Wissenschaft und Forschung 15.01.2025
Sanftere Zahnuntersuchungen – Fische beim Zahnarzt
Um die Zähne von Fischen für die Wissenschaft unter die Lupe zu nehmen, mussten diese bislang meist eingeschläfert werden. Nun gibt es eine neue Methode – die an einen Zahnarztbesuch erinnert.
Eine neue Methode erlaubt die Untersuchung von Fischzähnen, ohne die Tiere zu töten. Das berichtet eine Forschungsgruppe des japanischen Okinawa Institute of Science of Technology im Fachblatt „Journal of Morphology“. Zum Einsatz kommen dafür Abdrucktechniken, die auch wir Menschen vom Besuch beim Zahnarzt kennen.
„Beschädigung des Objekts“
Die Untersuchung von Zähnen kann einiges über deren Besitzer verraten: So erlauben etwa Abnutzungsspuren Rückschlüsse auf die Ernährungsweise, aus dem Zusammenspiel mit dem Kiefer können Aussagen über die Beißkraft getroffen werden und Vergleiche mit anderen oder früheren Arten geben Hinweise auf Evolutionsschritte.
Wenn diese Zähne aber etwa Fischen gehören und hier insbesondere kleineren Arten, führen die Untersuchungsmethoden zur „Beschädigung des Objekts“, wie es im Fachjargon heißt. Mit anderen Worten: Forschende müssen die Tiere einschläfern, um die Zähne dann zu sezieren oder bildgebende Verfahren anzuwenden und so mehr über ihren Kauapparat zu lernen.
Jetzt hat eine Forschungsgruppe des japanischen Okinawa Institute of Science of Technology eine humanere Methode entwickelt, die sowohl für lebende Fische und andere Wirbeltiere als auch Museumsexemplare verwendet werden kann.
Behutsam, maßgeschneidert und schnell
Als Vorbild dienten den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Zahnabdrucktechniken, die so ähnlich auch in Dentalpraxen für Menschen zum Einsatz kommen. Als Testobjekt wurden Senegal-Flösselhechte (Polypterus senegalus) genutzt: Diese Knochenfische haben sich der Studie zufolge vor etwa 360 Millionen Jahren von anderen Fischarten getrennt und aufgrund der lange evolutionären Isolation noch viele primitive Merkmale. Entsprechend interessant sind die Tiere, für die Erforschung der frühen Entwicklung von Knochenfischen.
Um einen genaueren und vor allem aber für die Fische unschädlichen Blick auf deren Zähne zu werfen, betäubte das Team die Tiere zunächst. Dann wurden ihre Beißer vorsichtig an der Luft getrocknet und gereinigt. Mit einem 3D-Drucker produzierten die Forschenden maßgeschneiderte Abdruckschalen, die im nächsten Schritt mit einem in der menschlichen Zahnmedizin üblichen, pastenartigen Abdruckmaterial befüllt wurden. Die präparierten Schalen wurden dann behutsam ins Maul der Fische eingeführt, um die Abdrücke zu nehmen.
So aufwendig das Verfahren klingt, nimmt es der Gruppe zufolge gerade einmal fünf bis zehn Minuten in Anspruch und sei darüber hinaus kostengünstig. Insgesamt 60 Senegal-Flösselhechte seien auf diese Weise behandelt worden – keines der Tiere sei dabei zu Schaden gekommen. Eine Herausforderung habe indes die geringe Größe der Fische dargestellt: Ihre Kiefer hätten gerade einmal Fingerlänge, während die Zähne weniger als einen Millimeter lang seien.
Tatsächlich lassen zur Studie veröffentlichte Fotos erahnen, wie achtsam die Forschenden im Umgang mit den Fischen sein mussten, um diese durch das Prozedere nicht zu verletzen.
Feinste Abnutzungsspuren an kleinen Beißern
„Mit dieser Methode lassen sich sowohl bei lebenden als auch bei toten Tieren, für die handelsübliche Dentalschalen ungeeignet sind, wie zum Beispiel bei Fischen, Reptilien und Säugetieren jenseits von Primaten und Haustieren, zerstörungsfrei und kostengünstig orale Merkmale des gesamten Mundes mit hoher Auflösung erfassen“, fasst die Studie zusammen.
Die genommenen Abdrücke zeigten feinste Abnutzungsmuster an den Zähnen der Knochenfische, die im Laufe der Zeit entstanden sind.
Diese Muster könnten ein besseres Verständnis der Ernährungsgewohnheiten der Tiere erlauben – was besonders nützlich sei, wenn man moderne Arten mit Fossilien vergleiche, um alte Ernährungsmuster zu ermitteln.
Ebenso könne die Methode genutzt werden, um die Biomechanik des Kiefers zu untersuchen oder um die Anatomie verschiedener Arten zu vergleichen. „Indem wir dieselben Merkmale bei verschiedenen Tierarten überprüfen, können wir Unterschiede aufgrund von Ernährung, Wachstumsproblemen oder Genetik objektiv vergleichen“, beschreibt Co-Erstautor Johannes Wibisana.
Rätselhafte Zahnerneuerung
Als Nächstes wollen die Forschenden die Methode an größeren Fischen und anderen Wirbeltieren anwenden. Besonders interessiert sind sie an der Untersuchung von Zahnersatzmustern, die bei lebenden Fischen bisher noch nie quantifiziert wurden. Denn: Nur Säugetiere haben bleibende Zähne im Erwachsenenalter, während anderen Wirbeltieren im Laufe ihres Lebens regelmäßig neue Zähne wachsen.
Hauptautorin Lauren Sallen fasst zusammen: „Unsere Methode hat viele potenzielle Anwendungen und kann in großem Umfang eingesetzt werden, insbesondere von Museen und Forschern, die die biologische Vielfalt untersuchen.“
Quelle: dpa