Labormanagement 25.10.2022

#delivering happiness als stimmiges Gesamtkonzept



#delivering happiness als stimmiges Gesamtkonzept

Foto: © artedent

Zahntechnik und Zahnmedizin gemeinsam anders gestalten – mit diesem Ziel wurde die Zahnarztpraxis artedent by Paul Schuh mit dem angeschlossenen Labor Prime LAB and Dental Diagnostics gegründet. Im Interview sprechen der ZA Dr. Paul Schuh und sein Kollege ZTM Fatih Birinci über ihr modernes und nicht an Zahnmedizin erinnerndes Einrichtungskonzept, aber auch ihren Workflow zwischen Labor und Praxis – dabei ist vor allem das Thema Wertschätzung von besonderer Bedeutung.

Sie vereinen das Labor Prime LAB and Dental Diagnostics sowie die Zahnarztpraxis artedent by Paul Schuh unter einer gemeinsamen Adresse. Wie kam es zu der Idee der Zusammenarbeit in einem Haus, gerade weil es sich bei dem Dentallabor „nicht nur“ um ein Praxislabor zu handeln scheint? Wie lief dieser Entstehungsprozess ab und was unterscheidet Sie damit von anderen?

Birinci: Das Konzept haben wir in einer Art „Zahnmedizinhaus“ umgesetzt – das Labor ist im vierten Stock, die Zahnarztpraxis im dritten Stock. Kommt man in eines unserer beiden Stockwerke, hat man weder das Gefühl, in einer Zahnarztpraxis noch in einem Dentallabor zu stehen. Man erkennt auf den ersten Blick nicht, ob es sich nicht vielleicht auch um ein junges Start-up handeln könnte. Uns war es bei der Konzeption wichtig, dass sich Patienten und Mitarbeiter gleichermaßen wohlfühlen. Dass man nicht das beklemmende Arztgefühl hat oder die Atmosphäre rein technisch wirkt, sondern lieber warm, entspannt und irgendwie heimisch. Ein Zahntechnikermeister, mit dem wir vor vielen Jahren in einer anderen Praxis zusammengearbeitet haben, hat unsere Räume mal als Wohnzimmer bezeichnet. Und eigentlich trifft es das ganz gut. Die besten Ideen hat man oft zu Hause, in entspannter Umgebung: Genau diesen Wohlfühlfaktor wollten wir auch für unsere Räume nutzen, um gute Idee zu entwickeln. Ein freier und offener Geist wird durch offene, schöne Räume gefördert.

Schuh: In der Planung war uns vor allem eins besonders wichtig: Nähe und damit bestmögliche Kommunikation zwischen Zahnmedizin und Zahntechnik. Gerade aufgrund meiner eigenen Ausbildung weiß ich, dass gute Kommunikation essenziell ist! Zahnärzte müssen begreifen, dass das, was sie machen bzw. einsetzen, in der Regel nicht von ihnen selbst, sondern vom Zahntechniker kommt – obwohl ihnen der gesamte „Ruhm“ zufällt. Dementsprechend fehlt die Wertschätzung vonseiten des Behandlers, aber auch vonseiten der Patienten. Uns war es deshalb wichtig, dass der Patient auch den Zahntechniker zu Gesicht bekommt und damit die Arbeit hinter einer Prothese oder Brücke versteht und diese Arbeit auch wertschätzen kann.

Mit welchen Maßnahmen setzen Sie dieses Konzept – freier Geist durch freie und schöne Räume – um? Was braucht es dafür?

