Patienten 27.06.2022
Rot ist nicht blau, ist nicht orange, ist nicht gelb ... Jedenfalls meistens
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Individuell geeignete und passende Hilfsmittel für die Patienten auszuwählen, ist für eine gründliche häusliche Mundhygiene unerlässlich. Das klingt einfach, kann aber einige Tücken mit sich bringen, derer man sich bewusst sein sollte.
In einer Praxis trat folgender Fall ein
Eine Patientin kommt zur PZR. Sie zeigt eine gute Mundhygiene, ist motiviert und nutzt täglich Zahnseide. Wegen der gut zugänglichen Zwischenräume wurden ihr Interdentalbürsten (IDB) in den Farben Pink und Rot empfohlen. Bei der nächsten PZR erwähnt die Patientin, dass die Interdentalreinigung mit Bürsten zu Hause nicht so gut klappt wie in der Praxis. Es folgen Aufklärung, Motivationsgespräch und gemeinsame Übung. Weitere sechs Monate später zeigen sich Rezessionen an mehreren Stellen.
Was war das Ergebnis?
An den Stellen, an denen die Patientin die roten IDB nutzt, erscheinen die Zwischenräume größer als vor einem Jahr. Die Patientin beklagt die „schwarzen Dreiecke“. Als Befund wird Grad I des Papillenindex nach Tarnow 1 dokumentiert. Was war der Grund? Es stellte sich heraus, dass die Patientin zu Hause IDB eines Herstellers verwendet, dessen rote IDB größer sind als die roten, die in der Praxis verwendet werden. Weil die Zuordnung der Farbcodes zu den ISO Größen bzw. PHD nicht bei allen Marken identisch ist, birgt die Farbe als alleiniges Kriterium bei der Größenauswahl Potenzial für Fehler beim Einkauf, d. h. für Patienten kann es schwierig sein, die richtige Größe zu wählen.
Lösung für die Praxis
Das Team entschied sich dazu, Patienten zukünftig über dieses Risiko aufzuklären und die Empfehlungen schriftlich mitzugeben, damit Patienten so sicher wie möglich die Zahnzwischenraumreinigung zu Hause durchführen können. Der geschilderte Fall ist ein klassisches Missverständnis. Es meinen beide das Gleiche, und jeder hat auch das vermeintlich Richtige getan. Man ist geneigt, es als Einzelfall abzutun. Allerdings zeigt dieser Fall auch sehr eindrücklich, wie wichtig die gelegentliche Überprüfung der Putzgewohnheiten in der Praxis ist.
PZR ist mehr als mechanische Zahnreinigung
Umso wichtiger ist es, in den Recalls nicht nur die klinische Zahnreinigung durchzuführen, sondern mit den Patienten ins Gespräch zu kommen. Ein wesentlicher Punkt ist es, herauszufinden, wie der Patient die häusliche Mundhygiene umsetzt. Denn nur so fallen falsche Gewohnheiten auf und können verändert werden. Schließlich sind Zahnärzte und ihr Fachpersonal die Schlüsselpersonen in der Prophylaxe und geben den Patienten wertvolle Dinge für ihre Zahnpflege mit auf den Weg. Eine Auswahl zentraler Punkte, die zu beachten sind, werden hier zusammengefasst:
- IDB sind (ihre atraumatische Verwendung vorausgesetzt) für die Zwischenraumreinigung das beste Hilfsmittel, weil sie am gründlichsten Zahnbelag entfernen und Gingivitis vorbeugen können.2,3 Die Größenauswahl sollte nicht nur individuell erfolgen, sondern es sollte auch regelmäßig geprüft wer den, ob die Größen noch aktuell sind.
