Praxismanagement 11.11.2013
Drum prüfe, wer sich ewig bindet
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Wer in Form einer eigenen Praxis oder Praxisbeteiligung unmittelbar mit der Berufsausübung verbundene Vermögenswerte schafft, sollte sich beizeiten auch über familienrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten Gedanken machen, um im individuellen Fall unbillige gesetzliche Vorschriften anzupassen.
Der Selbstständige muss sich im Rahmen seiner Tätigkeit mit einer Vielzahl gesetzlicher Vorschriften auseinandersetzen – sei es aus dem allgemeinen Zivilrecht, dem Gesellschaftsrecht, dem Arbeitsrecht oder dem Verwaltungsrecht. Weniger unmittelbar sind zunächst die Auswirkungen des Familienrechts. Das bedeutet allerdings nicht, dass eine Auseinandersetzung mit dieser Materie nicht auch für den Freiberufler wichtig wäre. Gerade für diesen sind die Auswirkungen des Familienrechts häufig von existenzieller Relevanz. Insbesondere, wer in Form einer eigenen Praxis oder Praxisbeteiligung unmittelbar mit der Berufsausübung verbundene Vermögenswerte schafft, sollte sich beizeiten auch über familienrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten Gedanken machen, um im individuellen Fall unbillige gesetzliche Vorschriften anzupassen. Im Folgenden möchte der Verfasser auf die insoweit besonders wichtigen Regelungen des ehelichen Güterrechts hinweisen und den Leser für Gestaltungsmöglichkeiten sensibilisieren. Nehmen wir als Beispiel den folgenden, etwas dramatisierten, Fall: Die 33-jährige Kieferorthopädin A hat sich mit eigener Praxis selbstständig gemacht. Aufgrund hoher Investitionen war sie gezwungen, Kredite aufzunehmen. Derzeit übersteigen die Verbindlichkeiten den Wert ihrer Praxis und ihres sonstigen Vermögens, sodass bei ihr insgesamt ein negativer Vermögenssaldo in Höhe von 100.000,00 € festzustellen ist.
In dieser Situation lernt sie den wohlhabenden Jungerben B kennen, der über ein Bankkonto mit 2,5 Mio. € sowie eine geräumige Villa verfügt. Die beiden heiraten, ohne eine nähere vertragliche Regelung ihrer Verhältnisse vorzunehmen. Aus der Ehe gehen zwei Söhne hervor. Während Ehemann B sich hauptsächlich damit beschäftigt, sein Vermögen zu genießen, müht sich A parallel mit der Kinderbetreuung sowie mit der Etablierung ihrer Praxis ab. Nach zehn Jahren ist es ihr gelungen, die Praxiskredite weitgehend zurückzuführen. Die Praxis verfügt über einen ansehnlichen Patientenstamm, ihr Wert wäre nun mit rund 200.000,00 € zu taxieren. Weiteres Vermögen hat die A nicht. Das Vermögen des B hat sich nicht verändert.
Ehemann B hat sich unterdessen aufgrund der Erwerbsanstrengungen der A zurückgesetzt gefühlt und die 22-jährige U kennengelernt, mit der er nun lieber zusammenleben möchte. Er eröffnet dies der A und bittet um Verständnis, dass sie nun mit den Kindern aus seiner Villa ausziehen müsse. Nach einem Jahr Trennung stellt er einen Antrag auf Scheidung der Ehe.
Die A erhält nun im Zuge des Scheidungsverfahrens eine Aufforderung des Rechtsanwalts des B, ihre gesamten Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt der Eheschließung sowie zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages offenzulegen, damit ein Zugewinnausgleich berechnet werden kann. Was wird nun also geschehen?
