Recht 19.10.2021

Rechtliche Aspekte der digitalen Behandlungsplanung



Rechtliche Aspekte der digitalen Behandlungsplanung

Foto: XArtProduction/Shutterstock.com

Digitale Technologien sind längst auch in der Kieferorthopädie angekommen. Mit ihnen sind zahlreiche Vorteile für den Patienten als auch den Behandler verbunden. So ermöglichen sie heute neben der Therapieplanung und Fertigung von Behandlungsapparaturen z. B. die Darstellung der Behandlungsoptionen sowie Vorab-Visualisierung des angestrebten Ergebnisses, was eine optimale Beratung sowie Motivierung des Patienten ermöglicht. Zudem sind Monitoring-Tools verfügbar, die den Patienten aktiv in die Kontrolle des Behandlungsfortschritts mit einbinden.

Es war wohl zunächst die Zahnimplantologie, der es gelang, mit einer 3D-Befunderfassung dem Behandler prospektiv Anhaltspunkte zu geben, wie eine Implantatpositionierung und der Behandlungsablauf bis hin zur prothetischen Versorgung zu gestalten sei. Diese Visualisierung diente dabei primär dem Chirurgen zur Operationsvorbereitung. Auf dieser Grundlage wurden dann auch Ausführungsbehelfe wie Bohrschablonen und prothetische Versorgungskonzepte zur Darstellung gebracht. Tatsächlich gelang es hier sogar frühzeitig, eine Kostentragung zu erwirken, sodass die Behandlungsplanung in Gestalt einer Behandlungsvisualisierung nicht nur als medizinisch notwendig, sondern auch als kostenmäßig darstellbar anerkannt wurde („Virtuelle Implantatplanung“, BZÄK Juni 2013; Verwaltungsgericht Stuttgart, Urt. v. 11.7.2017, 12 K 634/15: zur MKG-Abrechnung der Simulation einer bimaxillären Umstellungsosteotomie im Rahmen des Surgery-First-Konzeptes).

Derartige Visualisierungen im Rahmen der Planung hielten dann mit der Etablierung der Alignertechnologie auch in der KFO-Praxis Einzug. Auch hier waren sie primär adressiert an den Behandler. Erst in den letzten Jahren wurden solche Visualisierungen auch zur Patienteninformation im Vorfeld einer Behandlung oder gar als Grundlage der initialen Patientengenehmigung eingesetzt.

Durch den Fortfall des Verbots der Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern nach dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) wurde die weitergehende Verwendung dieser Visualisierungstools direkt gegenüber dem Verbraucher möglich. Eine eigene separate Abrechnung dieser Visualisierungen, beispielsweise nach Nr. 0040a GOZ oder Nr. 0610a GOZ oder 5377a GOÄ, hat sich indes im Bereich der Kieferorthopädie nicht etablieren können.

Dutzende gerichtliche Entscheidungen befassen sich zwar mit dem Begriff der Behandlungsplanung im kieferorthopädischen Kontext. Ihm wohnt ein prognostisches Element inne, da ein Therapieziel zu definieren ist. Ärztlich nachvollziehbar, juristisch aber unzulässig ist eine alternative Planung im kieferorthopädischen Behandlungsplan mit mehreren denkbaren Behandlungsgeräten für die Behandlungsfortsetzung nach dem künftigen Durchbruch der bleibenden Zähne (Oberlandesgericht Düsseldorf, Urt. v. 24.3.2015, I-4 U 179/11). Insofern ist eine Planung nur soweit erstattungspflichtig, wie sie im Planungszeitpunkt wirklich schon konkretisiert ist. Ein Offenlassen des Behandlungsgerätes nimmt der Planung die Beurteilbarkeit. Dem Begriff der Behandlungsplanung liegt ferner der Gedanke der Einheitlichkeit der Planung zugrunde, auch wenn womöglich mehrere Plankonzepte zunächst aufgeworfen werden, beispielsweise auf Wunsch des Patienten. Bei nichtärztlichen Planungen hat die digitale Darstellbarkeit alle Formen einer Planbesprechung geradezu revolutioniert. Es ist nicht erkennbar, dass in der Zahnheilkunde die Digitalisierung sich weniger drastisch durchsetzt. Die Planungsgebühr ist für den Kieferorthopäden indes nur einmal abrechenbar, weil letztlich verworfene Detailkonzepte im finalen Plan aufgehen und durch diesen abschließend, und zwar einmalig, vergütet werden.

Trotz des gesamthaften Ansatzes einer Planung, die alle fachlich gebotenen Aspekte erfasst und in der Planung bewältigt, ermöglicht gerade die Digitalisierung eine abschichtende Verfolgung von Behandlungs- und Planungszielen. So soll bei einer 55-jährigen Patientin eine Beschränkung der Kieferorthopädie auf den sichtbaren Frontzahnbereich bei Belassen eines beiderseitigen Kreuzbisses zulässig sein, wenn diese Behandlung fachzahnärztlich geplant und der Patient über die Vorteile einer umfassenden Behandlung aufgeklärt worden war (Amtsgericht Siegburg, