Psychologie 25.03.2014
Emotionale Patienten
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Die langjährige ZWP online-Expertin und Psychologin Dr. Lea Höfel beantwortet die Frage eines Lesers, wie mit sehr emotionalen Patienten umgegangen werden sollte.
Anfrage:
Ich bin es als Zahnärztin gewohnt, dass viele Patienten Angst vor der Zahnbehandlung haben. Meist kommen wir mit Ruhe und genauen Absprachen sehr gut voran. Was mir eher schwerfällt, ist der Umgang mit Patienten, die während der Behandlung weinen oder mir vor Freude um den Hals fallen. Ich denke, dass ich eher ein nüchterner Mensch bin, der mit großen Emotionen schlecht umgehen kann. Ich weiß dann nie, was die Patienten von mir erwarten. Haben Sie da einige Stichpunkte, an die ich mich halten kann?
Ängstliche Patienten sind in der Zahnarztpraxis keine Seltenheit und gehören zum Berufsbild, auf das Sie sich offensichtlich eingestellt haben. Bei diesen Patienten scheinen Ihre bisherigen Strategien gut zu funktionieren. Problematischer wird es da bei Patienten, die abweichende Gefühlsäußerungen zeigen und Sie in Ihre Emotionen einbeziehen. Wie Sie selbst schon erkannt haben, gehört ein breites Spektrum an emotionalem Miteinander in der Praxis nicht zu Ihren Stärken und dasmussesauchnicht.
Bisherige Strategie bei Angstpatienten
Da Sie mit Angstpatienten gut umgehen können, scheinen Sie durchaus ein Geschick für Gefühle zu haben. Sie schaffen es, Ruhe auszustrahlen inmitten eines Klimas aus Angst und Unsicherheit. Bei Angst ist dies auch der beste Weg, denn kein Patient würde davon profitieren, wenn das Praxisteam in die Angst mit einsteigt. Sie haben die Strategie, mit den Patienten Absprachen zu vereinbaren, an die Sie und der Patient sich halten. Das verleiht wiederum Sicherheit, die der Angst entgegenwirkt. Ihr Rezept besteht aus Ruhe und Absprachen.
Weitere Emotionen
Darüber hinaus fragen Sie nach einer Form von Checkliste für alle Emotionen, die in der Praxis auf Sie einstürmen können. Wenn Sie selbst kein überaus emotionaler Mensch sind, würde es sich für Sie falsch anfühlen, auf einmal mit den freudigen Patienten durch die Praxis zu springen oder dem weinenden Patienten in den Armen zu liegen. Deshalb würde ich in Ihrem Fall vorschlagen, dass Sie mit Ruhe reagieren sollten. Für einen weinenden oder glücklichen Patienten ist eine authentische Zahnärztin wichtiger als eine Maskerade aus unehrlichen Emotionen. Der weinende Patient braucht vor allem eins: Ruhe. Er möchte möglicherweise, dass Sie seinen Ängsten oder Sorgen zuhören, was dem ängstlichen Patienten ähnelt. Sie können ihm die Hand auf den Arm legen, je nachdem, ob es für Sie angenehm ist oder nicht. Vielen Patienten laufen auch in Stresssituationen die Tränen, ohne dass sie allzu große Trauer empfinden. Bleiben Sie bei dem, was Sie tun, professionell und vermitteln Sie dadurch Sicherheit. Fragen Sie den Patienten, was Sie gemeinsam tun können, damit es ihm besser geht. Auch bei weinenden Patienten sind Absprachen hilfreich.
Der freudig um den Hals springende Patient ist ein anderes Thema. Hier geht es nicht um negative Emotionen, die Sie von den Angstpatienten schon kennen, sondern um positive Gefühle im Überschwang. Hier können Sie wahrscheinlich nur innerlich die Sekunden zählen, bis die Patienten Ihren Hals wieder loslassen. Ich nehme allerdings an, dass das nicht allzu häufig passiert. Vielmehr gibt es Patienten, die freudig über ihr Leben, ihre Erfolge und über ihre Zufriedenheit mit der Zahnbehandlung reden. Auch hier können Sie Ihre altbewährte Methode der Ruhe anwenden. Lassen Sie die Person berichten und hören Sie zu. Es wird nicht erwartet, dass Sie auf eine untypische Art in Lobgesänge einstimmen oder durch den Raum tanzen. Der Patient lobt die Arbeitsweise und Persönlichkeit, die Sie bisher an den Tag gelegt haben. Nichts weiter wird von Ihnen erwartet. Ein weites Spektrum an Emotionen kann Ihnen noch bevorstehen. Es gibt depressive Patienten, unsichere, abhängige, misstrauische, wechselhafte, aggressive, Patienten mit Wahnvorstellungen und ohne, frisch getrennte und frisch verliebte, hungrige und satte. Es ist unmöglich, für jede Emotion eine Checkliste an Verhaltens- und Reaktionsregeln aufzustellen, zumal es innerhalb der einzelnen Kategorien ein breites Kontinuum an Expressivität gibt. Ich möchte Ihnen damit keine Angst machen, sondern Ihnen sagen, dass Sie bisher alles richtig gemacht haben und es auch weiterhin tun werden. Ein Aufschaukeln von Gefühlen ist nicht hilfreich bei der erfolgreichen Durchführung von Zahnbehandlungen. Der sicherste Weg ist der, Ruhe zu bewahren und klare Absprachen zu treffen. Diese Strategie beherrschen Sie sehr gut, da die schwierigste Klientel beim Zahnarzt Angstpatienten sind. Übertragen Sie Ihre Ruhe weiterhin auf Ihre Patienten und haken Sie auf Ihrer inneren Checkliste das Thema „Emotionen“ einfach ab.
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