Personalmanagement 15.06.2011
Mitarbeiterführung im Dentallabor – Führen mit Stil, Herz und Verstand
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Führungsstile werden definiert als beständige Verhaltenstendenzen, die eine Führungskraft relativ unabhängig von der jeweiligen Situation an den Tag legt. Ein Führungsstil ist demnach typabhängig und gehört zum Laborleiter „wie sein Name an der Tür“. Trotzdem sollten Optionen erarbeitet werden, um flexibel auf unterschiedliche Mitarbeitercharaktere reagieren zu können. Doris Stempfle erläutert die Strategien.
Autoritären Laborleitern, die Wert auf Disziplin legen, mit Anordnungen führen und zeitraubende Diskussionen verabscheuen, wird es schwerfallen, in bestimmten Situationen angemessen zu reagieren. Wenn die Mitarbeiter zum Beispiel eine Teamaufgabe selbstständig und in Eigenverantwortung erledigen sollen, ist autoritäres Gehabe kontraproduktiv. Umgekehrt gilt: Der Laborleiter, der den Mitarbeitern ansonsten große Freiheiten lässt und Entscheidungen im Konsens mit ihnen verabschiedet, hat ein Problem, wenn die Situation ihn zwingt, eine rasche Entscheidung fällen und eine knallharte Arbeitsanweisung verordnen zu müssen.
Führungsrepertoire erweitern
Die Beispiele zeigen: Es ist für die Führungskraft natürlich nützlich, wenn sie einschätzen kann, welche „beständigen Verhaltenstendenzen“ sie auszeichnen, die dann von den Mitarbeitern als Führungsstil wahrgenommen werden. Wenn der Laborleiter seinen Führungsstil kennt, kann er besser beurteilen, welche Führungsstärken und -schwächen er hat. Denn jeder Führungsstil weist bestimmte Vor- und Nachteile auf. So kann er gezielt daran arbeiten, sein Führungsrepertoire zu erweitern und der jeweiligen Situation und dem jeweiligen Mitarbeiter anzupassen. Auf der Grundlage der Kenntnis, welcher Führungsstil ihm quasi in die Führungswiege gelegt worden ist, sollte er an der Flexibilisierung des vorherrschenden Führungsstils arbeiten, um schließlich über mehrere Reaktions- und Handlungsoptionen zu verfügen.
Welche Führungsstilmodelle gibt es? Die Führungsstilforschung unterscheidet verschiedene Modelle – zum Beispiel: Differenzierung in integrationsorientierten, zielorientierten, mitarbeiterorientierten und verfahrensorientierten Führungsstil und die Führungskraft als: Experte, Beschützer, Förderer, Innovator. Die gängigste Unterscheidung ist die in aufgaben-, menschen- und sachorientierte Führungsstile. Sie werden von dem jeweils dahinterstehenden Menschenbild geprägt. Wichtig für den Laborleiter ist die Beantwortung der folgenden Fragen: Ist er der Meinung, Menschen müssten grundsätzlich angeleitet und kontrollierend geführt werden, weil sie ansonsten versuchten, eigenständiges Arbeiten und Handeln zu vermeiden? Oder glaubt er, Menschen wollten ihre Fähigkeiten prinzipiell zum Wohle des Dentallabors einsetzen und aktiv Verantwortung übernehmen?
Je nach Beantwortung leiten sich daraus drei grundlegende Führungsstile ab.
Beim hierarchischen oder autoritären Führungsstil werden die Mitarbeiter durch feste Regeln und strikte Anweisungen geführt. Der Laborleiter möchte, dass Aufgaben sauber erledigt und konkrete Ergebnisse erzielt werden. Das kann zu einem funktionierenden Arbeitsalltag führen, hat allerdings den Nachteil, dass die Menschen oft kein Vertrauen zueinander aufbauen, zuallererst ihre eigenen Interessen verfolgen und Fehler unter allen Umständen vermeiden. Der Laborleiter erscheint als übermächtiger Vorgesetzter, den zu kritisieren fast schon als Sakrileg gilt.