Schuh: Mit Praxis und Labor versuchen wir ein anderes – für viele vielleicht auch noch ungewöhnliches – Konzept eines Wohlfühlklimas umzusetzen. Unser Labor ist ein großer loftähnlicher Raum, der eher wie ein Wohnzimmer mit Sofa, gemütlichen Sitzecken und einer großen Küche eingerichtet ist. Es gibt nur einen einzigen Raum, der mit einer Glaswand vom restlichen Labor abgetrennt ist: der Patientenraum. Natürlich gibt es auch Arbeitsbereiche, aber die sind vor allem großzügig geschnitten und in das Designkonzept eingebunden. Bei uns finden sich – sowohl im Labor als auch Praxisbereich – keine sterilen Räume und es riecht auch nicht direkt nach Zahnarzt. Wir haben versucht, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle Beteiligten gleichermaßen wohlfühlen, sodass weder Hektik noch Unruhe auf die Patienten übertragen wird. Aus diesem Grund haben wir uns auf eine natürliche Lichtgestaltung, angenehme und warme Farben sowie Naturelemente konzentriert. So findet sich im dritten Stock beispielsweise eine Moos- und Blätterwand mit einer Schaukel – diese hat mit den Assoziationen zur Natur sowie der beruhigenden Schaukelbewegung gleich zwei entspannende Effekte. Wir haben ein einheitliches (Design-)Konzept für Labor und Praxis genutzt, das einen wirklichen Wiedererkennungswert hat. Allerdings beschränken wir uns dabei nicht nur auf unsere Räume, sondern auch auf unsere Kleidung und unser Miteinander. In allen Bereichen steht bei uns ein entspanntes Arbeiten im Fokus.

Die Nähe zwischen Labor und Praxis hat wahrscheinlich entscheidende Vorteile. Wie gestaltet sich der gemeinsame Workflow? Wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen?

Schuh: Alle Zahntechniker und Zahnärzte kennen es: Die Zusammenarbeit kann sich mitunter schwierig gestalten. Der Zahntechniker meckert über die Unterlagen des Zahnarztes oder nicht passende Abdrücke und beim Zahnarzt fehlt die Wertschätzung für die hergestellten Produkte, oder er ist mit Produkten unzufrieden, weil diese nicht passen. Gerade für Letzteres kann der Techniker aber nur in den wenigsten Fällen etwas. Um vor allem diese Wertschätzung auf allen Seiten erreichen zu können, haben wir uns viele Gedanken über unseren idealen Workflow gemacht. Wurde die Notwendigkeit des Einsatzes eines Implantats oder Ähnlichen festgestellt, wird die „Patientenreise“ größtenteils durch unsere Zahntechniker gestaltet. Gerade für den ersten Kontakt nimmt man sich dabei aber leider oft zu wenig Zeit, deshalb setzen wir in der Betreuung auf das Motto „Delivering Happiness“ und widmen uns ganz ihren Wünschen. Patienten haben in der Regel weniger Angst vor den Technikern als vor mir als Zahnarzt und sind damit zum einen ruhiger und reden offener über ihre ästhetischen und technischen Wünsche. Nur wenn wir richtig zuhören, können wir mit den „paar Zähnen“ unsere Patienten glücklich machen, deshalb ist es unser höchstes Ziel, gute Ergebnisse zu erzielen. Für unseren gesamten Workflow ist das essenzielle Thema dementsprechend Kommunikation – und das mit allen Beteiligten: Zahnarzt, Zahntechniker, Patient, zahnmedizinisches Fachpersonal oder auch mit unseren Mitarbeitern aus der Verwaltung. Nur dann kann es funktionieren!

Birinci: Aus zahntechnischer Perspektive schätze ich dabei vor allem die Nähe zum Patienten – das ist wohl auch ein entscheidender Faktor, warum unser Konzept so erfolgreich ist. Als Techniker sind wir bei den Anpassungen sowie beim ersten Anschauen live dabei und sehen so die Reaktionen der Patienten. So bin ich bei jedem Schritt dabei und höre nicht nur, wenn etwas nicht passt. Das ist natürlich eine große Wertschätzung für mein Handwerk. Durch die enge Zusammenarbeit habe ich aber auch viel über die medizinische Perspektive gelernt, was auch ein Wertschätzungszuwachs für die Arbeit des Zahnarztes ist. Wie viele Zahntechniker stehen schon mal mit im OP oder wissen über mögliche Komplikationen Bescheid. Nur Kritik zwischen den beiden Berufsfelder bringt nichts, wir müssen entspannt miteinander arbeiten. Entspanntes Miteinander führt entspannt zu guten Ergebnissen – das hat bei uns bisher immer gut funktioniert.

