Businessnews 11.09.2011

Optimismus-Studien mit Vorsicht genießen

Optimismus-Studien mit Vorsicht genießen

Foto: © Shutterstock.com

Da haben wir es schwarz auf weiß: Die Deutschen haben so wenig Angst wie seit zehn Jahren nicht mehr. Das hat gerade eine Studie im Auftrag der R+V-Versicherung ergeben. Doch was bedeutet es tatsächlich, wenn das "Angstniveau" bei 43 Prozent liegt? "Man muss solche Studien mit Vorsicht genießen und sehr genau hinsehen, was, wer und wie gefragt wird", sagte der Wirtschaftspsychologe Florian Becker von der Hochschule Rosenheim der dpa. Den oft verwendeten Begriff "Angst" - etwa als "German Angst" - hält er für falsch, um das in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern stärker ausgeprägte "Bedürfnis nach Unsicherheitsvermeidung" zu beschreiben.

"In Deutschland möchte man sehr genau wissen, was kommt. In anderen Kulturen entscheidet man öfter aus dem Bauch heraus", sagte Becker, der sich derzeit in China aufhält. "In Südostasien beginnt man vielleicht mit dem Bau einer Autobahnbrücke und stellt dann fest, dass sie doch an der falschen Stelle steht. Die Züge dort fahren auch nicht nach Plan." In Deutschland habe man ein hohes Bedürfnis, derartige Unsicherheiten zu vermeiden. "Das mag von außen so wahr genommen werden, als seien wir besonders ängstlich. Aber es hat auch enorme Vorteile, indem wir zum Beispiel sehr gute und zuverlässige Maschinen bauen, die weltweit geschätzt werden."

Die psychologische Forschung bewege sich inzwischen hin zu zuverlässigeren Methoden und weg von Fragebogen, wie sie die Optimismusforschung der 60er Jahre unter dem in die USA emigrierten Ungarn George Katona begründete. Katona hatte einst den "University of Michigan Consumer Sentiment Index" entwickelt. Er gilt noch heute als Frühindikator der wirtschaftlichen Entwicklung in den USA. Auch die Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg, die auch die Studie für die R+V-Versicherung durchführte, setzt auf die Methode.

"Gefühle wie Zufriedenheit, Ängstlichkeit und Optimismus sind häufig kultur- und persönlichkeitsabhängig und zu einem nicht geringen Anteil sogar angeboren", sagte Becker. Die tatsächliche ökonomische Situation der Menschen ändere daran meist wenig - "es sei denn bei extrem niedrigem Einkommen". Selbst in schwierigen Situationen äußerten sich Menschen noch optimistisch, "so lange sie das Gefühl haben, dass sie selbst etwas an ihrer Situation ändern können". Was auch erklären könnte, dass in der R+V-Studie die Angst vor dem Verlust des Jobs mit 36 Prozent viel geringer eingeschätzt wurde als beispielsweise die Sorgen über nicht individuell beeinflussbare steigende Steuerbelastungen durch die Euro-Krise oder schadstoffbelastete Lebensmittel.

Jeweils 70 Prozent der Befragten äußerten sich dazu pessimistisch. Unter den 16 seit 21 Jahren regelmäßig abgefragten Ängsten besetzten konsequenterweise auch höhere Lebenshaltungskosten (63 Prozent) oder Naturkatastrophen (60 Prozent) und die Angst, im Alter zum Pflegefall zu werden, die ersten drei Plätze.

Quelle: dpa-AFX

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