Personalmanagement 09.05.2023
Gerechte Bezahlung: Wie gestalte ich die Gehälter meiner ZFAs?
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Handlungsimpulse für die zukunftsorientierte Praxisführung
Fast jede Praxis hat es schon erlebt: Die Neubesetzung von ZFA-Stellen setzt neue, obere Duftmarken im Gehaltsgefüge. Mal sind es 350 Euro, mal 500 Euro, auch mal 700 Euro mehr pro Monat als man es so gewohnt ist. Sofern sich überhaupt jemand findet. Knifflige Lage mit Killerpotenzial für Teamstimmung, Behandlungseffizienz, Praxisrendite und Expansionsträume. Das Wunschkonzert ist für Praxisinhaber vorbei. Gleichzeitig lässt sich einiges dafür tun, die Lage zu balancieren und die Wahrscheinlichkeit unbesetzter ZFA-Stellen zu reduzieren. Dieser Fachbeitrag gibt Denkanstöße und Handlungsimpulse rund um die Vergütung von ZFA.
Faire Gehälter verhindern Demotivation
Sich mit dem Unterschied von Hygienefaktoren und Motivatoren zu befassen, ist für Personalverantwortliche Pflichtprogramm. An dieser Stelle nur so viel: Angemessene Bezahlung ist ein Hygienefaktor und kein Motivator. Nicht erfüllte Hygienefaktoren erzeugen Demotivation. Bedeutet für die ZFA-Gehälter: Ein als unfair empfundenes Gehalt demotiviert den oder die Betreffende/-n. Denn er oder sie fühlt sich beraubt. Jetzt Vorsicht: Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass eine als fair empfundene Bezahlung zur Höchstleistung motiviert. Es wird damit nur ein neutraler Zustand erreicht, nicht mehr. Das Gefühl fairer Vergütung ist nur ein Basisfaktor, der gegeben sein muss, damit Motivatoren (wie beispielsweise gutes Betriebsklima, Entwicklungsmöglichkeiten, Mitbestimmung etc.) ihre volle Stärke ausspielen können. Die faire Vergütung liegt insofern im zentralen Interesse aller Beteiligten.
Ein Stückchen über Tarif reicht nicht
Der gesetzliche Mindestlohn liegt aktuell bei 12 Euro. Aldi und Lidl vergüten ungelernte Jobber mit 14 Euro pro Stunde. In der Gastronomie sind 15 Euro üblich, plus Trinkgeld. DHL bietet 17 Euro pro Stunde. In Zahnarztpraxen ist es populär, sich an dem für einige Regionen vorhandenen ZFA-Tarif zu orientieren und zu denken, mit einem Aufschlag von beispielsweise zehn Prozent sei man ordentlich unterwegs. Hat mal funktioniert, ist aber vorbei, denn es kommt vergleichsweise zu wenig dabei heraus. Damit das ZFA-Gehaltsgefüge die Chance hat, von den Betreffenden in der Praxis als fair empfunden zu werden, braucht es für frisch ausgebildete ZFAs eine nennenswerte Differenz zur „Jobber ungelernt“-Kategorie. Erfahrene ZFAs brauchen nennenswert steigende Gehaltsperspektiven, um die Zahnarztpraxis im Feld der Möglichkeiten auf Dauer attraktiv zu finden.
ZFA sind Performance-Booster
Zahnmedizin lebt von Teamkooperation. Es ist der Traum jedes Zahnarztes, erfahrene, kommunikationsstarke, verlässliche ZFAs an seiner Seite zu haben. Im Rahmen von Analysen und ergänzenden Befragungen unserer KlapdorKollegen Academy-Teilnehmer haben wir ermittelt, dass erfahrene ZFAs (im Vergleich zur Azubi-Assistenz) den zahnärztlichen Honorarstundensatz um circa 60 bis 120 Euro pro Behandlungsstunde nach oben hebeln.
Ja – hier fehlt die wissenschaftliche Evidenz. Gleichzeitig ist der bezifferte Steigerungseffekt sehr plausibel, wenn man sich die Delegationswirkung (ZFA legt Fäden, macht Provis, Abdrücke, Röntgenbilder, Aufklärung von Füllungsalternativen, Motivation für PZR etc.) vor Augen führt.
Wenn wir den mittleren Wert des Korridors nehmen (90 Euro) und davon ausgehen, dass zwei ZFAs zum Behandlerteam gehören, errechnen sich daraus 45 Euro Honorarsteigerungseffekt pro Stunde pro ZFA. Bei 32 Behandlungsstunden pro Woche und 43 Anwesenheitswochen pro Jahr ergibt sich ein Honorarplus von 61.920 Euro pro Jahr pro ZFA. Das entspricht 123.840 Euro Honorarplus auf dem zahnärztlichen Arbeitsplatz. Fakt ist: Die Performance von Zahnärzten hängt entscheidend auch davon ab, wer assistiert. Für Gehaltsabwägungen ist es von Vorteil, diesen Zusammenhang deutlich zu sehen.
