Marketing 06.07.2016
Was Patienten wollen: Beratungsqualität statt -quantität
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Teil 1 – Über die Wichtigkeit und Besonderheiten von Beratung und Aufklärung als Teil eines gelungenen Praxismarketings.
Marketing ist eine Orientierung am Kunden als Firmenpolitik. Wünsche, Vorstellungen und Ansprüche der Kunden werden erfasst und im Sinne der Firma umgesetzt. Praxismarketing ist im Grunde nichts anderes, nur hier gibt es keine Kunden, sondern Patienten. Dies ist ein wichtiger Unterschied, der noch immer in den Praxen gedanklich angewendet wird. Zwischen dem Begriff „Kunde“ und „Patient“ bestehen große Unterschiede. Ein Kunde hat die Wahl, Leistungen eines Unternehmens zu nutzen. Er orientiert sich an seinen Bedürfnissen und an den Angeboten am Markt. Diese werden verglichen und das subjektiv beste Ergebnis wird genutzt. Bei Patienten gibt es immer noch vereinzelt die Auffassung, dass hier ganz andere Gründe vorliegen. Es besteht der Glaube, dass Patienten die Praxis aufsuchen müssen und auf die Leistungen des Zahnarztes angewiesen sind. In einigen Fällen trifft das auch zu. Patienten suchen eine Praxis nicht immer aus freien Stücken auf, sie haben Beschwerden oder benötigen eine Behandlung. Dennoch sind Patienten auch als Kunden in der Praxis anzusehen, denn sie sollen langfristig an die Praxis gebunden werden. Marketing setzt genau dort an und bewirkt Umstände, die für den Patienten ausschlaggebend sind, langfristig in der Praxis zu bleiben. Treue Patienten sind daher ein wichtiger Grund, über Marketing in der Praxis nachzudenken.
Zunächst stellt sich die Frage, was Patienten wollen
Warum sind Patienten langfristige Kunden der Praxis und warum wechseln sie den Behandler?
In vielen Fällen stehen zunächst ganz einfache Gründe an. Patienten möchten eine angenehme Atmosphäre, der Wohlfühlcharakter ist hier ganz wichtig. Behandlungsqualität wird unter den Aspekten des Patienten bewertet und nicht nach den Ansprüchen des Zahnarztes. Weitere Gründe sind eine möglichst schmerzarme und schonende Behandlung. Auch dies ist für Patienten ein wichtiger Grund, in der Praxis zu bleiben. Ästhetische und kosmetische Gründe kommen noch hinzu. In der modernen Zahnheilkunde können diese Maßstäbe berücksichtigt und dem Patienten ein gutes Leistungsspektrum angeboten werden. Viele Behandler haben auch selbst diese Maßgaben als wichtiges Behandlungskriterium. Ästhetisch hochwertige und schonende Therapien gehören heute zum wichtigen Standard in den Leistungsspektren der Praxen. Für Patienten gibt es jedoch noch mehr Gründe, den Zahnarzt auszuwählen. Im besonderen Fokus steht hier die Beratung. Je besser die Beratung ist, umso verständiger sind die Patienten und können Entscheidungen treffen. Eine Entscheidung für oder gegen eine Behandlung kann nur getroffen werden, wenn der Patient nicht nur die bedeutsamen Kriterien kennt, sondern diese auch versteht. Dies ist Voraussetzung für eine korrekte Behandlungszustimmung.
Beratung und Zeit zur Aufklärung ist somit die Grundvoraussetzung für alle Entscheidungen und Verträge mit dem Patienten. Dies wird oft unterschätzt. Die schlimme Konsequenz ist eine gerichtliche Auseinandersetzung. In diesem Zusammenhang wird oft die Beratungsqualität durchleuchtet. Viele Patienten bemängeln die Beratung, weil sie die Inhalte nicht verstehen, die Risiken nicht genügend benannt wurden und die Prognose nicht eindeutig kommuniziert wurde. Die Patienten geben an, dass sie sich gegen die Therapie entschieden hätten, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, was auf sie zukommt. Andere Patienten gaben an, dass sie mit zu viel Informationen quasi überschüttet wurden und am Ende nicht mehr genau wussten, worum es im Einzelnen ging. Es ist also zu verzeichnen, dass zwischen Beratungsqualität und Beratungsquantität große Unterschiede bestehen.
Für den Zahnarzt und die Praxis eine Gratwanderung, denn das richtige Maß gibt es leider nicht. Wenn es um das Thema Beratung und Aufklärung geht, sind viele Zahnärzte überfordert.
