Praxismanagement 02.12.2019
Umsatzsteuer lieber ernst nehmen
share
Immer mehr Zahnärzte kommen heute mit umsatzsteuerlichen Fragestellungen in Berührung. Wer es damit bislang nicht so genau genommen hat, wird spätestens im Rahmen einer Betriebsprüfung schmerzlich erfahren, dass dies keine gute Idee war. Wann ist eine Leistung umsatzsteuerfrei, wann ist der ermäßigte und wann der Regelsteuersatz anzuwenden? Es lohnt sich, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen.
Steuerfreiheit: Zusammenarbeit mit Fremdlabor
Die Erbringung zahnmedizinischer Heilbehandlungen ist grundsätzlich umsatzsteuerfrei, wenn die Ausübung der Zahnheilkunde berufsmäßig betrieben wird und wenn Diagnose und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten auf der Grundlage zahnärztlich wissenschaftlicher Kenntnisse gründen.
Beispiel: Zahnarzt A widmet sich ausschließlich der Vorbeugung (zum Beispiel PZR), der Diagnose und der Behandlung von Zahnerkrankungen so-wie der Behebung daraus entstande-ner Folgen. Er hat kein eigenes Labor, verkauft niemals Zahnpflegeprodukte an Patienten und lehnt Zahnaufhellungen aus rein kosmetischen Gründen ab. Er führt im Rahmen der Ausübung seiner Tätigkeit als Zahnarzt Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin durch. Seine zahnärztlichen Honorare sind von der Umsatzsteuer befreit. Rechnungen des zahntechnischen Fremdlabors, in denen Umsatzsteuer ausgewiesen wird, reicht Zahnarzt A an seinen Patienten weiter.
Hinweis: In der Regel erledigen Zahnärzte die PZR nicht selbst, sondern qualifizierte Angestellte. Für die Steuerbefreiung müssen Sie diese Behandlung als Praxisinhaber jeweils vorher verordnen bzw. die Indikation feststellen.
Regelsteuersatz (19 Prozent) für medizinisch nicht notwendige Leistungen
Unabhängig von der Frage, ob Zahnärzte ein Eigenlabor betreiben oder nicht, gibt es einige Tätigkeiten, die nicht medizinisch indiziert und deshalb steuerpflichtig sind. Sie unterliegen dem Regelsteuersatz von 19 Prozent.
Beispiel: Zahnarzt C hat sich als Gutachter einen Namen gemacht und wird hin und wieder im Rahmen von Schadenersatzprozessen tätig. Viele Patienten nutzen auch aus rein kosmetischen Gründen sein Bleachingangebot. Außerdem verkauft er seinen Patienten Zahnpflegeprodukte für die Anwendung zu Hause.
Auf alle diese Tätigkeiten bzw. Geschäfte von Zahnarzt C fallen 19 Prozent Umsatzsteuer an. Würde Zahnarzt C ein Gutachten für medizinische Zwecke (dazu müsste ein therapeutisches Ziel im Vordergrund stehen) verfassen, wären seine Umsätze daraus umsatzsteuerfrei. Für nicht therapeutische Zwecke, wie das externe Bleaching aus kosmetischen Gründen, würde allerdings Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent bzw. 7 Prozent anfallen.
Hinweis: Verwenden Sie mit Blick auf eine mögliche Betriebsprüfung trennscharfe Abrechnungskennziffern zur Unterscheidung von steuerfreien Heilbehandlungen und umsatzsteuerpflichtigen Leistungen. Achten Sie bei der Vorsteuer auf die Unterscheidung von voll- und teilabzugsfähigen Vorsteuerbeträgen. Dokumentieren Sie auch bei CEREC möglichst genau, ob es sich zum Beispiel um medizinische und diagnostische Zwecke oder um eine Keramikherstellung handelt.
Materialüberlassung Fremdlabor
Beispiel: Zahnärztin B hat kein Eigenlabor und lässt Zahnprothesen außerhalb ihrer Praxis fertigen. Sie überlässt Fremdlaboren aber Gold oder Zähne. Diese „Materialbeistellung“ setzt der Fiskus einer Herstellung gleich. Die Lieferung der Zahnprothesen durch Zahnärztin B würde das Finanzamt daher hinsichtlich des beigestellten Materials als steuerpflichtig beurteilen.