Was war Ihnen bei der Gestaltung der Räumlichkeiten wichtig?

Birinci: Auch wenn wir bereits vor dem Entstehen unseres Klinik-Labor-Konzeptes schon erste Ideen und eine Vorstellung hatten, wie es nachher bei uns aussehen soll, haben wir eng mit einem auf Medizin spezialisierten Innenarchitekten zusammengearbeitet. Dieser hat anhand unserer Vorgaben ein Konzept entwickelt: Uns war vor allem wichtig, nicht dem typischen Bild einer Praxis oder eines Labors zu entsprechen. Vielmehr sollte es eine entspannte Umgebung sein, in der sich Patienten wohlfühlen, die aber trotzdem die nötige Seriosität ausstrahlt. Die Qualität unserer Arbeit sollte durch das Design unterstrichen und nicht in den Schatten gestellt werden. Diesen Eindruck wollten wir vor allem bei unseren Patienten vermeiden. Wir haben uns bewusst von alten Vorstellungen gelöst – nur wer innovativ denkt, kann auch innovativ arbeiten. Für uns fängt das schon bei der Gestaltung der Räume an! Wir haben uns deshalb für eine sehr minimalistische Einrichtung entschieden: wenig Schränke, wenig Staumöglichkeiten und ein offenes Konzept. Die Räume sollen uns in gewisser Weise zwingen, neue Wege zu gehen, und trotzdem funktional sein. Gerade von dem offenen Konzept sind unsere Patienten besonders angetan, denn sie sind auch trotz aller Offenheit erstaunlich ruhig.

Welchen Einfluss hat die Thematik Laboreinrichtung auf die Nachwuchsproblematik?

Birinci: Ich denke, einen sehr großen. Besonders junge Zahntechniker wollen nicht nur moderne Techniken nutzen, sondern auch in modernen Räumlichkeiten arbeiten. Deshalb haben wir uns die Frage gestellt: Wie richten wir unser Labor ein – gerade auch mit Blick auf das neue Zeitalter der Digitalen Zahntechnik? Die Branche ist im Wandel und daran müssen wir uns anpassen. Der Nachwuchs lässt sich – auch wenn sich diese Techniken bewährt haben – nicht mehr mit Wachsmesser und Gasbrenner gewinnen. Analoge Techniken sollen und werden zwar nicht aussterben, bleibt das Arbeitsumfeld aber vollkommen analog, wird es sehr schwer, weiter Nachwuchs zu gewinnen. Damit ist die moderne Einrichtung des Arbeitsplatzes ein essenzieller Faktor zur Bekämpfung der Nachwuchsproblematik.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Birinci: Ich denke vor allem auf die Freiheiten, die uns unser Konzept – sowohl optisch als auch in unserem Miteinander – bietet. Als Angestellter schätze ich vor allem das Vertrauen und den direkten Austausch mit meinen Kollegen. Ich freue mich auf die Zukunft und bin gespannt, was noch alles auf uns zukommen wird.Schuh: Als Unternehmer bin ich stolz auf jeden Einzelnen in meinem Team und den Weg, den wir bisher zusammen gegangen sind. Ein essenzieller Faktor ist Vertrauen, das sich vor allem in der Wertschätzung untereinander widerspiegelt. Unser entspanntes Miteinander sowie unser Design haben bereits zu vielen Initiativbewerbungen in allen Fachbereichen geführt. Das ist natürlich für uns als Unternehmen auch eine deutliche Wertschätzung von außen.

Dieser Beitrag ist in der aktuellen ZWL Zahnarzt Wirtschaft Labor erschienen.

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