Abrechnung 18.08.2016

Wie viele Wurzelkanäle hat ein Zahn?



Wie viele Wurzelkanäle hat ein Zahn?

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Die Erstattung einer endodontischen Behandlung wird von Versicherungen häufig auf die „üblicherweise vorhandenen“ Wurzelkanäle eingeschränkt. Damit wird quasi unterstellt, dass mehr Kanäle abgerechnet als behandelt wurden.

Aus zahnmedizinischer Sicht erscheint diese Vorgehensweise unverständlich, denn die Erkenntnisse über die tatsächliche Anzahl der Wurzelkanäle menschlicher Zähne liegen bereits 100 bis 150 Jahre zurück, wurden in Studien nachgewiesen und in der Fachliteratur häufig beschrieben.1 Im Rahmen der Wurzelkanalbehandlung gab es jedoch lange Zeit nicht annähernd die technischen und apparativen Möglichkeiten, gewisse verborgene Anteile des Wurzelkanalsystems systematisch und reproduzierbar darzustellen. Durch die Fortschritte moderner endodontischer Verfahren werden heutzutage in weitaus größerer Anzahl als früher auch zusätzliche (akzessorische), häufig sehr schmale oder schwierig zugängliche Kanäle diagnostiziert (z.B. durchs Dentalmikroskop) und suffizient behandelt.

Laut Statistik steigt die Zahl von Frontzähnen, bei denen statt eines Wurzelkanals zwei gefunden werden, um 20 bis 25 Prozent. Bei Prämolaren sind es nicht nur die oberen 4er, die zwei Kanäle aufweisen, sondern auch obere 5er oder Unterkieferprämolaren. Selbst Prämolaren mit drei Wurzelkanälen sind sowohl im Ober- als auch Unterkiefer anzutreffen. Bei Molaren des Oberkiefers muss man sowohl beim 6er als auch 7er davon ausgehen, dass stets mindestens vier Kanäle vorhanden sind.2 Allerdings ergibt sich weder aus Gerichtsurteilen noch aus der GOZ eine rechtliche Verpflichtung für den Zahnarzt, mit einer Vergrößerungshilfe arbeiten zu müssen.

Was besagt die GOZ 2012?

Die Leistungslegenden der einschlägigen GOZ-Ziffern für endodontische Behandlungen sind klar: Die GOZ-Nrn. 2410, 2420 und 2440 sind einmal je Wurzelkanal, die GOZ-Nr. 2400 ist zweimal je Wurzelkanal berechnungsfähig. Entscheidend ist insoweit die tatsächlich vorhandene Anzahl von Wurzelkanälen (nicht von Wurzeln!), die ggf. auch von der Regelanatomie abweichen kann.

Es empfiehlt sich bei der Berechnung der Häufigkeit der GOZ-Nrn. 2400, 2410, 2420 und 2440 eine genaue Dokumentation der Anatomie und Behandlungsmaßnahmen, da zunehmend Nachfragen von kostenerstattenden Stellen dann auftreten, wenn eine höhere Anzahl an Wurzelkanälen eines Zahnes berechnet werden, als diejenige, die von den Versicherungen jeweils als allgemein üblich betrachtet werden.

Anforderung von Röntgenaufnahmen

Es hat sich verschiedentlich herausgestellt, dass von kostenerstattenden Stellen bei einer höheren Berechnungsanzahl der GOZ-Nrn. 2400, 2410, 2420 und 2440 als anatomisch üblich diverse Röntgenbilder zur Überprüfung der tatsächlichen Wurzelkanalanzahl angefordert werden. Die Übersendung der Röntgenbilder ist eine Obliegenheit des Patienten, die sich aus § 9 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) in Verbindung mit der Regelung des § 31 Abs. 1 VVG begründet.

Hierbei ist aus medizinischer Sicht zweierlei zu betonen: Erstens dienen Röntgenbilder grundsätzlich der klinischen Diagnostik. Es verstößt daher gegen die Röntgenverordnung und den Grundsatz der rechtfertigenden Indikation beim Röntgen, wenn Röntgenbilder zum Zwecke der Überprüfung der Kostenerstattung eigens angefertigt werden. Wenn der Zahnarzt solchen Forderungen nachgibt, verstößt er gegen die Röntgenverordnung und kann sich ggf. auch der Körperverletzung strafbar machen.

Auch eine „Erfolgskontrolle“ im Hinblick auf die Qualität der gefüllten Kanäle durch die Kostenerstatter ist nicht zulässig, da die zahnärztliche Behandlung als Dienstvertrag gilt und daher die sachgerechte Behandlung, aber kein Erfolg geschuldet wird. Zweitens bilden Röntgenbilder grundsätzlich die dreidimensionale Realität nur zweidimensional ab. Dies bedeutet, dass durch Überlagerungsphänomene der geröntgten Strukturen durchaus nicht immer alle anatomischen Besonderheiten wie gewünscht abgebildet werden. Insofern kann nicht daraus, dass z.B. ein akzessorischer Wurzelkanal im individuellen Fall im vorliegenden Röntgenbild nicht erkennbar ist, geschlossen werden, dass dieser klinisch nicht vorhanden wäre.

Diese Ausführungen basieren auf dem GOZ-Kommentar von Liebold/Raff/Wissing.

1 U.a. Görduysus M.O., Görduysus M., Friedman S. Operating microscope improves negotiation of second mesiobuccal canals in maxillary molars. J Endod 27: 683–6 (2001). Hülsmann M: A maxillary first molar with two disto-buccal root canals. J Endod 23: 707–708 (1997).

2 Baumann M.A., RZB 12/2013.

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