Marketing 21.02.2011
Praxismarketing ist mehr als Werbung im Supermarkt
Eigentlich wäre es an der Zeit, einen neuen Begriff für Arztkunden einzuführen. Denn das Wort Patient, lateinisch für „der Erduldende“, greift nicht mehr: Vorbei die Zeit, als Wächterinnen am Empfang über das Terminbuch herrschten, als das Wartezimmer einer Bahnhofsmission mit Teppichboden glich, als Patienten stundenlang und ohne Murren auf den Herrn Doktor warteten.
Der emanzipierte Patient fordert: 63 Prozent der Deutschen, so das Ergebnis einer Studie aus 2008 (Internisten im Netz), möchten vor einem Arztbesuch nähere Informationen zur Praxis, zu Fachkenntnissen und Spezialisierungen einholen.
Über die Facetten modernen Praxismarketings im Zeitalter einer neuen Patientensouveränität – und gleich vorab der Tipp: Erfolgreiche Gesundheitsdienstleister überzeugen ihre Patienten und profitieren so von der Hebelwirkung des Empfehlungsgeschäftes.
Professionelles Praxismarketing – ohne Risiken und Nebenwirkungen
Doch der Reihe nach: Professionelles Praxismarketing hat viele Gesichter. Eines davon ist klassische Werbung. Da niedergelassene Ärzte freie Unternehmer sind und sich als solche im steigenden Wettbewerb behaupten müssen, liegt das Schalten von Werbung nahe. Durch die Lockerung des strengen Werbeverbotes vor einigen Jahren ist dies gestattet, sofern die Werbung nach Maßgabe der ärztlichen Berufsordnungen nicht anpreisend, irreführend, herabsetzend oder vergleichend ist. Besonders auffällige Werbung auf Trikots, Plakatwänden, Fahrzeugen ist davon ebenso ausgenommen wie Eigenmarketing über Postwurfsendungen oder das Telefon. Wird die Werbeanzeige dagegen auf dem Einkaufswagen eines Supermarktes platziert, ist sie gestattet, wie aus einem Urteil des Verwaltungsgerichtes Minden (7 K 39/08 vom 14.01.2009) hervorgeht: „Die Werbung für eine Zahnarztpraxis auf dem Werbeträger Einkaufswagen ist für sich genommen allein aufgrund der Wahl des Werbeträgers nicht generell geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die berufliche Integrität des werbenden Zahnarztes zu schmälern“, heißt es in der Begründung.
Doch erlauben Sie mir die Frage: Welche Zielgruppe will ein niedergelassener Arzt erreichen, der seine Praxisdaten inklusive eines 1A-strahlenden Lächelns auf zehn Einkaufswagen anbringen lässt? Sollen junge Mütter, die – mit einem Kleinkind bepackt – von Wirsing zu Windeln eilen, im Unterbewusstsein für eine professionelle Zahnreinigung gewonnen werden? Oder besteht die Chance, dass es bei dieser Art von Kommunikationseifer nach dem Gießkannen-Prinzip auch den ein oder anderen Privatversicherten trifft? Sie können es selbst herausfinden, in Berlin sind Sie zum Beispiel ab 150 Euro im Monat dabei (inkl. Gestaltung und Druck, doppelseitiges Schild auf zehn Einkaufswagen). Doch eine zielgruppenorientierte und punktuell eingesetzte Selbstdarstellung nach Maß bringt vermutlich mehr für das Image.
Auch ein ansprechendes Corporate Design, das die „Praxispersönlichkeit“, also das individuelle Erscheinungsbild der Praxis und seiner Mitarbeiter, darstellt, zahlt positiv auf das Praxisimage ein: Einheitliche Farbgebung, Schriftart und Logo in Räumen und auf Praxisleitsystemen, auf Visitenkarten, Glückwunschkarten oder Kleidung sichern einen hohen Wiedererkennungswert, wirken professionell und modern.
Schon ab 4.000 Euro ist eine komplette und individuell gestaltete Praxisausstattung zu haben. Ausgehängte Zertifizierungen, eine informative Praxis-Homepage und wohldosierte IGeL-Informationen – zum Beispiel über multimediale Präsentationen oder hochwertige Prospekte (nicht: kopierte Handzettel) – zeugen von Kompetenz und schaffen ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis. Allerdings funktionieren alle selbstdarstellenden Maßnahmen nur, wenn durch Zielanalyse im Vorfeld ein individuelles Praxisprofil etabliert wurde und das ganze Team dieses aktiv mit trägt. Eine überzeugende und nachhaltige Praxispräsentation hört nicht am überdimensionalen Eingangsschild auf, sondern zieht sich als durchgängiger Kommunikationsstil über das Wartezimmer bis hin zur Terminerinnerung. Bei unglaubwürdigen Verkaufsabsichten, Pharma-Werbetafeln oder Image-Overload verhält sich der emanzipierte Patient nämlich wie beim abendlichen Fernsehprogramm: Er „zappt“ weiter – im besten Fall unbeeinflusst.