- Bei der Größenauswahl der IDB ist es optimal, wenn ein leichter Widerstand zu spüren ist. Jedoch: Jeder Patient ist anders – was für den einen ein leichter Widerstand ist, ist für den anderen ein großer und für noch jemand anderen gar keiner (wie z. B. bei der Patientin in dem o. g. Fallbeispiel). Daher sollte der Patient im besten Fall noch in der Praxis die Anwendung der IDB demonstrieren. Darüber hinaus gibt es mit einer Küchenwaage ein recht einfaches Mittel, den Widerstand zu objektivieren: Der empfohlene Druck von 50 Gramm kann mit den Arbeitsenden unterschiedlicher IDB Größen auf einer Waage aus probiert werden. Diesen Tipp können Patienten auch zu Hause austesten.
- Bei empfindlichem Zahnfleisch oder sensiblen Zahnhälsen eignen sich oftmals die soften Varianten der IDB.
- Nicht unter allen Umständen sind IDB die richtige Wahl. Wenn die Zwischenräume eng sind und auch die kleinste IDB nicht passt, dann kann den Patienten beispielsweise der Griff zur Zahnseide empfohlen werden.
- Wann verwendet der Patient die IDB? Sie sollten vor dem Zähneputzen und ohne Zahncreme genutzt werden, da die abrasiven Inhaltsstoffe den empfindlichen Zwischenraum auf Dauer verletzen können. Außerdem können die Wirkstoffe der Zahncreme beim an schließenden Zähneputzen sehr gut in den dann sauberen Zwischenraum ge langen und dort auf Zähne und Gingiva einwirken.
- Was macht der Patient mit seinem Zahnersatz? Hilft es, ihn vor der Reinigung zu entfernen, oder ist es sinnvoll, ihn im Mund zu belassen, z. B. weil er als Führung dient? Es lohnt sich, mit dem Patienten darüber zu sprechen und sich die Anwendung zeigen zu lassen.
- Hat der Patient eine Putzsystematik? Wenn ja, sollte diese ebenfalls in der Praxis gezeigt und besprochen werden. Studien lassen vermuten, dass beim Putzen die Systematik wichtiger ist als die Technik.4 Und für die Zwischenräume gilt natürlich auch: Jeder Zwischenraum muss gereinigt werden. Macht der Patient das oder hat er womöglich „Lieblingszwischenräume“ oder welche, die er stiefmütterlich behandelt, weil sie z. B. schwierig zu erreichen sind oder es an dieser Stelle immer ein bisschen zwickt oder blutet? Auch hier lohnt sich das Nachhaken.
- Patienten können gebeten werden, ihre heimischen Hilfsmittel mitzubringen. Das könnte viele Worte und damit Zeit sparen, da anhand der verwendeten Produkte erklärt werden kann, was warum gut oder schlecht funktioniert.
Fragen, zuhören, erklären lassen
Hilfreich für das Gespräch mit dem Patienten ist die Teach Back Methode.5 Teach Back (sinngemäß: das Gelernte widergeben) ist eine anerkannte und geprüfte Methode, bei der Patienten aktiv einbezogen werden. Das Ziel ist, sicherzustellen, dass die wesentlichen Botschaften eines Gesprächs vom Patienten auch wirklich verstanden werden. Das lässt sich z. B. durch die einfache Frage: „Und wie machen Sie das ab morgen zu Hause?“ herausfinden, weil dann der Patient in eigenen Worten erklärt, was er verstanden hat. Für Behandler ist das wiederum eine tolle Kontrolle, denn diese Methode lässt sich ohne viel Aufwand und relativ einfach erlernen.
In dem eingangs erwähnten Fall wäre es übrigens die beste Maßnahme, wenn alle Hersteller ihr Farbschema vereinheitlichen würden. Sogar Normierungsbestrebungen, wie bei den ISO Größen, wären denkbar. Denn dann wären Verwechslungen nahezu unmöglich. Solange dies jedoch nicht der Fall ist, bleibt nur die Aufklärung der Patienten über Farben, ISO Größen und Durchmesser, um solche Fälle zu vermeiden. Das Gespräch mit dem Patienten bleibt also nach wie vor das höchste Gut.
Literatur kann in der Redaktion unter dz-redaktion@oemus-media.de angefordert werden.
Dieser Artikel ist in der DZ Dentalzeitung 3/22 erschienen.
Weitere Autoren: Marina Pommée (M.Sc.),