Praxismanagement 24.06.2016
Servicewüste Zahnarztpraxis – muss nicht sein!
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Der Dienstleistungsgedanke bezogen auf die Patienten spielt auch für Zahnarztpraxen eine immer größere Rolle. Die Anforderungen an Mitarbeiter sowie deren Auftreten und Servicequalität spielen eine wesentliche Rolle für den Praxiserfolg. Im Gegensatz dazu stehen die Patientenwünsche. In regelmäßigen Abständen gibt es hierzu Studien mit Patienten, in welchen festgestellt wird, dass Patienten einen hohen Wert auf Service und Kommunikation legen. Christa Maurer beschäftigt sich mit der Frage, was Service überhaupt ist, wo er beginnt und wo er aufhört.
Servicewüste Deutschland, diesen Begriff kennt jeder. Der Begriff wurde von Hermann Simon geprägt und bezeichnet das völlige Fehlen akzeptabler Dienstleistungen, speziell die Aufmerksamkeit gegenüber Kunden, in unserem Fall Patienten. Der Begriff ist entsprechend negativ behaftet.
Rountinemäßig befrage ich potenzielle Patienten, was als wichtig oder störend beim Zahnarztbesuch empfunden wird. Das Ergebnis meiner Untersuchungen habe ich nachfolgend als sogenanntes Servicerad umgesetzt. Dabei wurde ganz bewusst die Form eines Rades gewählt, denn wenn ein Rad zu wenig Luft hat, läuft es unrund – beim Praxisservice läuft es auf dasselbe hinaus.
Wartezeit
Warten Sie gern? Ihre Patienten auch nicht – und schon gar nicht beim Zahnarzt. Gehen Sie sorgsam mit der Zeit Ihrer Patienten um. Lange Wartezeiten sind out. Sollte es dennoch dazu kommen, sprechen Sie mit Ihren Patienten und machen Sie ihnen Angebote:
- Informieren Sie auf jeden Fall über die Verzögerung.
- Bieten Sie an, dass sie ihn über das Handy informieren, wenn er an der Reihe ist. So kann er in der Zwischenzeit noch Besorgungen machen oder bummeln gehen.
- Offerieren Sie einen Ersatztermin, wenn der Patient nicht warten kann.
Gestalten Sie die Wartezeiten angenehm: Getränke, bequemes Sitzmobiliar und Pflanzen gehören zum guten Ton und vermitteln Wohlfühlatmosphäre. Ansprechendes Lesematerial oder Unterhaltungselektronik sorgen für Abwechslung.
Empfang
„Der erste Eindruck zählt“ gilt besonders für den Empfangsbereich. Dies ist die Visitenkarte Ihrer Praxis, und hier entscheidet es sich auch, ob Ihr Patient kommt oder nicht. Achten Sie generell auf Sauberkeit und einen guten Eindruck. Der Bereich vor der Haustür, Hausflur und Aufzug, Praxistür und -beschriftung sollten positiv auffallen ebenso wie die farbliche Gestaltung und das Ambiente des Empfangsbereichs. Auch den Mitarbeiterinnen am Empfang kommen verantwortungsvolle Aufgaben zu, denn auch sie tragen maßgeblich dazu bei, welchen ersten Eindruck die Patienten von der Praxis gewinnen. Empfangen Sie die Patienten stets mit einem Lächeln, sodass sie spüren, dass Ihren Mitarbeiterinnen die Arbeit und der Umgang mit Menschen Freude bereitet. Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Kommunikationsgeschick und Stressresistenz sind Voraussetzung für diese anspruchsvolle Arbeit.
Ambiente
Der Patient beurteilt eine Praxis anhand unterschiedlicher Kriterien, die er direkt sehen oder erleben kann. Der Einrichtung kommt dabei eine wichtige Rolle zu, denn sie gilt als Spiegel für die Qualität der zahnärztlichen Behandlung. Ein gekonntes Gesamtkonzept aus Farbe, Form, Licht und Funktionalität kann den Besuch in Ihrer Praxis zu einem positiven Erlebnis werden lassen.
Termintreue
Jede Praxis sollte mit einem funktionierenden Bestellsystem ausgestattet sein, dies betrifft jedoch nicht die Terminvergabe, sondern hängt auch eng mit der Disziplin während der Behandlung zusammen. Ist ein Patient nur für eine eingehende Untersuchung einbestellt, für die ein gewisser Zeitraum geblockt wurde, so ist ausschließlich diese Untersuchung durchzuführen. Der Patient kann besser planen und die Rezeption ebenfalls. Notfälle oder Verzögerungen, wenn der Nachfolgetermin ausgefallen ist und der Patient sich einverstanden erklärt, bleiben die Ausnahme.
Beratung
- Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Beratungsgespräch sind:
- Der Patient muss verstehen, worum es geht.
- Der Patient muss es sich leisten können – konditionell sowie finanziell.
- Der Patient muss es sich leisten wollen.
Sie als Profi sind dafür verantwortlich, dass diese Voraussetzungen erfüllt werden. Dabei kommt es neben den äußeren Rahmenbedingungen, wie idealerweise einem separaten Beratungszimmer, auch auf die Vorbereitung und die innere Haltung an. Sie selbst müssen davon überzeugt sein, dass Sie die Behandlung des Patienten medizinisch vertreten können und das Preis-Leistungs-Verhältnis ausgewogen ist.
