Personalmanagement 30.10.2024
Ich habe aber recht! Konfliktlösung im Team
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Es ist Alltag in vielen Teams: Zwei oder mehrere Mitarbeiter streiten sich. Die Anlässe können ganz unterschiedlich sein, aber die Auswirkungen sind massiv: Irgendwann werden die Streits lauter geführt, es bilden sich Grüppchen im Team, Fehlzeiten können zunehmen und alle wirken hilflos. Oft fragt sich die Praxisleitung: Soll ich einschreiten? Und wenn ja – wie kann ich mich zum langfristigen Nutzen aller verhalten?
Hurra – ein Konflikt!
Viele Mitarbeiter scheuen sich vor Konflikten, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass sie von der Praxisleitung resp. der Führungskraft allein gelassen wurden. Oft haben sie sich für Praxisbelange oder Praxisregeln eingesetzt und einen Streit mit einer Kollegin darüber geführt, aber keine Unterstützung hierfür erhalten. So deren Sicht. Oder sie haben sich ungerecht behandelt gefühlt und denken nun: „Wenn ich etwas sage, dann kann ich meine Bedürfnisse eh nicht umsetzen. Es führt zu nichts.“ Oft sind es auch Führungskräfte, die denken: „Ein Konflikt ist etwas Schlechtes, und das will ich nicht in meinem Team.“
Als Einstieg in die Betrachtung dieses Themas hilft dieser Gedanke: Konflikte sind normaler Bestandteil im Alltag von Menschen. Wo zusammen an einem Ziel gearbeitet, Zeit und Raum geteilt werden, da entsteht Nähe. Man muss sich absprechen, hat viele Berührungspunkte mit anderen, muss konträre Sicht- und Verhaltensweisen aushalten, Kompromisse finden und sich selbst treu bleiben. Wer dann noch einen hohen Anspruch an sich und an die eigene Arbeit hat, der setzt sich auch dafür ein. Alles zeigt, dass es um Emotionen geht, um Bedürfnisse und Ansprüche. Entscheidend ist der Umgang mit diesen Emotionen: Wer als Team oder Praxisleitung weiß, wie man mit Konflikten umgeht, wie man miteinander redet und zu neuen Lösungen kommt, der sieht Konflikte als Chance an. Wir kennen es alle: Die Bedeutung von Beziehungen zwischen Menschen entscheidet sich darin, wie man miteinander streitet und Lösungen aushandelt. Erst wenn man eine richtige Streitkultur hat, dann ist eine Beziehung stabil und kann sich weiterentwickeln. Wer also als Individuum in einem Team Konflikte austragen kann, der ist auch teamfähig.
Um was geht es eigentlich?
Anlässe für Streits in Praxen gibt es viele. Die Kunst besteht darin, die wirklichen Anlässe herauszufinden. Oft sind es strukturelle Gründe: Vielleicht fehlen klare Regeln bei den Abläufen, sodass es hierüber unterschiedliche Auffassungen gibt (z. B. was freitags in welchem Zimmer gemacht werden muss). Oder Mitarbeiter versuchen ihre eigenen Bedürfnisse durchzusetzen (z. B. bei der Urlaubsplanung) und andere fühlen sich dadurch in ihren Bedürfnissen verletzt. Vielleicht haben Mitarbeiter unterschiedliche Auffassungen, was das Verhalten – bspw. gegenüber Patienten – angeht. Oder sie fühlen sich vom Ton, vom Verhalten einer Kollegin angegriffen. Die Liste würde sich noch fortsetzen lassen.
Entwicklung von Konflikten
Je länger Streits oder Konflikte dauern, desto verletzter sind die Beteiligten. Im Laufe der Zeit nehmen sie dann immer weniger die Bedürfnisse, Sichtweisen oder die positiven Verhaltensweisen des anderen und die eigenen negativen Verhaltensweisen wahr. Immer deutlicher werden dagegen die eigenen Sicht- und positiven Verhaltensweisen sowie die negativen Verhaltensweisen des anderen erkannt. Man vergisst die eigenen Beiträge zum Konflikt regelrecht. Die negativen Verhaltensweisen des anderen werden als Begründung für die eigene Sichtweise, das eigene Verhalten genommen. Ein Teufelskreis beginnt. Irgendwann können auch andere einbezogen werden: Dann hat einer der Beteiligten das Bedürfnis, sich bei Kollegen zu versichern oder sich dort Unterstützung zu holen. Diese Kollegen wiederum können sich nur schwer heraushalten – besonders wenn es ein Freund ist, der die eigene Sicht erzählt. Wer kann in so einer Situation schon sagen: „Du, ich kann verstehen, dass du wütend bist. Aber das, was du erzählst, ist nur deine Sicht auf die Dinge. Hast du mal überlegt, wie es dem Kollegen geht? Warum er dies getan oder gesagt hat? Was dein Beitrag dazu war? Hast du eine Idee, wie du ihm helfen kannst, was du tun kannst, um den Streit zu beenden?“
Und die Lösungen?
