Praxismanagement 16.03.2011
Mitarbeiterführung: Produktiver Umgang mit „Unsympathen“
Leider gibt es sie – die Mitarbeiter, die als Zahntechniker fachlich Hervorragendes leisten, dem Laborleiter aber auf der menschlichen Ebene jedoch suspekt, ja sogar unsympathisch sind. Wer sich entschließt, den „Unsympath“ einzustellen oder weiterhin mit ihm zusammenzuarbeiten, weil er fachlich topp ist, muss sich Strategien überlegen, wie er mit ihm menschlich klarkommt.
Montagmorgen – der Laborleiter betritt das
Labor. Die Mitarbeiterin im Empfangsraum des Labors begrüßt ihn
freudestrahlend und mit einem fröhlichen „Guten Morgen“. „Da freue ich
mich doch gleich auf den Start in die neue Arbeitswoche“, denkt der
Laborleiter, „schade, dass die Frau Schmidt immer noch ihre Probleme mit
den Terminvereinbarungen hat. Aber das Betriebsklima im Dentallabor
hat sich einfach toll entwickelt, seitdem sie mit dabei ist.“ Doch seine gute Laune verfliegt schnell. Die Begrüßung durch den
Zahntechniker Hartmut Kohn fällt wie gewohnt recht mürrisch aus. „Wenn
der nicht die Zusatzausbildung zum Kundenberater gemacht hätte und nicht
so gute Beratungsgespräche mit den Zahnärzten führen würde, würde er
schon längst nicht mehr hier arbeiten.“
Wenn die Chemie nicht stimmt
Das Beispiel mag überspitzt sein, zeigt jedoch: Die Fachkompetenz von
Petra Schmidt ist ausbaufähig, aber ihre sozialen und kommunikativen
Fähigkeiten hellen das Betriebsklima gehörig auf und kommen auch im
Kundenkontakt mit den Zahnärzten zum Tragen. Hinzu kommt: Im Gespräch
mit dem Laborleiter zeigt sie Interesse, die beiden funken auf derselben
Wellenlänge. Die Gefahr allerdings ist, dass diese gute Beziehung
Mängel auf der Fachebene überdeckt. Auch bei Hartmut Kohn ergibt sich
ein differenziertes Bild. Er ist engagiert, übernimmt Verantwortung,
bildet sich selbst fort – er ist dem Laborleiter aber leider
unsympathisch. Und dies beruht wohl auf Gegenseitigkeit, vermutet der
Laborleiter. Wer aber kann es sich heutzutage leisten, gute Mitarbeiter
zu entlassen, nur weil die Chemie nicht stimmt?
„Jetzt erst recht“: Schwierige Situation als Herausforderung begreifen
Der Allerweltstipp, Beziehungs- und Sachebene strikt voneinander zu
trennen und einen sachlichen Umgang mit dem unsympathischen Mitarbeiter
zu pflegen, ist zwar durchaus richtig, greift jedoch zu kurz. Denn das
negative Bauchgefühl, das den Laborleiter im Umgang mit dem
Zahntechniker beschleicht, wird das Sachgespräch immer beeinflussen.
Gefühle lassen sich nicht einfach auf Knopfdruck abstellen, auch – oder
gerade – wenn es das blockierende Gefühl ist, einen Menschen nicht
ausstehen zu können.
Meistens kann ein Laborleiter gar nicht
konkret begründen, warum ihm ein bestimmter Mitarbeiter so unsympathisch
ist – oder so sympathisch. Meistens entscheidet sich bereits in den
ersten Sekunden eines Treffens zwischen zwei Personen, wie die gesamte
spätere Beziehung geprägt ist. Dabei spielen Verstandes- und
Vernunftgründe eine eher untergeordnete Rolle – vielmehr beeinflussen
archaische Triebe die Entscheidung. Wenn also bereits im
Vorstellungsgespräch der Funke der Sympathie nicht zünden will, ist dies
ein Indiz dafür, dass es nach der Anstellung im Dentallabor zu
Spannungen kommen kann.
Da aber jetzt „das Kind bereits in den
Brunnen gefallen“ und der Zahntechniker im Labor angestellt ist, sollte
der Laborleiter die Herausforderung annehmen. „Jetzt erst recht, jetzt
beweise ich, wie gut ich schwierige Gesprächssituationen bewältigen
kann.“ Der erste Schritt in diese Richtung besteht darin, die
Problematik zu erkennen und zu akzeptieren, dass zwischenmenschliche
Beziehungen auf Sympathie und Antipathie gründen.