Umsatzsteuerfreie Ausnahmen: Medizinisch notwendige Vor- und Nacharbeiten zur Lieferung und Wiederherstellung von Zahnprothesen und kieferorthopädischen Apparaten, die nur von einem Zahnarzt durchgeführt werden können, zählen (mangels Wettbewerb zum Zahntechniker) zu den steuerfreien zahnärztlichen Leistungen. Die Herstellung von kieferorthopädischen Apparaten, Brackets oder Alignern und Vorrichtungen im eigenen Labor, die Fehlbildungen des Kiefers entgegenwirken, sind Teil der steuerfreien Heilbehandlung.
Steuerermäßigung (7 Prozent): Eigenlabor
Wer ein Eigenlabor betreibt, muss in Rechnungen für die dort hergestellten oder wiederhergestellten Zahnprothesen, anderen Waren der Zahnprothetik sowie medizinisch nicht notwendigen kieferorthopädischen Apparate und Vorrichtungen 7 Prozent Umsatzsteuer ausweisen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Zahnarzt selbst oder seine Angestellten diese Arbeiten durchführen.
Beispiel: Zahnärztin B lässt in ihrem Eigenlabor Brücken und Kronen (auch individuelle Provisorien) herstellen. Zudem lässt sie Modelle, Bissschablonen, Bisswälle und Funktionslöffel fertigen. Im CEREC-Verfahren lässt sie dann Inlays, Onlays und Veneers herstellen. Sie unterfüttert Zahnprothesen auch indirekt. Solche mit dem Eigenlabor erzielten Prothetikumsätze unterliegen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent. Sie würden übrigens auch anfallen, wenn Zahnärztin B in ihrem eigenen Labor nur für die Fremdherstellung vorbereitende zahntechnische Arbeiten ausführen ließe. Sie wäre dann aber nur mit dem auf ihre Praxis entfallenden Leistungsanteil steuerpflichtig – die Beträge, die sie an das Fremdlabor zu zahlen hat, sind dabei nicht zu berücksichtigen.
Ausnahme: Der Verkauf (Hilfsgeschäft) von Anlagegegenständen, Bohrern, Gips oder sonstigem Material unterliegt einem Steuersatz von 19 Prozent.
Kleinunternehmerregelung oder Option sinnvoll?
Wenn die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze (jeweils zuzüglich Umsatzsteuer) einer Zahnarztpraxis im Vorjahr 17.500 EUR nicht überstiegen haben und im laufenden Jahr 50.000 EUR voraussichtlich nicht übersteigen werden, greift die sogenannte „Kleinunternehmerregelung“. Das ist der Grund, warum die meisten Einzelpraxen ohne Eigenlabor keine Umsatzsteuer abführen müssen, obwohl sie z. B. kosmetisches Bleaching in einzelnen Fällen durchführen. In diesem Fall verzichtet das Finanzamt darauf, Umsatzsteuer zu erheben. Allerdings darf der Zahnarzt in seinen Rechnungen auch keine Umsatzsteuer ausweisen und ein Vorsteuerabzug ist nicht möglich. Dieser kann sich mitunter lohnen, wenn teure Investitionen (z. B. CEREC) anstehen.
Ein Ausweg besteht dann darin, auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu verzichten und zur Umsatzsteuerpflicht zu optieren („Option zur Regelbesteuerung“); an die Entscheidung für die Option ist man für fünf Jahre gebunden. Wer diese Option ausübt, kann die in seinen Eingangsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen – beim Kauf eines neuen CEREC-Geräts gibt es also 19 Prozent des Rechnungsbetrags vom Finanzamt zurück. Ein Vorsteuerabzug ist dann anteilig auch bei den laufenden Kosten der Praxis möglich.
Eine andere Konsequenz der Ausübung des Wahlrechts, zur Regelbesteuerung zu optieren, ist deklaratorischer Natur: Umsatzsteuerpflichtige Zahnarztpraxen müssen entweder monatlich oder quartalsweise elektronisch Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt einreichen. Diese Aufgabe können Sie aber selbstverständlich Ihrem Steuerberater übertragen.
Übrigens: Ist ein Zahnarzt durch sein Eigenlabor umsatzsteuerpflichtig, so hat er auch seine Fachvorträge und Fachartikel mit 19 Prozent bzw. 7 Prozent Umsatzsteuer zu versteuern.
Download – Das kleine ABC der Umsatzsteuer in der Zahnarztpraxis.
Der Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.