Beim demokratischen Führungsstil räumt der Laborleiter seinen Mitarbeitern Freiräume ein und lebt den Gedanken der kooperativen Partnerschaftlichkeit vor. Er vertraut darauf, dass sie eigenständige Problemlösungen kreieren und umsetzen. Die Zahntechniker sollen sich auch menschlich weiterentwickeln können, der Laborleiter wünscht sich gute Beziehungen zwischen den Mitgliedern des gesamten Teams. Dafür muss er mit dem Risiko leben, dass eingeräumte Freiheiten ausgenutzt sowie Entscheidungsprozesse unnötig in die Länge ge- zogen und damit erschwert werden. Wenn die Mitarbeiter ein Höchstmaß an Entscheidungsfreiheit nutzen können und der Aspekt der Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz in den Vordergrund rückt, spricht man vom Laisser-faire-Führungsstil. Sein größter Nachteil: Das Nichtvorhandensein fester Regeln erschwert geordnete Arbeitsabläufe.
Den individuellen Führungsstil feststellen und Optionen erarbeiten
Der Laborleiter sollte zunächst einmal prüfen, zu welchem Führungsstil er tendiert. Hilfreich ist es, sich nicht allein auf die Selbsteinschätzung zu verlassen, sondern Menschen aus dem beruflichen und auch privaten Umfeld zu befragen. Es sind die Verwandten, Bekannten und Freunde, die den Laborleiter fernab seiner beruflichen Rolle und Position kennenlernen – deswegen haben diese Menschen zuweilen einen objektiveren Blick auf seine Persönlichkeit und seinen Charakter als die Kollegen und Mitarbeiter im Dentallabor.
So gelangt der Laborleiter zu einer relativ objektiven Einschätzung, welche „beständigen Verhaltenstendenzen“ seine Führungsarbeit dominieren. Indem er analysiert, welche Aspekte der anderen Führungsstile er in das Repertoire seiner Mitarbeiterführung integrieren könnte, erarbeitet er sich Handlungsoptionen. Der Nutzen liegt auf der Hand: Wahrscheinlich wird er jeden Tag mit verschiedenen Führungssituationen konfrontiert. Würde er über lediglich eine Führungsstrategie verfügen, könnte er nur selten angemessen reagieren. So aber ist er fähig, entweder unterstützend-motivierend oder konstruktiv-problemlösend oder informierend oder autoritär zurechtweisend zu führen – je nach Situation und Mitarbeiter.
Konkret: Der eher kooperativ führende Laborleiter erarbeitet sich Techniken, mit denen er in problematischen Situationen dem mobbenden Zahntechniker auch einmal autoritär seine Grenzen aufzeigen kann.
Den allein selig machenden Führungsstil gibt es nicht
Die Frage, welcher Führungsstil eingesetzt werden sollte, ist zumeist von mehreren Faktoren abhängig. So spielt der Reife- und Entwicklungsgrad des Mitarbeiters eine Rolle: Während der Laborleiter der langjährigen „rechten Hand“ durchaus größere Entscheidungsbefugnisse einräumen kann, ist es bei dem Auszubildenden notwendig, des Öfteren mit Arbeitsanweisungen zu führen.
Es gibt Situationen, in denen die Mitarbeiterorientierung und -entwicklung in den Vordergrund rückt und der demokratische Führungsstil Anwendung finden sollte. Der konsensorientierte Führungsstil ist angesagt, wenn der Laborleiter tief greifende Veränderungen im Dentallabor plant. Wenn er diese Veränderungen „von oben herab“ anordnet, besteht die Gefahr, dass sich die Zahntechniker verweigern.
Nimmt hingegen die Aufgabenorientierung zu, kommt es also darauf an, eine bestimmte Aufgabe zu einem erfolgreichen und raschen Ende zu führen, gewinnt der autoritäre Zugang zum Mitarbeiter an Gewicht. Die Mitarbeiter müssen eindeutig wissen, bis wann was in welchem Umfang zu erledigen ist. Dazu ist es notwendig, auch einmal das autoritäre Basta-Machtwort zu sprechen. Hinzu kommt: Der Laborleiter sollte die Belange der Kunden nicht aus den Augen verlieren. Wenn sich ein Zahnarzt etwa über den unfreundlichen oder unverschämten Zahntechniker beschwert – und zwar zu Recht –, wird der Laborleiter zu den eher autoritären Führungsinstrumenten greifen müssen, auch wenn er von seiner Persönlichkeitsstruktur her eine demo Führungskraft ist. Er muss dem Zahntechniker unmissverständlich verdeutlichen, dass er dieses Verhalten nicht duldet.
