sind jetzt in „Behaviour
Research and Therapy“, einer der renommiertesten Zeitschriften für
Klinische Psychologie, publiziert worden.
Das Hormon Cortisol
wird morgens vom menschlichen Körper in viel größeren Mengen
ausgeschüttet als am Abend. „Cortisol verstärkt Lern- und
Gedächtnisprozesse – und Psychotherapie ist nichts anderes als ein
Lernprozess“, erläutert Johanna Lass-Hennemann. Die wissenschaftliche
Mitarbeiterin der Abteilung „Klinische Psychologie und Psychotherapie“
der Saar-Universität arbeitet seit Jahren an der Behandlung von
Angststörungen.
Für ihre aktuelle Studie haben sie und Tanja Michael insgesamt 60 Patienten mit Spinnenphobie ausgewählt, die weder extreme „Morgentypen“ noch „Abendtypen“ waren. „Zu welcher Tageszeit Menschen am besten lernen können, ist individuell verschieden – wir haben unsere Studie sozusagen mit ‚Mischtypen‘ durchgeführt“, erklärt Lass-Hennemann. Alle Patienten wurden in einer jeweils dreistündigen Therapiesitzung gegen Spinnenphobie behandelt: davon 30 Patienten zwischen 8 und 11 Uhr, die anderen 30 Patienten von 18 bis 21 Uhr. „Einfache, spezifische Phobien wie Spinnen- oder Höhenangst sind in einem Termin gut behandelbar“, ergänzt die Saarbrücker Wissenschaftlerin dazu. Zusätzlich wurde der Cortisol-Spiegel aller Patienten mittels Speichelproben erhoben.
Wie stark sich die Spinnenphobie aufgrund der Behandlung gebessert hatte, überprüften die Psychologinnen bei allen Patienten nach einer Woche sowie erneut nach drei Monaten. Als Messlatte nutzten sie neben einem Fragebogen zur Spinnenangst vor allem einen Verhaltenstest. Dabei sollen die Patienten einen Raum betreten, an dessen Ende sich ein Terrarium mit einer großen Kellerspinne befindet. Gemessen und bewertet wird, wie weit sie sich der Spinne nähern können. „Vor der Therapie können einige Patienten den Raum gar nicht betreten, nach der Therapie sind aber viele so weit, dass sie das Terrarium öffnen und die Spinne auf die Hand nehmen können“, sagt Lass-Hennemann. Es zeigte sich, dass der Behandlungseffekt bei den Patienten mit Morgentherapie sowohl nach einer Woche als auch drei Monate später deutlich höher war.
Ob sich dieses Resultat auch auf die Behandlung komplexerer psychischer Störungen wie soziale Phobie oder Panikstörung übertragen lässt, wollen die Saarbrücker Wissenschaftler in einem nächsten Schritt überprüfen.
Link zur Studie: http://dx.doi.org/10.1016/j.brat.2014.06.009
Quelle: Universität des Saarlandes