Praxismanagement 22.01.2018

Offene und wertschätzende Kommunikation in der Praxis



Offene und wertschätzende Kommunikation in der Praxis

Foto: ALPA PROD – Shutterstock.com

Wege zur Konfliktminimierung

„Kommunikation ist die einzige Brücke zwischen den Menschen“, sagte der französischer Schriftsteller und Philosoph Albert Camus (1913–1960). Miteinander reden ist das, was wir täglich tun und was uns, im Großen und Ganzen betrachtet, wenig Schwierigkeiten bereitet. Solange der Informationsfluss störungsfrei verläuft, gibt es kaum Veranlassung, das eigene Kommunikationsverhalten infrage zu stellen. Hellhörig werden wir erst dann, wenn Missverständnisse auftreten.

Eingefahrene Kommunikationsmuster lassen uns manchmal vergessen, dass jeder Mensch seine Kommunikationsbesonderheiten hat. Störungen zeigen sich in der Regel auf der Beziehungsebene. Im Arbeitsbereich geht es vorrangig um den Austausch von Sachinformationen. Ein Patient oder ein Kollege/eine Kollegin möchte eine Auskunft erhalten oder über etwas informieren. Die Beziehungsebene ist bei der Übertragung von Sachinformationen jedoch immer dabei. Auf dieser wird überwiegend nonverbal kommuniziert. Sie enthüllt, welche Einstellung wir zu dem Gesprächspartner haben, was wir von ihm halten, ob wir uns von ihm gestört fühlen oder offen und aufmerksam für sein Anliegen sind. Diese und weitere Komponenten beeinflussen, meistens unbewusst, die Art und Weise sich nonverbal zu verhalten und dem Sachinhalt eine bestimmte Färbung zu geben.

Miteinander im Team reden

In Gesprächen zählt, was gesagt wird und wie es gesagt wird und mit wie viel Aufmerksamkeit und Zugewandtheit ein Dialog stattfindet. Ein störungsfreier Praxisablauf und engagiertes Praxispersonal sind das gelungene Ergebnis einer partnerschaftlichen und wertschätzenden Kommunikation. Das Miteinander im Team soll von Wertschätzung, Achtung (auch für Unterschiede) und Offenheit getragen sein. Jeder ist ein gleichberechtigter Partner und Wertschätzung ist zunächst unabhängig von Leistung und Qualifikation. Mit der Grundhaltung „Du bist okay“ und „Ich bin okay“ wird Partnerschaftlichkeit in der Zusammenarbeit möglich, bewahrt und gepflegt. Diese drückt sich durch wertschätzende Kommunikation aus, welche Respekt, Wohlwollen und Interesse am anderen zu ihrem Mittelpunkt macht.

Arbeiten Kolleginnen schon lange zusammen, ist meist bekannt, wer welche Besonderheit in das tägliche Miteinander hineingibt und was dieser Mensch braucht, um gut und reibungsarm zu arbeiten. Die Brücke zum Miteinander ist und bleibt die Kommunikation. Kennt man sich noch nicht so lange, empfiehlt es sich, achtsam zu beobachten und zu ergründen, was der Chef, die Chefin und die Kolleginnen brauchen, damit Störungen in der Kommunikation die Ausnahme bleiben. Seien Sie selbst offen und sagen Sie in angemessenem Ton, was Sie brauchen, um motiviert der Arbeit nachgehen zu können. Sprechen Sie miteinander und verzichten Sie darauf, übereinander zu sprechen. Unterschiede im Verhalten sind keine Ausnahme, sondern die Regel. Die Kunst des Miteinanders ist es, diese zu akzeptieren. Teilen Sie Ihren Kolleginnen mit, was an ihrem Verhalten oder ihren Fertigkeiten schätzenswert ist, auch Anerkennung für scheinbar Alltägliches tut gut. Dem anderen mitzuteilen, dass seine Zuverlässigkeit, Freundlichkeit, Ausgeglichenheit oder Umsicht besonders gut gefällt, sind Geschenke, über die sich jeder im Team freut. Auch ein überzeugendes Patientengespräch oder eine gar nicht erwartete ­Unterstützung von einer Kollegin ist ein guter Anlass für eine wertschätzende Rückmeldung. Teams sind wie Grün­pflanzen, und jede einzelne braucht von Zeit zu Zeit eine Nährstoffzufuhr, um gesund zu bleiben und sich ent­falten zu können.

Gibt es Schwierigkeiten mit Einzelnen im Team, sprechen Sie diese so rasch wie möglich an. Verschleppen oder verdrängen Sie auftretende Probleme nicht. Bei jedem Konflikt sind Gefühle beteiligt. Das, was bewegt, tritt durch Körpersprache deutlich nach außen. In Konfliktsituationen ist es oft anstrengend, mit dem Menschen im Team Blickkontakt zu halten, der einen selbst verstimmt hat. Die Distanz zum anderen wird größer, der Körper baut Spannung auf und diese Anspannung strahlt er aus. Mitunter neigen einzelne Teammitglieder dazu, bei schwelenden und unausgesprochenen Problemen mit übertriebener Höflichkeit oder Kontaktabbruch zu reagieren. Was hier hilft, ist das rechte Wort zur rechten Zeit an den bzw. die am Konflikt Beteiligten zu richten. Das Hineinziehen von Dritten als Entlastungshandlung ist keine gute Lösung. Auf diese Weise entsteht Grüppchenbildung im Team und das gemeinsame An-einem-Strang-Ziehen ist vorbei. Kommunikationsstörungen sind, wenn sie unbearbeitet bleiben, Gift für die Zusammenarbeit. Ein Gespräch mit Dritten ist jedoch dann hilfreich, wenn ein guter Hinweis zum Umgang mit dem Problem erbeten wird. Dritte klärend ins Boot zu holen, empfiehlt sich unbedingt dann, wenn man mehrfach versuchte, das Problem offen anzusprechen und es keine Lösung gab. Der oder die Dritte wären der Chef/die Chefin bzw. eine dafür autorisierte, vertrauensvolle Kollegin, wie z. B. die Praxismanagerin.