Also: Den allein selig machenden Führungsstil gibt es mithin nicht.
Der authentische Laborleiter
Entscheidend für die Akzeptanz des Führungsstils durch die Mitarbeiter ist die Glaubwürdigkeit des Laborleiters. Führungskräfte, die den autoritären Führungsstil bevorzugen, weil sie sich nicht verbiegen wollen oder glauben, die Situation erfordere dies, sollten sich durchaus dazu bekennen. Dies wird von den Mitarbeitern eher akzeptiert als der Versuch, die autoritäre Ader zu verbergen und den kooperativ-partnerschaftlichen Chef nur vorzuspielen.
Übrigens: Wenn der Laborleiter zu dem Ergebnis gelangt, dass er eher zu den autoritären Vorgesetzten gehört und ihm dieser Führungsstil liegt, sollte er prüfen, ob er ein Chef mit Autorität oder ein autoritärer Vorgesetzter ist. Die Wahlverwandtschaft zwischen den Begriffen ist mehr als eine kleinkrämerische Schlacht um Worte. Seit Erich Fromm wissen wir, dass sich die Differenz zwischen „Autorität haben“ und „Autorität sein“ aus den Worten „haben“ und „sein“ herleitet, die auf zwei verschiedene Existenzweisen hindeuten: Wer Autorität hat, dem ist sie verliehen worden oder er hat sie sich angeeignet.
Ein Laborleiter mit Autorität hingegen ist dies aufgrund seiner Wesensmerkmale. So kann er seine Mitarbeiter durch seine Persönlichkeit davon überzeugen, dass eine schmerzvolle Veränderung unumgänglich ist. Das Ideal wäre natürlich der Laborleiter, der mit Autorität führt, ohne autoritär zu sein.
Führungsfehler vermeiden
Ganz gleich, welchen Führungsstil der bestimmende ist: Der Laborleiter sollte es vermeiden, eklatante Führungsfehler zu begehen und einige grundsätzliche Prinzipien beachten – dazu ein paar Beispiele:
• Offen die Wahrheit sagen: Der Laborleiter sollte sich das Leitmotiv auf die Führungsfahne schreiben, dass Offenheit und Ehrlichkeit allererste Priorität genießen. Verschleierungstaktiken – und sprechen noch so nachvollziehbare Gründe dafür – führen zu Verunsicherung. Ehrlichkeit ist die Grundlage jeder Vertrauensbildung. Auch in kritischen Situationen sollte der Laborleiter die Lage klar, sachlich und ohne Beschönigungen darstellen. Dies gilt unabhängig vom Führungsstil.
• Notwendige Entscheidungen kurz und schmerzlos treffen: Wichtig ist stets, Entscheidungen so glasklar wie möglich zu begründen und die Parameter, unter denen der Laborleiter sie treffen muss, zu verdeutlichen. Ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende: Unliebsame Entscheidungen muss er kurz und schmerzlos treffen, und dann sollte er konsequent handeln. Klug ist es, wenn er dabei betont, dass er sich stets auf der Grundlage der derzeit aktuellen Lage äußert. Gerade in Krisenzeiten ändert sich die Faktenlage häufig sehr schnell, manchmal von Woche zu Woche. Darum kann sich auch die Entscheidungsgrundlage permanent ändern – und darum muss der Laborleiter seine Entscheidungen oft gerade in Mitarbeiterfragen blitzartig revidieren oder variieren.
• Demotivationsfallen umschiffen: Mut und Optimismus verbreiten, an sich selbst glauben, positiv denken, mit Konsequenz und klaren Vorgaben führen und motivieren, die Motivationsstruktur des einzelnen Mitarbeiters berücksichtigen und die Menschen individuell motivieren – diese Vorgehensweise sollte sich auch der eher autoritär führende Laborleiter aneignen, wenn er seine Mitarbeiter nicht in die Demotivationsfalle stoßen will.
Fazit
Führen ist die Fähigkeit, sich angemessen auf dem Parkett zu bewegen, das hier und heute vom situativen Kontext und jeweiligen Mitarbeiter bestimmt wird. Entscheidend ist nicht die Beherrschung eines „Lieblings-Führungsstil“, sondern eines Repertoires, das der Laborleiter situations- und personenabhängig einsetzen kann.