Da die Eheleute weder vor noch nach der Eheschließung eine vertragliche Regelung zu ihrem Güterstand getroffen haben, leben sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Während der Ehe zeigt dieser Güterstand keine besonderen Auswirkungen. Die jeweiligen Vermögensmassen bleiben voneinander getrennt, was für Aktiva und Passiva gilt. Es ist daher nicht so, dass ein Vermögenshinzuerwerb eines der Ehegatten automatisch dem anderen mit zufällt. Genauso wenig haftet der andere Ehegatte qua bestehender Zugewinngemeinschaft für etwaige Verbindlichkeiten des anderen mit. Insoweit wäre schon eine gesonderte Haftungsübernahme notwendig, beispielsweise durch den Abschluss eines Darlehens als Mitdarlehensnehmer oder die Haftung für eine Verbindlichkeit als Bürgen etc. Während des bestehenden Güterstandes der Zugewinngemeinschaft besteht die einzige ab und an relevant werdende Wirkung darin, dass keiner der Ehegatten über den wesentlichen Teil seines Vermögens (dies sind nach derzeitiger Rechtsprechung rund 80 % seines Vermögens oder mehr) ohne Einwilligung des anderen Ehegattens verfügen darf.
Die nachhaltigen Rechtsfolgen der Zugewinngemeinschaft werden bei deren Beendigung offenbar, sei es aufgrund einer Änderung des Güterstandes durch Vertrag, aufgrund des Todes einer Partei, oder aber, wie häufig der Fall, aufgrund der Ehescheidung. In unserem Beispielsfall wird die A wohl mit wachsender Besorgnis den Ausführungen ihres Rechtsanwaltes folgen: Bei Aufhebung der Zugewinngemeinschaft ist zu berechnen, ob einem der Ehegatten ein Zugewinnausgleichsanspruch zusteht. Dafür ist zunächst festzustellen, welcher Ehegatte in welcher Höhe einen Zugewinn erzielt hat. Der Zugewinn berechnet sich dabei als Differenz zwischen dem bei Eingehung der Ehe vorhandenen Vermögenssaldo und dem bei Beendigung des Güterstands, bzw. im Fall der Ehescheidung, dem Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages. Die A wird hier zur Kenntnis nehmen müssen, dass ihr Ehemann keinen Zugewinn erzielt hat. Sein Vermögen hat im Saldo noch den gleichen Stand, wie bei Eingehung der Ehe. Bei ihr sieht dies anders aus.
Im Saldo verfügte sie bei Eingehung der Ehe über ein negatives Vermögen von 100.000 €. Nun beträgt ihr Vermögen, aufgrund der Etablierung ihrer Praxis, 200.000 €, was mithin einem Zugewinn in Höhe von 300.000 € entspricht. In einem zweiten Schritt ist nun die Differenz zwischen dem Zugewinn der beiden Ehegatten zu berechnen.
Da ein solcher auf Seiten des B nicht vorhanden ist, entspricht dieser dem gesamten Zugewinn der A, mithin 300.000 €. Die Hälfte der Differenz, hier also ein Betrag von 150.000 €, stehen nun dem Ehegatten mit dem geringeren Zugewinn, hier dem Ehemann B, zu. Irrelevant ist, dass B insgesamt über ein vielfach höheres Vermögen der A verfügt, da dieses letztlich schon bei Eingehung der Ehe vorhanden war, und damit einen Zugewinn nicht darstellt. Das Ergebnis wäre im Übrigen das Gleiche, wenn der B die vorhandene Millionenerbschaft erst während der Ehe zugefallen wäre. Zuwendungen von Todes wegen und unter bestimmten Voraussetzungen auch Vermögensschenkungen sind nämlich aufgrund einer Sondervorschrift privilegiert zu behandeln und zwar so, als wenn sie bereits bei Eingehung der Ehe vorhanden gewesen wären.