Was sollen Sie sagen, wie viel und in welchem Umfang? Was muss der Patient wissen und was kann an Informationen weggelassen werden?
Auch bei Zahnärzten gibt es die Auffassung, dass die meisten Patienten nicht so viel Informationen möchten und mit den Beratungen ebenfalls überfordert sind. Beiden Seiten gerecht zu werden, ist schwierig, denn nicht jeder Patient ist gleich, nicht jede Beratung kann nach dem gleichen Muster erfolgen. Es ist also an der Zeit, sich mit der Beratung und Aufklärung aktiv auseinanderzusetzen und einen praxisindividuellen Weg zu finden. Die Fakten sprechen für sich, Patienten wünschen sich eine verständliche und gute Aufklärung. Sie wollen beraten und informiert werden. Patienten wollen aber auch aktiv an der Behandlung teilhaben und mitentscheiden. All diese Grundlagen müssen in der Praxis als Grundlage umgesetzt werden. Auf der anderen Seite steht der Gesetzgeber, der diese Problematik erkannt hat und nun per Gesetz eine Aufklärung und Beratung festgelegt hat. Die Rechte des Patienten als medizinischen Laien sollen gestärkt werden. Der Hintergrund war die Bemängelung der Patienten über die oft unzureichende Aufklärung und Beratung. Der Gesetzgeber hat dies aufgegriffen und im Patientenrechtegesetz die wichtigsten Punkte verankert.
Das Patientenrechtegesetz als Grundlage für die Beratung und Aufklärung
Im Jahr 2013 wurde das Patientenrechtegesetz im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) neu überarbeitet. Wesentliche Inhalte dienen der Stärkung des Patienten und der Verbesserung der Grundlagen für eine Behandlungszustimmung. Das BGB Buch II mit den Inhalten § 630a – h regelt nun die wichtigsten Inhalte:
- §630a Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag
- §630b Anwendbare Vorschriften
- §630c Mitwirkung der Vertragsparteien; Informationspflichten
- §630d Einwilligung
- §630e Aufklärungspflichten
- §630f Dokumentation der Behandlung
- §630g Einsichtnahme in die Patientenakte
- §630h Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler
Für die Aufklärung und Beratung wird im § 630e detailliert auf die Pflichten eingegangen. Dieser Paragraf legt fest, wie der Gesetzgeber den Umfang vorgibt, wer aufklärt und wie mit der Aufklärung verfahren werden muss. Der Gesetzgeber gibt Ihnen ein wichtiges Marketinginstrument an die Hand. Diese Inhalte können für Ihre eigene Beratungsquali- tät genutzt werden. Der § 630e beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Aufklärung.
Wer führt die Aufklärung durch?
Die Aufklärung erfolgt durch den „… Behandelnden oder durch eine Person, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt …“. Somit wird klar, dass hier eine ärztliche Leistung vorliegt, die nicht an Mitarbeiter ohne Approbation delegierbar ist. Der Patient muss von einem Behandler oder einer Person aufgeklärt werden, die diese Tätigkeit oder Behandlung aufgrund ihrer Ausbildung ausführen darf. Diagnostiken, Befunde, Risiken usw. sind nicht durch Mitarbeiter ohne Approbation zu erstellen bzw. zu bestimmen.
Was sollen Sie sagen, wie viel und in welchem Umfang?
Der Gesetzgeber verlangt eine verständliche Aufklärung. Es müssen alle Umstände mitgeteilt werden. Wesentliche Inhalte sind:
- Art, Umfang, Durchführung;
- zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme;
- ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie;
- Alternativen zur Maßnahme, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen.
Die Aufklärung beruht also nicht nur auf Diagnostik und Therapie, sondern auch auf Umfang, Risiken und die Alternativen. Grundlage können Patientenunterlagen sein, die dem Patienten die Diagnostik darlegen.
Was muss der Patient wissen?
Um das Gesetz umzusetzen, eignet sich folgende Checkliste:
- Diagnostik und Indikation zur Therapie
- Therapie mit Hinblick auf Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten
- Alternativtherapie mit Hinblick auf Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten
- Folgen und Risiken der Therapie
- Prognose und Erfolgsaussichten
- Misserfolge
- Folgen der Unterlassung der Therapie
Als besondere Nebenpflicht besteht noch die Aufklärung über die Kosten.
Teil 2 des Artikels erscheint in der PN 3/2016.