„Liebesbeziehung“ ist nicht notwendig
Wenn
der Laborleiter diese Grundkonstante menschlicher Beziehungen bedenkt,
wird sich für ihn die Bedeutung der Frage, ob ihm ein Mitarbeiter
sympathisch ist oder nicht, relativieren. Er muss den Menschen, mit dem
er zusammenarbeitet, nicht unbedingt mögen. Sicherlich erleichtert dies
den Umgang – eine „Liebesbeziehung“ jedoch ist nicht notwendig. Zuweilen
kommt es vor, dass diese Gefühle sogar im Kundenkontakt eine Rolle
spielen – es gibt durchaus auch unsympathische Kunden, mit denen der
Laborleiter aber trotzdem zusammenarbeiten will und muss. Indem er nach
Problemlösungsstrategien für den Umgang mit dem unsympathischen
Mitarbeiter fahndet, bereitet er sich darauf vor, auch mit schwierigen
Kunden besser klarzukommen.
Emotionale Situation sachlich analysieren
Wer
solche Beziehungsstrukturen als Herausforderung begreift, ist in der
Lage, sich konstruktiv mit dem Phänomen auseinanderzusetzen und zu
fragen, woran es liegt, dass man einen Mitarbeiter nicht mag:
• „Ich
kann den Zahntechniker einfach nicht riechen“: Das trifft manchmal
wortwörtlich zu. Die Antisympathie entsteht durch die geblümte Bluse,
die Frisur, das Gel im Haar. Das jedoch ist ein unprofessionelles
Verhalten, das sich der Laborleiter abtrainieren muss. Er darf keine
Bewertungen allein auf Äußerlichkeiten gründen.
• Zumeist jedoch
liegen die Gründe tiefer. Äußerliche Merkmale – wie der Gesichtsausdruck
oder der lasche Händedruck – und unangenehme Verhaltensweisen des
unsympathischen Mitarbeiters erinnern den Laborleiter vielleicht an
schlechte Erfahrungen, die er mit anderen Menschen durchlebt hat. Diese
Erfahrungen überträgt er nun auf die aktuelle Situation im Labor. Auf
einer unbewussten Ebene läuft ein Programm ab: „Mit Menschen, die einem
so die Hand schütteln, bin ich noch nie zurechtgekommen.“
Schwierige Verhaltensweisen
Antisympathie
entsteht häufig, weil der Mitarbeiter – aus der Sicht des Laborleiters –
des Öfteren herummeckert, nörgelt, unbequeme Fragen stellt, sich im
Mitarbeitergespräch auf die Argumentation des Chefs überhaupt nicht
einlassen will und grundsätzlich widerspricht. Diese Verhaltensweisen
stoßen dem Laborleiter übel auf. Vielleicht aber handelt der Mitarbeiter
nur deswegen so, weil er sich unsicher fühlt und gegenüber dem Chef
behaupten will. Der Laborleiter ist der Vor-Gesetzte, er hat Macht, er
kann den Weg vorgeben und dem Mitarbeiter Ziele setzen. Das heißt: Die –
heftigen – Einwände stellen für den Mitarbeiter eine „Waffe“ dar, mit
der er sich gegen den Laborleiter durchzusetzen versucht. Klug ist es,
wenn der Laborleiter dies dezidiert anspricht: „Herr Kohn, ich habe den
Eindruck, wir finden nicht so richtig zueinander. Ich würde dies gerne
einmal mit Ihnen besprechen. Wie sehen Sie das denn?“ Eventuell wird dem
Laborleiter durch den Zahntechniker Kohn unbewusst ein Spiegel
vorgehalten: Der Mitarbeiter hat dieselben negativen Eigenschaften wie
er, und er mag diese Eigenschaften deshalb nicht, weil er sie bei sich
selbst beobachtet und ablehnt.
Konstruktiv mit unsympathischen Mitarbeitern umgehen
Sind
die Ursachen dafür, dass er den Mitarbeiter Hartmut Kohn nicht riechen
kann, erkannt, sollte der Laborleiter konkrete Gegenmaßnahmen ergreifen.