Ebenso wenig wird der A helfen, dass sie doch letztlich allein durch ihren Einsatz für den Vermögenszuwachs gesorgt hat. Der Gesetzgeber hat den Zugewinnausgleich gerade nicht davon abhängig gemacht, ob er auf die Leistung des einen oder anderen Ehegatten zurückzuführen ist, allein das Bestehen der Ehe im Zeitpunkt des Vermögenszuwachses ist ausreichend. Ebenso wenig könnte die A einwenden, dass sie möglicherweise zu einer Verwertung ihrer Praxis und damit ihrer gerade aufgebauten Existenzgrundlage, genötigt wäre. Der Gesetzgeber hat bei Kodifizierung des Bürgerlichen Gesetzbuches diesbezüglich zwar einige Milderungen für die Bewertung von landwirtschaftlichen Höfen vorgesehen, andere Vermögenswerte schienen ihm hingegen offenbar weder damals noch heute als besonders schützenswert. Auf A werden wohl schwere Zeiten zukommen. Die gerichtliche Auseinandersetzung wird sich zunächst um Bewertungsfragen hinsichtlich der Vermögensmassen drehen, bei der letztlich Sachverständige das entscheidende Wort führen. Am Ende wird der Rechtsanwalt der A möglicherweise eine zeitweise Stundung des Ausgleichsanspruches erreichen können, um ihr mittelfristig Kreditaufnahmen zu ermöglichen. Vielleicht wird er sogar versuchen, sich auf eine Ausnahmevorschrift des BGB zu berufen, nach der auch beim Zugewinnausgleich noch ein gewisses Billigkeitskorrektiv einfließen kann. Diesbezüglich wird er A aber eröffnen müssen, dass diese Norm in der Praxis nur in absoluten Ausnahmefällen zur Anwendung kommt, und die rechnerische „Ungerechtigkeit“ des Ergebnisses ohnehin nicht ausreicht, sondern schon zusätzliche, besonders nachhaltige Unbilligkeitsgründe, wie ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Anspruchsstellers, hinzutreten müssten. Da B aber weder dauerhaft wirtschaftliche Verpflichtungen aus der Ehe schuldhaft verletzte, noch sich dazu hinreißen ließ, die Trennung durch einige Pistolenschüsse zu beschleunigen, wird diese Norm wohl auch hier letztlich nicht weiterhelfen.
Wie hätte A sich vor dieser Situation schützen können? Die Eheleute hätten rechtzeitig, d. h. möglichst zu einem Zeitpunkt, da noch eine rationale und faire Auseinandersetzung über die Güterrechtsproblematik möglich war (im optimalen Fall also noch vor der Eheschließung!) individuelle Regelungen zum Güterstand treffen können, die für ihre Situation besser zugeschnitten sind, als die gesetzlichen.
Eine Möglichkeit hätte darin bestanden, dass die Parteien Gütertrennung vereinbaren. Während der Ehe wirkt sich dieser Güterstand kaum anders aus als die Zugewinngemeinschaft. Bei der Gütertrennung entfällt aber auch das Zustimmungsbedürfnis des anderen Ehegatten bei Verfügungen über den wesentlichen Teil des Vermögens. Der nachhaltige Unterschied zeigt sich bei der Beendigung des Güterstandes: Einen Zugewinnausgleich gibt es hier nicht.
Vielleicht wäre es aber interessanter für die Eheleute gewesen, den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft in modifizierter Form beizubehalten. So hätten diese beispielsweise in einem Ehevertrag regeln können, dass ein Zugewinnausgleich nur für den Fall der Beendigung des Güterstandes durch Tod stattfinden soll. Dies hätte den Vorteil, dass im Erbfall, weiterhin ein Zugewinnausgleich geltend gemacht werden kann, was den erbschaftssteuerpflichtigen Vermögensteil, vermindert.
Die Parteien hätten den Güterstand der Zugewinngemeinschaft auch dahingehend modifizieren können, dass bestimmte Werte, hier z. B. die Kieferorthopädische Praxis der A, bei einer Ausgleichsberechnung ausgenommen werden. In jedem Falle hätten derartige Regelungen, da sie vor der Scheidung erfolgen, einer notariellen Beurkundung bedurft. Nach der Trennung wird es für die A sehr schwierig sein, noch angemessene Ergebnisse zu erzielen. Von den damit einhergehenden unvermeidlichen Anwalts- und Gerichtskosten einmal ganz zu schweigen. Könnte sie die Zeit zurückdrehen, hätte sie ihren Anwalt oder Notar sicherlich früher aufgesucht, um nach entsprechender Beratung die für sie passende Regelung herbeizuführen.
Vielleicht ist dieser Artikel für den einen oder anderen Leser Anlass, sich um eine zeitnahe Klärung und ggf. Anpassung seiner familienrechtlichen Verhältnisse zu bemühen, damit er sich beizeiten nicht in verfremdeter Form in einem juristischen Beispielsfall zu den nachhaltigen Auswirkungen des gesetzlichen Güterstandes bei Selbstständigen wiederfindet. Der Verfasser möchte dazu raten.