Recht 21.02.2011
Aktuelle berufsrechtliche Aspekte der ästhetischen Zahnheilkunde
Die ästhetische Zahnheilkunde hat sich zu einem erheblichen Wachstumsmarkt entwickelt. Immer mehr Anbieter drängen auf den Markt. Die Lockerung der Werberestriktionen macht es niedergelassenen Ärzten und Zahnärzten möglich, deutlicher als je zuvor auf ihre Angebote in diesem Bereich aufmerksam zu machen, was wiederum zu einem erhöhten Zulauf an Patienten geführt hat. Neue Verfahren sowie der Wunsch nicht approbierter Personen, an diesem Aufschwung teilzuhaben, haben jedoch zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit geführt.
Neben Ärzten und Zahnärzten wollen auch Angehörige zahnärztlicher Assistenzberufe und kosmetische Anbieter an dem lukrativen Markt teilhaben. Daneben ist ein weiterer Trend zur Ausweitung der ästhetischen Leistungen innerhalb der Zahnärzteschaft zu beobachten. Zahnärzte bieten vermehrt Leistungen wie Lippenaugmentationen, Faltenunterspritzungen und/oder Botox-Behandlungen an. Welche Angebote sind rechtlich zulässig, welche nicht?
Professionelle Zahnreinigung und externes Bleaching
In diesem Bereich kann die Rechtsprechung der letzten Jahre nur als uneinheitlich bezeichnet werden. Dies setzt sich leider auch in den aktuellen Urteilen fort. Das Landgericht Frankfurt am Main urteilte am 29.09.2006 (LG Frankfurt, GesR 2007, 225; ZM 2007, Nr. 6, 11), dass sowohl die dem Bleaching vorausgehende Zahnreinigung als auch das Bleaching durch Aufbringen von Carbamidperoxidgel nicht als Ausübung von Zahnheilkunde im Sinne des § 1 Abs. 3 Zahnheilkundegesetz anzusehen sind. Dies hat zur Folge, dass auch Zahnarzthelfer/-innen selbstständig diese Behandlungen durchführen dürfen. Das Gericht erlaubte damit einem Zahnarzt ein so genanntes „Esthetics Center“ zu betreiben bzw. dafür zu werben, dass eine ZMF oder DH die Behandlungen vornimmt.
Das Gericht führt aus, dass Zahnverfärbungen selbst keine Zahnkrankheit darstellten, da sie keine von der Norm abweichende Erscheinung, sondern vielmehr medizinisch unproblematische Veränderungen seien. Der Vorgang des externen Bleachings sei auch nicht mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Der geringfügige Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten erfordere kein zahnärztliches Fachwissen. Schließlich könnten die Kunden das verwendete Carbamidperoxidgel auch selbst käuflich erwerben und jederzeit alleine zu Hause auftragen. Auch die Tatsache, dass manche Zahnverfärbungen unter Umständen Rückschlüsse auf andere Erkrankungen zulassen, rechtfertige keine andere Beurteilung. Es sei dem allgemeinen Lebensrisiko eines jeden zuzuordnen, dass eine Erkrankung aufgrund einer kosmetischen Behandlung unentdeckt bleibe. Die Situation stelle sich kaum anders dar als bei der Verkennung von Krankheiten aufgrund intensiver Bräunung der Haut durch den regelmäßigen Besuch eines Sonnenstudios oder die Überdeckung kranker Hautstellen durch den Gang zur Kosmetikerin.
Das Landgericht Verden geht den umgekehrten Weg. Es untersagte einem Zahntechniker mit Urteil vom 02.07.2007 (LG Verden, Az.: 10 O 134/06, siehe auch ZKN Mitteilungen 9/2007, 563 f.), Prophylaxeleistungen, professionelle Zahnreinigungen und Bleaching anzubieten. Diese Leistungen gehörten zur Zahnheilkunde und seien demnach Zahnärzten vorbehalten. Die Zahnreinigung sei sinngemäß in § 1 Abs. 5 Zahnheilkundegesetz (ZHG) unter „Entfernung von weichen und harten sowie klinisch erreichbaren subgingivalen Belägen“ als an qualifiziertes Personal delegierbare Leistung aufgeführt. Die Delegierung auf dafür ausgebildetes Fachpersonal bedeute nichts anderes, als dass dieses Personal unter Aufsicht und Leitung des Zahnarztes behandeln müsse.