Erfolgreiche Gesundheitsdienstleister – positive Mundpropaganda
Das Orchester der Marketing-Instrumente reicht aber noch weiter. Um neue Patienten zu gewinnen, Imagepflege zu betreiben und Bestands-„Kunden“ zu binden, ist die Positionierung als Gesundheitsdienstleister hilfreich: Die Vernetzung mit anderen Ärzten, ein Tag der offenen Tür, Sponsoring ausgewählter Veranstaltungen oder gezielte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Kann ein Journalist bei speziellen Gesundheitsthemen auf den Expertenrat eines Mediziners zurückgreifen oder verfasst dieser eigene Themen als Gastautor auf Gesundheitsportalen im Internet, so profitieren beide Seiten. Das ist weit entfernt von der wenig vertrauenserweckenden, dafür sicherlich gut bezahlten Produktwerbung als „Mietmaul“. Doch liegt nicht die Einbeziehung der eigenen Patienten am nächsten? Mit ihrer (positiven!) Meinung sind sie die stärksten Werbeträger und versprechen die größten Multiplikatoren-Effekte in Zeiten des viralen Marketings. Sicher kennen Sie auch den Ausspruch: „Eine positive Erfahrung erzählt man zwei Leuten, eine negative dagegen 20.“ Doch das ist falsch, wie Dr. Martin Oetting, Gesellschafter und
Leiter Forschung bei der Marketingplattform trnd, herausfand.
In seiner Studie erinnerten sich 89 Prozent der Befragten spontan an positive Mundpropaganda, nur sieben Prozent behielten negative im Gedächtnis. Auch bei der Verbreitung zeigten sich kaum Unterschiede: Ein sehr negatives Erlebnis wurde im Mittel an 8,25 Personen weitergetragen, ein sehr positives an 7,44 Personen. Dr. Oetting schließt daraus, dass Konsumenten und Kunden überhaupt nicht an negativer Kommunikation interessiert sind, es gibt also keinen Grund, vor der aktiven Arbeit mit Mundpropaganda zurückzuschrecken. Doch kann man diese Ergebnisse auch auf Ärzte übertragen? Sein Tipp: „Einen zufriedenen Patienten kann man durchaus zur Weiterempfehlung einladen – am besten, indem man es ihm leicht macht, Informationen zum Arzt an andere weiterzugeben. Die freundliche Aufforderung, einfach ein paar mehr Visitenkarten mitzunehmen, kann schon reichen. Wer einen Schritt weitergehen will, kann ein kleines unerwartetes Geschenk machen. So macht es der Malermeister Deck aus Karlsruhe - der hinterlässt in fertig gestrichenen Wohnungen einen kleinen Teddybär an einem ungewöhnlichen Ort. Was vielleicht skurril erscheint, erfreut und überrascht die Kundschaft und regt Gespräche an.“
Wir möchten Ihnen an dieser Stelle dringend abraten, Teddybären in den Wohnungen Ihrer Patienten zu verteilen, um im Gespräch zu bleiben! Aber wie wäre es zum Beispiel mit Eiswürfeln in Gebissform für erlesene Kunden? Oder als preisbewusste Variante Zahnseidenspender in Zahnform, praktisch für unterwegs am Schlüsselringhalter? Tipp: Eine 4er-Eiswürfelform aus Silikon kostet rund 8 Euro inkl. Mehrwertsteuer, gesehen bei tomwet.de. Bei Zahnseide ist die Auswahl an Werbeartikeln groß, 100 der oben erwähnten Zahnseidenspender in Zahnform am Schlüsselring sind für einen Stückpreis von 0,65 Euro zu haben.
Doch warum sind die Vorbehalte gegen aktives Empfehlungsmarketing noch immer groß, vor allem gegen reichweitenstarkes Empfehlungsmarketing in Online-Arztverzeichnissen? Natürlich sind zufriedene Patienten die Basis für positive Mundpropaganda und virales Marketing, doch darauf kann sehr wohl Einfluss genommen werden – durch motivierte und geschulte Mitarbeiter, moderne Behandlungsräume und ein reibungsloses Terminmanagement. Auch eine Umfrage unter Patienten ist eine gute Gelegenheit, die Kundenbindung zu festigen („Kümmerer-Effekt“) und Verbesserungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Und unbestritten bietet das „WorldWideWartezimmer“ gerade bei der Gewinnung der rasant steigenden Anzahl souveräner Patienten ein unermessliches Potenzial! Denn hierüber können Erscheinungsbild und Praxisprofil – auch visuell! – einem großen Nutzerkreis zugänglich gemacht werden. Ganz nebenbei wird das Praxisteam entlastet, da Anfahrtsweg oder Öffnungszeiten online zu finden sind. Eine Praxis-Homepage oder der ausführliche Eintrag in einem Online-Arztverzeichnis tragen nun mal der eingangs erwähnten Studie Rechnung, in dem sie gesuchte Informationen zu Praxis, Fachkenntnissen und Spezialisierungen auf einen Klick darstellen. Übrigens: Ihre persönliche Visitenkarte im Netz, beispielsweise in einem Online-Arztverzeichnis, kostet im Monat zwischen 20 und 50 Euro. Erinnern Sie sich noch an den Einkaufswagen …?!
Autor: Marion Schmitt