Eigenen Handlungsbedarf diagnostizieren
Wir propagieren hier nicht Gehaltssteigerungen „mit der Gießkanne“. Oft sind nicht alle ZFAs unterbezahlt, sondern nur einige. Im Laufe der Jahre haben wir für einige Hundert Praxen betriebswirtschaftliche Orientierungsanalysen durchgeführt. Aus diesen Daten können wir zwei eindeutige Aussagen ableiten:
- Die ZFA mit den längsten Verweildauern, also die treuesten Assistenzen der Praxis, sind häufig die mit den niedrigsten Gehältern
- Teilzeitkräfte werden in Relation zu Vollzeitkräften oft besser bezahlt
Als Ausgangspunkt für Überlegungen zur Neuordnung der Gehaltstabelle empfehlen wir insofern die Bestandsaufnahme. Nachfolgend zeigen wir eine Tabellenstruktur, mit der die entscheidenden Fakten schnell zusammengestellt sind. Wir haben zur Verdeutlichung drei Beispiel-ZFA eingebaut. Zur Berechnung des Stundenlohns verweisen wir auf die unter der Tabelle stehende Formel. Die Tabelle verschafft schnelle Erkenntnis, wie es mit den Stundenlöhnen in der eigenen Praxis grundsätzlich so aussieht: Sowohl im Teamvergleich als auch hinsichtlich Abstand zu Mindestlohn und Gehältern von Aldi, Gastro und Co. Wer die Daten auf sich wirken lässt, wird den Handlungsbedarf hinsichtlich fairer ZFA-Vergütung für die eigene Praxis gut erkennen.
Agieren anstatt zu reagieren
Es ist von erheblichem Vorteil, sich die Wirkungsketten vor Augen zu führen und aktiv in die Verantwortung für eine faire Gehaltsgestaltung einzusteigen.
Konkret:
- Fokus auf Mitarbeiterbindung: Häufig wird unterschätzt, wie stark man sich in der Praxis um soziale Beziehungen kümmern muss. Ebenso häufig wird unterschätzt, wie komplex und nachwirkend der Kollateralschaden ist, wenn ZFAs die Praxis verlassen. Gezielte, systematische Mitarbeiterbindung ist eine Führungsaufgabe mit oberster Priorität.
- Wertschätzung auch monetär zeigen: Gelebte Wertschätzung und zukunftsorientierte Kultur beziehen sich nicht nur auf Kommunikation und Teamevents: Wertschätzung bedeutet auch, dafür zu sorgen, dass Mitarbeiter nicht selbst nach mehr Geld fragen müssen, sondern sich darauf verlassen können, dass die Praxisleitung verlässlich die Initiative für regelmäßige, angemessene Anpassungen übernimmt. Nach unserer Beobachtung trauen sich übrigens gerade die langjährig loyalen ZFA einfach nicht, nach mehr Geld zu fragen. Viele mögen ihren Beruf grundsätzlich gerne, wollen mit zunehmendem Alter dann aber doch endlich raus aus dem Niedriglohnsektor und orientieren sich (überraschend) beruflich neu.
- Kommunikationsfeste Gehälter: Praxisinhaber sollten nicht nervös werden müssen bei der Vorstellung, dass sich Mitarbeiter untereinander (trotz Verschwiegenheitsklausel im Vertrag) über ihre Gehälter austauschen. Weil sie in der Gewissheit agieren, dass nicht nur fordernde Neueinsteiger gut bezahlt werden, sondern auch die verdienten langjährigen Mitarbeiter angemessene Gehaltsanpassungen bekommen. Wer denkt: „Ich kann mir keine Anpassungen für alle leisten“ und darauf hofft, „es wird schon nichts anbrennen“, ist auf dünnem Eis unterwegs. Abgesehen davon, dass sich mit so was die Teamkultur verdüstert: Genau hier konditioniert sich in der eigenen Praxis die ZFA-Gruppe, die für die Avancen pfiffiger Recruiting-Firmen über kurz oder lang empfänglich werden könnte.
Kompensation und Perspektivwechsel
Wie soll ich das alles bezahlen, wo doch auch schon viele andere Kostensteigerungen die Rendite belasten? Ja, das ist die Herausforderung. Wir empfehlen einen Mix aus Kalkulation und Perspektivwechsel.