Damit sind wir schon bei einer Lösungsmöglichkeit: Den Beteiligten helfen, die eigene Rolle zu reflektieren. Die Kollegen oder die Praxisleitung sind in der Regel nicht dabei, wenn die beiden sich streiten, und können daher nicht sagen, wer was gesagt hat. Allein die Beteiligten können und sollten eine Lösung finden, die sie selbst erarbeiten. Nur so können sie diese Lösung auch annehmen und damit Verantwortung für sich selbst übernehmen. Jede Einmischung von außen (bspw. indem die Praxisleitung eine Lösung anordnet oder das Verhalten eines der beiden bewertet) schwächt die Konfliktfähigkeit der Beteiligten. Beim nächsten Konflikt wird der Mitarbeiter dann wieder zur Praxisleitung gehen, mit der Hoffnung, dass diese erneut eine Lösung für ihn findet. Für den Mitarbeiter ist es eine schnelle und einfache Lösung, aber er übernimmt keine Verantwortung für sich und sein künftiges Verhalten. Für die Praxisleitung ist es auf längere Sicht ebenfalls unbefriedigend. Zwar hat sie kurzfristig eine schnelle Lösung gefunden (schneller als ein Klärungsgespräch mit den Beteiligten), aber langfristig wird sie immer häufiger von dem Mitarbeiter angesprochen. In der Regel schauen sich auch andere Teammitglieder dieses Verhalten ab. Es ist daher häufig so, dass die Praxisleitung genervt ist („Die kommen mit allen Sachen zu mir.“) und das Team selbst ebenfalls. Die einen beschweren sich dann, dass es Lieblinge gibt, und andere monieren, dass es keine strukturierten Entscheidungsprozesse gibt. Oft werden Teambesprechungen zu langen Vorträgen über die Fehler der letzten Woche oder endlose Diskussionen ohne konkrete Vereinbarungen. Ein solches Team hat nicht gelernt, miteinander nach Lösungen zu suchen.
Die Beteiligten stärken
Je früher man mit den Beteiligten spricht, desto besser ist es für alle im Team. Hierzu kann man seitens der Praxisleitung zunächst mit jedem Einzelnen sprechen, um sich einen Überblick zu verschaffen, worum es eigentlich geht. Wenn sich z. B. herausstellt, dass es Unklarheiten bei Abläufen oder der Urlaubsplanung gibt, ergibt es Sinn, hierfür mit dem ganzen Team klare Regeln zu besprechen und festzulegen. Der Streit der Beteiligten sollte dennoch unter sechs Augen besprochen werden. Vorab helfen Fragen wie: Was genau ist passiert? Wer hat was gesagt? Wer hat was getan? Was haben Sie gemacht/gesagt? Was glauben Sie, warum der andere so reagiert hat? Wie glauben Sie, hat ihr Verhalten auf den anderen gewirkt?
Bei diesen Fragen ist es wichtig, auf die Sachebene zu achten und bei den Beteiligten auf die Reflexion des eigenen Verhaltens hinzuwirken. Dass es zwei verschiedene Sichtweisen gibt, ist normal. Das Gespräch sollte das Ziel haben, dass die Beteiligten das eigene Verhalten reflektieren und gemeinsam eine Lösung finden (Wenn Sie noch einmal in einer solchen Situation sind – wie verhalten Sie sich?). Vorher können beide jeweils nacheinander ihre Sicht schildern, damit der andere erst einmal zuhören muss, wie das eigene Verhalten auf das Gegenüber gewirkt hat. In der Regel bewirkt das schon einen Sinneswandel. Hier helfen Fragen wie: „Wie ging es Ihnen dabei?“. Wichtig ist, dass nur über ein Thema gesprochen und andere Themen zu einem späteren Zeitpunkt diskutiert werden.
Konflikte sind notwendig, damit alle in ein Miteinander kommen und sich weiterentwickeln können. Sie können dann selbst Lösungen erarbeiten, umsetzen und ein Selbstbewusstsein für diesen Fortschritt schaffen. Das hilft dem Einzelnen sowie dem ganzen Team und entlastet die Praxisleitung aktiv.
Dieser Artikel ist im PJ Prophylaxe Journal erschienen.