Recht 14.04.2022
Erfolgsversprechende Internetwerbung von Alignerbehandlung zulässig?
share
Das Verwaltungsgericht Münster (VG Münster, Urt. v. 3.3.2022 – Az. 5 K 3488/21) verneinte dies in einer aktuellen Entscheidung. Die in Rede stehende zahnärztliche Leistung dürfte weder als unverbindliche Beratung noch damit, dass ein bestimmter Behandlungserfolg mit Sicherheit zu erwarten sei, beworben werden.
Worum ging es?
Eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis bot u. a. die Behandlung von Zahnfehlstellungen mittels transparenter Aligner nach dem Invisalign-System an. Sie bewarb die Behandlung auf ihrer Homepage mit einem kostenlosen bzw. unverbindlichen Beratungstermin. Gleichzeitig wurde die Anfertigung einer Sofortsimulation des zukünftigen Ergebnisses beworben.
Die zuständige Zahnärztekammer untersagte der Gemeinschaftspraxis die Werbung, da sie anpreisend und irreführend sei. Patienten würden einerseits Leistungen als kostenfrei/,,unverbindlich" angeboten, die nach dem Berufsrecht nicht kostenfrei erbracht werden dürften. Andererseits erwecke die "Sofortsimulation deines zukünftigen Lächelns" fälschlicherweise den Eindruck, dass ein bestimmter Behandlungserfolg mit Sicherheit erwartet werden könne.
Gegen diesen Bescheid klagten die betroffenen Zahnärzte der Gemeinschaftspraxis. Ohne Erfolg!
Die Entscheidung
Das VG Münster wies die Klage als unbegründet zurück. Die Untersagungsverfügungen der beklagten Zahnärztekammer stellten sich als rechtmäßig dar.
Kostenlose zahnmedizinische Leistungen unzulässig
Das Inaussichtstellen einer "unverbindlichen" (kostenlosen) Beratung und Sofortsimulation sei eine unzulässige anpreisende Werbung i.S.v. § 21 Abs. 1 S. 2 Berufsordnung der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe (BO WL). Es erfolge eine preisbezogene Werbeaussage, bei der allein über den Preis ein Wettbewerb um zahnmedizinische Leistungen ausgetragen werde. Aufgrund der konkreten Beschreibung der Leistungen und dem Kontext der Werbung gehe der angesprochene Verkehr von einer Beratung zur kieferorthopädischen Behandlung mit Aligner aus, die weit über die reine Beantwortung einer ganz grundsätzlichen Kostenfrage hinausgehe. Vielmehr verstehe ein Patient die Werbung dahingehend, dass die "unverbindliche Beratung" die umfassende Erklärung seiner individuellen Behandlung mit der Aligner-Therapie sowie die Klärung und Beratung zu all seinen Fragen dazu enthalte. Der interessierte Werbeadressat erwarte aufgrund der Werbung eine umfassende und mit einer zumindest groben Untersuchung- und Befunderhebung einhergehende kostenlose individuelle zahnärztliche Beratung.
Werbung mit Behandlungserfolg irreführend
Die Werbung mit "Sofortsimulation deines zukünftigen Lächelns" sei ebenfalls als irreführende Werbung berufsrechtswidrig im Sinne des § 21 Abs. 1 S. 2 BO WL. Die Werbung erwecke fälschlicherweise den Eindruck, dass ein bestimmter Behandlungserfolg mit Sicherheit erwartet werden könne. Dies ergebe sich auch durch die verwendete Formulierung, dass der Patient "sich auf diese Weise einen ganz plastischen Eindruck von seinem zukünftigen Aussehen machen" könne. Es sei für den aufgeklärten Werbeadressaten insoweit auch nicht sofort ersichtlich, dass eine solche Simulation nicht etwa ein vorweggenommenes Endergebnis sei. Das Versprechen eines bestimmten Behandlungserfolges sei aber auch mit einer Sofortsimulation nicht möglich.
Wirtschaftliche Informationspflicht nicht betroffen
Auch der Einwand der Kläger, dass der behandelnde Zahnarzt den Patienten vor Beginn der Behandlung im Rahmen seiner Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung nach § 630c Abs. 3 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) informieren müsse, wies das Gericht zurück. Bei dieser wirtschaftlichen Informationspflicht handele es sich nicht um eine ? ggf. kostenlose ? vorvertragliche Verpflichtung des behandelnden Arztes, sondern um eine vertragliche Nebenpflicht hinsichtlich der konkret ins Auge gefassten Behandlung im Rahmen des durch den Behandlungsvertrag gegründeten Behandlungsverhältnisses.
Fazit
Das (zahn)ärztliche Werberecht hat in den letzten Jahren zwar insgesamt eine Ausweitung erfahren, dennoch sind – wie die vorliegende Entscheidung zeigt – nach wie vor spezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. Überall dort, wo in der Werbung die Gesundheit ins Spiel gebracht wird, sind besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen zu stellen. Es empfiehlt sich daher, Werbemaßnahmen juristisch prüfen zu lassen.