Auch das Bleaching wurde dem Zahntechniker untersagt, es sei denn, dieses erfolge mittels Whitening-Zahncremes oder anderen frei verfügbaren Produkten, deren Wasserstoffperoxidgehalt sechs Prozent nicht übersteige.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte die Frage zu klären, ob es sich bei Zahnbleichmitteln um Kosmetika oder Medizinprodukte handelt. Das Gericht entschied am 02.01.2008 (VGH B.-W., Az.: 9 S 2089/06.), dass es sich bei den gegenständlichen Bleichmitteln mit dem Wirkstoff Carbamidperoxid in beiden Konzentrationen (10 und 15%, d.h. Wasserstoffperoxidgehalt rund 3,6% bzw. 5,4%), um Medizinprodukte handele. Das Gericht stellte innerhalb seiner Begründung ebenfalls fest, dass Zahnverfärbungen von nicht unerheblichem Ausmaß nicht von vornherein aus dem Bereich der medizinischen Indikation ausgeschlossen werden könnten, selbst wenn sie durch Ablagerungen von Nahrungsmitteln, Getränken oder Tabak begründet seien. Gegen eine kosmetische Zweckbestimmung sprächen auch Eigenschaften und Wirkungsweise der Zahnbleichmittel. Anders als rein abrasiv wirkende Zahnweißer würden wasserstoffperoxidhaltige Zahnbleichmittel eine Wirkung im Zahn selbst entfalten. Nicht zu vernachlässigen sei auch, dass der Bestandteil Wasserstoffperoxid in diesen Konzentrationen mit nicht ganz unerheblichen Gesundheitsgefahren verbunden sei. Wasserstoffperoxid habe eine schwach kanzerogene Wirkung, ein genotoxisches Potenzial könne nicht ausgeschlossen werden. Für bestimmte Risikogruppen mit vorgeschädigter Mundschleimhaut, wie etwa Alkoholiker und Raucher, sei die Anwendung der Bleichmittel daher auszuschließen.
Wenn sich auch das Urteil nicht direkt mit der Frage auseinandersetzt, ob es sich beim Bleaching um Zahnheilkunde handelt, ergibt sich doch ein Hinweis dahingehend, dass aufgrund der Nebenwirkungen und der Beschaffenheit der Bleichmittel zumindest eine Mitwirkung des Zahnarztes erforderlich ist.
Die Bundeszahnärztekammer ist seit Jahren ebenfalls der Auffassung, dass Bleaching der Zahnheilkunde zuzuordnen ist. (Siehe: „Stellungnahme der Bundeszahnärztekammer zur Frage, ob die Zahnweißung eine zahnärztliche Tätigkeit darstellt oder reine Kosmetik ist, die auch durch Nicht-Zahnärzte durchgeführt werden kann“, vom 20.12.2004.)
Nach derzeit überwiegender Auffassung sind die professionelle Zahnreinigung, Fluoridierungen, Politur sowie Prophylaxe und Bleaching der Zahnheilkunde und damit der zahnärztlichen Tätigkeit zuzuordnen. Die Auffassung einiger Gerichte, Bleaching sei ein zu geringer Eingriff, um ärztliches Fachwissen zu erfordern, bleibt bei dem „handwerklichen“ Eingriff als solchem stehen. Sie berücksichtigt nicht die notwendigen Voruntersuchungen, um systemische Erkankungen sowie Erkrankungen der Zähne ausschließen zu können sowie das Erfordernis einer qualifizierten Überwachung.
Das bedeutet, dass diese genannten Behandlungsmaßnahmen zwar auf Helferinnen delegiert werden können, dass nicht Approbierte aber nicht selbstständig in „Bleaching-Shops“ tätig werden können. Die Behandlung bleibt in der Hand des Zahnarztes, denn es handelt sich um invasive Behandlungen in der Mundhöhle, die bei nicht fachgerechter Anordnung und Überwachung Gesundheitsrisiken mit sich bringen können.
Seitenanfang
Extraorale ästhetische Korrekturen (Faltenunterspritzung)
Soweit extraorale Eingriffe durchgeführt werden, wie z.B. Faltenunterspritzungen, stellt sich die Frage, ob und ggf. welche dieser Eingriffe in den Tätigkeitsbereich des Zahnarztes fallen. Entschieden ist in der Rechtsprechung, dass es sich bei der Faltenunterspritzung nicht um eine rein kosmetische Maßnahme, sondern um Ausübung der Heilkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz handelt. So haben zuletzt das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen am 28.04.2006 (OVG Nordrhein-Westfalen, MedR 2006, 487.) und ihm nachfolgend das Bundesverwaltungsgericht am 25.06.2007 (BVerwG, NVwZ-RR 2007, 429.) entschieden. Zur Durchführung der Tätigkeit bedürfe es nicht nur Fähigkeiten und Kenntnisse hinsichtlich des Setzens von Injektionen, sondern insbesondere anatomische Kenntnisse über den Verlauf der Nerven, Muskeln und Blutgefäße im Gesicht sowie Kenntnisse, um gesundheitlichen Schädigungen wie Entzündungs- oder Abstoßungsreaktionen vorzubeugen. Nichts anderes kann dementsprechend für die Lippenaugmentation gelten – wenn auch noch nicht ausdrücklich gerichtlich entschieden. Sowohl Kosmetikerinnen als auch zahnmedizinisches Hilfspersonal dürfen deshalb keine Faltenunterspritzungen vornehmen.