Wie spreche ich das Problem an?

Eine Gemeinsamkeit von vielen weiblichen Teammitgliedern ist das Prinzip Harmonie. Sie ist gut, aber nicht um jeden Preis. Dazu dienen folgende Beispiele:

  • Eine Kollegin grüßt am Morgen nur zeitweise – je nach Morgenlaune.
  • Eine Kollegin spricht zum wiederholten Male mit einer anderen Kollegin in respektloser Art von der Kollegin K. Man ist zum wiederholten Mal Zeuge dieser Äußerungen.
  • Eine Kollegin drückt sich regelmäßig davor, sich mit dem neuen Computerprogramm zu befassen, obwohl es zu ihren Tagesaufgaben gehört.

Im Beispiel Nr. 1 ist zu empfehlen, das sporadische Morgengrüßen flott anzusprechen, wenn es immer wieder ein Störfaktor ist. In der Konfliktbearbeitung gilt folgende Regel: Der, der beeinträchtigt ist, befindet sich im Konflikt und somit in der (Selbst-)Verantwortung, diesen offenzulegen. Unter schlechter Laune leiden die meisten im Team und auch Patienten.

Beispiel 2: Das Verhalten dieser Kollegin vergiftet die Zusammenarbeit und muss angesprochen werden. Das Gespräch sollte unter vier Augen geführt werden. Vorher ist zu überlegen, was man bei der Kollegin erreichen will. „Ich möchte bewirken, dass sie das Sprechen über andere unterlässt.“ Die Kollegin ist nicht als Mensch zu kritisieren, sondern der beobachtete Sachverhalt. Sprechen Sie den Sachverhalt in der Ich-Form an. „Ich habe wiederholt gehört, dass du mit … über K. gesprochen hast.“ Dann beschreibt man, welche Gefühle das bei einem selbst auslöst und die Konsequenz, die dieses Verhalten hat. „Das enttäuscht mich, … und unsere Zusammenarbeit nimmt Schaden.“ Fragen Sie die Kollegin, wie sie den Sachverhalt sieht. „Welches Pro­blem hast du mit ihr, dass du es nicht persönlich mit K. besprechen kannst?“ Wenn sich die die Angesprochene nicht dazu äußern will, ist deutlich zu sagen, was man von ihr erwartet (keine Kuschelkritik).

Beispiel 3: Sprechen Sie die Kollegin mit dem Namen an, halten Sie Blickkontakt (das gilt auch für Beispiel 1 und 2) und dann sagen Sie: „Mit ist mehrmalig aufgefallen, dass du den Umgang mit dem neuen Programm meidest, obwohl es zu deiner Aufgabe gehört.“ Sagen Sie ihr, wie Sie sich damit fühlen (ratlos, nicht ernst genommen, …) und erfragen Sie, was sie jetzt braucht, um dieses Vermeidungsverhalten aufzugeben „Was brauchst du, um mehr Sicherheit zu bekommen?“ Unterstützung sollte zugesichert und ein zeitlicher Rahmen vereinbart werden, in dem die Kompetenz im Umgang mit diesem Programm vorhanden sein soll. Es ist darauf zu achten, dass das Problemgespräch unter vier Augen geführt wird.

Regelmäßiges Feedback ist wichtig

In jedem Problem steckt das Potenzial der Veränderung, Erneuerung und die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Teambesprechungen sind eine gute Gelegenheit, regelmäßig Kommunikation mit allen zu pflegen. Neben dem fachlichen und organisatorischen Austausch soll auch immer Platz für die Rückmeldung zum Miteinander sein. Ich empfehle an dieser Stelle einen bewährten Tagesordnungspunkt, der den Namen Wochenrückblick trägt, in die Teambesprechungen aufzunehmen. Der Wochenrückblick ist ein Feedback, das sich das gesamte Team gibt. Ein zeitlicher Rahmen von zehn Minuten könnte dafür festgelegt werden. Der Wochenrückblick kann an den Anfang der Teambesprechung gesetzt und für diese Fragen genutzt werden:

  • Was ist uns in der letzten Woche gut gelungen?
  • Wie haben wir das geschafft?
  • Was sollten wir im Auge ­behalten oder wo gab bzw. gibt es ­Nachbesserungsbedarf?
  • Regelmäßige Rückmeldungen im Team stabilisieren das Vertrauen untereinander.
  • Wie gehen wir miteinander um?
  • Wie verhalten wir uns, wenn ­Probleme auftreten?
  • Wie sprechen wir Probleme an?

Miteinander reden, heißt in Verbindung zu bleiben. In Verbindung zu sein stärkt den Geist des Teams und sichert die Konzentration für das Wesentliche. Wenn jeder versucht, dem anderen ein Stück entgegenzugehen und dies auf wertschätzende Weise geschieht, ist das Miteinander gelungen.

Der Beitrag ist im Prophylaxe Journal 6/2017 erschienen.

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