Konkret:
- Anstehende Gehaltsanpassungen präzise in Euro ausrechnen: Wenn beispielsweise zehn ZFAs jeweils 500 Euro pro Monat brutto mehr bekommen, steigen die Personalkosten inklusive Arbeitgeberaufwand (hier mit gut 24 Prozent angenommen) um rund 75.000 Euro pro Jahr. Eine konkrete Kalkulationsliste schafft Klarheit, um welche Summe es genau geht.
- Denken von der anderen Seite und ausrechnen: Welches Einnahmenplus wird gebraucht, um die Personalkostensteigerung zu kompensieren? Im Beispiel werden bei 220 Praxisöffnungstagen pro Jahr und unter Berücksichtigung von acht Prozent Materialkostenquote rund 370 Euro Mehreinnahmen pro Tag in der Gesamtpraxis gebraucht, um die Personalkostensteigerung von 75.000 Euro zu kompensieren.
- Potenziale finden, mit denen ein Einnahmenplus realisiert werden kann. Dafür hat jede Praxis noch gewisse Reserven. Das können Effizienzreserven sein, beispielsweise im Terminmanagement, den Behandlungsabläufen, den HKP-Abläufen (Umsetzungsquote ansehen, 70 bis 80 Prozent wäre gut). Es können auch Potenziale in Preisanpassungen liegen, in der Führungskompetenz (Fluktuation senken), im Ausbau von Verlangensleistungen, in internen Qualifizierungen (delegierbare Leistungen etc.) oder in anderen Bereichen.
- ZFAs beim Aufspüren der Potenziale einbinden. Dabei das Change-Management-Prinzip „Betroffene zu Beteiligten machen“ anwenden. Eine transparente Erläuterung (z. B. „Unsere Kosten steigen in der Breite – lasst uns mal gemeinsam einen Nachmittag kreativ überlegen, wie wir darauf reagieren können“) ist ein guter Einstieg.
- Zusammenhänge erkennen: Wer sich fair bezahlt fühlt, ist sehr bereit, konstruktiv über Potenziale, konkrete Maßnahmen und den eigenen Beitrag nachzudenken. Die Einladung erzeugt zudem Wertschätzung („deine Meinung und deine Gedanken sind wichtig für uns“). Gleichzeitig werden durch die gemeinsame Aktion der Schulterschluss im Team und die soziale Bindung an die Praxis gestärkt. Außerdem kommen im gemeinsamen Brainstorming mehr Maßnahmenideen heraus und Umsetzungen werden glatter: Weil das Team sich mit den Ergebnissen identifiziert. Das erzeugt ganz nebenbei ein zukunftsorientiertes Teamkultur-Erleben.
- Qualifizierungslevel im ZFA-Team systematisch heben. Für die eigene Praxis ein internes Entwicklungsprogramm gestalten, das Delegationsspielräume voll ausschöpft (s. o. steigernde Wirkung auf Honorarstundensätze), ZFA-Karrierewege in der Assistenz aufzeigt und systematisch realisiert. Wenn Menschen ein gesteigertes Gefühl von Selbstwirksamkeit bekommen, ihre Entwicklungsperspektiven erkennen und spüren, dass ihre Führungskräfte sie dabei unterstützen, ihre Potenziale zu entfalten, wird Motivation freigesetzt und die Bindung an die Praxis gesteigert.
- Komplementäre Gehaltsstrukturen in der Praxis auf angemessene soziale Proportion prüfen. In Mehrbehandlerpraxen braucht mitunter auch das Gehaltsmodell für die angestellten Zahnärzte ein Update. Es könnten über die Jahre Fehlanreize und Asymmetrien entstanden sein. Auch dafür gilt: Nichts nach Gutsherrenart entscheiden, sondern transparent das Ziel fairer Bezahlung „für alle“ kommunizieren, Verständnis erzeugen, den zur Praxis passenden Lösungsweg im Führungsteam diskutieren und schrittweise umsetzen.
Fazit
Der Zeitpunkt für grundlegende Gehaltsanpassungen bei ZFAs ist gekommen. Dies ist kein Grund für Nervosität, sondern eine Chance für verändertes Denken und Handeln. Gehaltskonzepte und menschliches Verhalten stehen in komplexerem Zusammenhang als gemeinhin angenommen wird. Wer bereit ist, sich damit zu befassen, den Wertbeitrag von Kooperation und Kultur erkennt, Führungsaufgaben innovativ annimmt und in die Stärke des eigenen Teams investiert, hat die Zukunft in der Hand und wird auch weiterhin wirtschaftlich auf der Erfolgsspur bleiben.
INFORMATION
Maike Klapdor
KlapdorKollegen Academy GmbH (Münster)
Maike.Klapdor@klapdorkollegen.academy
www.klapdorkollegen.academy
Dieser Beitrag ist unter dem Originaltitel „Wie gestalte ich die Gehälter meiner ZFAs?“ in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.