Da eine heilkundliche Tätigkeit vorliegt, stellt sich die Frage, ob diese Maßnahmen auch der „Zahnheilkunde“ gem. § 1 Abs. 3 Zahnheilkundegesetz zugerechnet werden können. Nur dann dürften sie auch von Zahnärzten erbracht werden. Es sprechen gute Gründe dafür, dass zumindest die Lippenaugmentation und die Faltenunterspritzung der perioralen Falten und Naso-Labialfalten auch der Zahnheilkunde zugeordnet werden können. Diese Körperregionen befinden sich im Bereich des Mundes, der schon nach
§ 1 Abs. 3 ZHG ausdrücklich von der Zahnheilkunde mit umfasst ist. Dass der Zahnarzt nicht ausschließlich intraoral, sondern auch extraoral tätig sein darf, ergibt sich bspw. aus Nr. 41 b BEMA bzw. der Nr. 011 GOZ, wonach auch eine extraorale Leitungsanästhesie zum zahnärztlichen Tätigkeitsbereich gehört. Stellt man in erster Linie auf den Patientenschutz ab, so ist dieser durch eine Unterspritzung perioraler Falten nicht mehr gefährdet als durch eine extraorale Leitungsanästhesie. In beiden Fällen ist die (zahn)medizinische Kenntnis von anatomischen Strukturen usw. erforderlich. Die subkutane Unterspritzung dürfte sogar deutlich weniger Risiken bieten als eine extraorale Leitungsanästhesie, die perineural gesetzt werden muss. Das OLG Zweibrücken hat in einer älteren Entscheidung von 1998 (OLG Zweibrücken, WRP 1999, 228.) unter anderem die extraorale Eröffnung von Abszessen und Phlegmonen als „Übergriffe in den unmittelbar angrenzenden Bereich“ für zulässig erachtet.
Ansonsten hat diese Sichtweise bisher leider noch keinen Anklang in der Rechtsprechung gefunden. Das Verwaltungsgericht Köln hat am 02.08.2005 (VG Köln, Az.: L 798/05.) – auf Anregung der Zahnärztekammer Nordrhein – einer Zahnarztpraxis untersagt, Faltenunterspritzungen mittels Kollagen, Botox und Hyaluronsäure vorzunehmen. Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt, dass dem zahnärztlichen Bereich nur diejenigen Behandlungsmaßnahmen zugerechnet werden könnten, die ihren unmittelbaren Behandlungsansatz im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer haben, nicht nur „mittelbar“ mit diesen Bereichen zusammenhängen. Das Gericht beruft sich auf die Definition des § 1 Abs. 3 Zahnheilkundegesetz, der Krankheiten innerhalb der Zahnheilkunde als „jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer“ bezeichnet.
Mit anderen Worten: Es dürfen auch extraorale Bereiche behandelt werden, aber nur, wenn dieser Bereich behandelt werden muss, da eine Erkrankung der Zähne, des Mundes und der Kiefer vorliegt, z.B. eine Entzündung des Zahnsystems. Nach dieser Entscheidung dürften Faltenunterspritzungen und Lippenaugmentationen nicht von einem Zahnarzt vorgenommen werden. Das Verfahren befand sich noch im Stadium des einstweiligen Rechtsschutzes und wurde aus Kostengründen nicht fortgesetzt, sodass eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr erging. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu diesem Thema steht noch aus.
Zahnärzte, die diese Leistungen anbieten, müssen allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit einer Beanstandung durch die zuständige Zahnärztekammer und ggf. mit einem gerichtlichen Verfahren rechnen.
Zahnschmuck
Wenig beachtet ist bislang das Thema „Zahnschmuck“, welches von Zahn- oder Zahnfleisch-Tattoos über Dental Jewelry, Zahncaps bis zu Zungenpiercings reicht.
Es stellen sich hier die gleichen Abgrenzungsfragen wie oben, nur ist die Rechtsprechung, soweit ersichtlich, noch nicht mit dem Thema konfrontiert worden. Die Grenzziehung zwischen Zahnheilkunde und Kosmetik wird hier mitten durch die angebotenen Verfahren laufen. Praktisch alle Methoden können allerdings mehr oder weniger starke Gesundheitsschäden hervorrufen. So können im Bereich des Zahnschmucks Schmelzschäden entstehen, wenn die Mundhygiene nicht stimmt. Zahncaps, die aus der Hip-Hop-Szene stammenden goldenen und diamantenen Zahnüberzüge, hinterlassen beim Anbringen und Entfernen fast immer deutliche Schäden an den Zähnen und am Zahnfleisch. Es kann sogar zu Zahnfehlstellungen kommen. Piercings können zu Schäden am Zahnfleisch oder Zahnschmelz, zu starken Schwellungen oder sogar zu Teillähmungen führen. Die genannten Verfahren gehören deshalb in die Hand eines Zahnarztes und nicht in ein „Tattoo- oder Zahnschmuckstudio“.
Fazit
Es gilt angesichts der uneinheitlichen Rechtsprechung im ästhetischen Bereich genau abzuklären, ob die Leistungen, die in das Angebot übernommen werden sollen, zulässig sind, um berufsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
Autor: Dr. Stefan Stelzl/Sindelfingen