Ein Zahntechniker, der zum Beispiel sehr dominant auftritt, ist
vielleicht nur äußerst selbstbewusst. Dies mag ihn unsympathisch machen –
der Laborleiter deutet diesen Charakterzug um, indem er das Positive
sieht und den Mitarbeiter Kohn stärker in die Verantwor-tung nimmt,
sodass er seine Dominanz in konstruktive Kanäle lenken kann. So
beauftragt er ihn damit, seine Erfahrungen als Kundenberater an die
Kollegen weiterzugeben.
Zudem sollte er sich bewusst machen: Je
negativer seine Einstellung gegenüber dem Gesprächspartner, desto mehr
negative Reaktionen löst er zwangsläufig auf Mitarbeiterseite aus. Es
kommt zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Der Laborleiter sollte
sich in Ruhe fragen, ob er in einer solchen Negativspirale feststeckt,
in der für ihn jede Aktivität des Mitarbeiters nur ein neuer Beleg für
dessen unsympathischen Charakter ist.
Mit Metakommunikation in die Positivspirale
Diese
Negativspirale lässt sich jedoch ins Gegenteil umkehren. Dazu tritt der
Laborleiter dem unsympathischen Mitarbeiter mit einer positiven
Einstellung gegenüber – die er sich jedoch erarbeiten muss: „Welche
sympathischen Seiten erkenne ich an ihm?“ Diese Eigenschaften rückt der
Laborleiter in den Mittelpunkt der Bewertung des Zahntechnikers. Mehr
noch: Beim nächsten Mitarbeitergespräch achtet er bewusst darauf,
positive Eigenschaften an dem unsympathischen Gesprächspartner zu
erkennen und auf der Beziehungsebene ein angenehmes Gesprächsklima
aufzubauen.
In unserem Beispiel stellt sich dieses Klima bei
der sympathischen Petra Schmidt von selbst ein – bei dem unsympathischen
Zahntechniker Hartmut Kohn muss die Führungskraft Kreativität
entwickeln und Kommunikationskompetenz an den Tag legen. Entscheidend
dabei: die Fähigkeit zur Metakommunikation, also die Fähigkeit dazu, ein
Gespräch darüber zu führen, wie man miteinander kommuniziert und
umgeht. Denn selbstverständlich kann der Laborleiter das angespannte
Verhältnis mit dem Mitarbeiter zum Gegenstand einer Unterredung unter
vier Augen machen, in der die Reflektion darüber in den Mittelpunkt
rückt, wie die Beziehung zwischen Chef und Mitarbeiter verbessert werden
kann.
Der Laborleiter steigt gleichsam auf den Berg und
betrachtet von oben – aus der Distanz und der Helikopterperspektive –
den Mitarbeiter und das Problem, das er mit ihm hat. Die Konzentration
aufs Detail versperrt zuweilen den Blick aufs Ganze und auf die nicht
immer naheliegende beste Lösung. Dort oben in luftiger Höhe löst sich
die Verstrickung in die Einzelheiten der gegenwärtigen Situation und die
Fokussierung auf eine bestimmte Betrachtungsweise auf. So ist eine
bessere Analyse der Situation möglich. Oft besteht das Ergebnis eines
Gesprächs mit dem Mitarbeiter in der folgenden Erkenntnis: „So
unsympathisch ist der ja gar nicht – wenn man ihn nur einmal etwas näher
kennenlernt!“ Oder es stellt sich heraus: Die negativen Eigenschaften
hätten auch noch stärker ausgeprägt sein können. So relativiert der
Laborleiter die unsym-pathischen Züge des Zahntechnikers – und schätzt
sich glücklich: Es hätte schlimmer kommen können!
Sich in den anderen Menschen hineinfühlen
Hilfreich
ist zudem die Bereitschaft und Fähigkeit des Laborleiters, sich in den
unsympathischen Mitarbeiter hineinzuversetzen. Eine Angelegenheit wird
aus der Sicht des Gegenübers gesehen, die eigene Meinung gegen eine
andere ausgetauscht, um nachzuspüren, ob nicht auch sie bedenkenswert
ist. Die Ergebnisse des perspektivischen Wechsels fließen schließlich in
die eigene Betrachtungsweise ein, relativieren und modifizieren sie.
Das Spiel mit den Perspektiven führt dazu, dass der Laborleiter mehrere
Meinungen und Ansichten durchspielen kann. Er hat sich der Ego-Brille
entledigt und setzt sich, im übertragenen Sinne, nacheinander mehrere
Brillen auf – in diesem Fall die des unsympathischen Mitarbeiters
Hartmut Kohn.
Autor: Patric P. Kutscher