Wenn es sich einrichten lässt, führen Sie die Beratungsgespräche in einem separaten Beratungszimmer. Der Patient wird dort entspannter zuhören als auf dem Behandlungsstuhl. Damit der Patient versteht, worüber Sie sprechen, visualisieren Sie die Thematik. Gehen Sie dabei chronologisch vor: von der Diagnose bzw. den Behandlungsunterlagen über die Behandlungsplanung nebst Alternativen zu den Prognosen bzw. Risiken hin zur Kostenübersicht. Achten Sie bei der Gesprächsführung darauf, dass Sie in patientenverständlicher Sprache erläutern und der Patient den Nutzen der Behandlung versteht. Untersuchungen haben gezeigt, dass über 70 % der Patienten, die den Nutzen verstanden haben, bereit sind, in höherwertigen Zahnersatz zu investieren.
Behandlung
Denken Sie sich in Ihre Patienten hinein. Was für das Praxisteam alltäglich ist, ist für den Patienten, egal wie oft er schon bei Ihnen war, etwas Unangenehmes, das mitunter mit Schmerzen verbunden ist. Neben fachlichem Können sind Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl gefragt, um dem Patienten diese Situation so angenehm wie möglich zu gestalten. Holen Sie Ihren Patienten persönlich aus dem Wartezimmer ab. Begrüßen Sie ihn freundlich und ohne Handschuhe und Mundschutz. Sorgen Sie dafür, dass er bequem auf dem Behandlungsstuhl Platz nehmen kann, ohne dass er selbst das Tray oder die OP-Leuchte aus dem Weg räumen muss. Achten Sie auf Ablagemöglichkeiten für Brillen und Handtaschen. Die Wartezeiten auf den Behandler dürfen nicht zu lang sein, der Patient währenddessen nicht allein im Raum.
Damit der Patient sehen kann, dass das Wasser frisch ist, sollte der Mundspülbecher erst in seinem Beisein gefüllt werden. Legen Sie das Instrumententray erst nach der Begrüßung auf. Während der Behandlung ist Ihr Einfühlungsvermögen gefragt, trotzdem, dass Sie sich auf die Behandlungsabläufe konzentrieren müssen. Kurze Verschnaufpausen, Mundspülen, Vaseline auf die strapazierten Lippen, nachfragen, ob die Anästhesie noch wirkt, und Erklärungen, was Sie gerade tun, sind einige Möglichkeiten, mit denen Sie die Behandlung entspannter verlaufen lassen können.
Ob sich der Patient wohlfühlt oder nicht, hängt aber auch vom Behandlungsteam ab. Er befindet sich in einer sehr unkomfortablen Lage, meist liegt er, über ihm schwebt ein Tray, eine Behandlungsleuchte scheint ihm ins Gesicht, zwei Gesichter, vier Hände und „furchterregendes“ Instrumentarium befinden sich um ihn herum. Erschweren Sie ihm die Situation nicht unnötig, indem Sie Unstimmigkeiten während seiner Anwesenheit austragen, Mitarbeiter zurechtweisen oder mit Instrumenten werfen. Nicht immer funktionieren Behandlung und Assistenz optimal – das ist jedoch nicht vor dem Patienten auszutragen.
Reklamation
Trotz aller Mühe kommt es vor, dass Patienten unzufrieden sind. Die Gründe dafür sind vielfältig, z. B. lange Wartezeiten, Schmerzen nach der Zahnbehandlung, unfreundliche Behandlung, unharmonische Farbauswahl uvm. Sehen Sie eine solche Beschwerde nicht als Kritik, sondern als kostenlose Unternehmensberatung, denn der Patient zeigt Ihnen die Schwachstellen Ihrer Praxis auf. Ein Patient bleibt einer Praxis nicht fern, weil er etwas zu beanstanden hat, sondern erst dann, wenn er mit seiner Reklamation nicht ernst genommen wird.
Machen Sie sich im Reklamationsfall zuerst klar, dass der Patient Sie nicht persönlich angreifen möchte. Lassen Sie sich nicht zu unbedachten Äußerungen provozieren. Zeigen Sie Interesse an seinem Anliegen und fragen Sie, was genau passiert ist. Unterbrechen Sie den Patienten dabei nur, wenn Sie ihn nicht verstehen. Fassen Sie das Gespräch am Ende zusammen, um sicherzugehen, dass Sie das Problem richtig erfasst haben. Danach ist der Praxisinhaber zu informieren, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Ist er gerade in Behandlung, muss man dem Patienten signalisieren, dass man sich der Problematik annehmen und ihn schnellstmöglich informieren wird. Bieten Sie ihm evtl. einen weiteren Gesprächstermin an. Durch ein solches Vorgehen erkennt der Patient, dass Sie sich um sein Anliegen kümmern.
Haben Sie sich auf ein gemeinsames Vorgehen oder einen Kompromiss geeinigt, halten Sie das Ergebnis schriftlich fest. Besprechen Sie Ihre Reklamationsfälle unbedingt auch in den Teambesprechungen, da sich nur so das ganze Team langfristig verbessern kann.
Recall
Auch mit Terminerinnerungen können Sie einen positiven Eindruck hinterlassen. Viele Praxen verfügen bereits über ein Terminerinnerungssystem, bei dem Patienten – deren Einverständnis vorausgesetzt – mit einer netten Postkarte an den nächsten Vorsorgetermin erinnert werden. Lassen Sie sich eine solche Möglichkeit nicht entgehen und bringen Sie sich auf charmante Weise in Erinnerung. Ist der Patienten auch sonst mit der Praxis zufrieden, wird er diesen zusätzlichen Service sehr zu schätzen wissen und gar nicht erst in Versuchung geraten, einen neuen Zahnarzt ausprobieren zu wollen.
Quelle: Maurer, Christa: Von Buschtrommeln, Tellerrändern und anderen MERKwürdigkeiten – so funktioniert Praxismarketing; Quintessenz-Verlag.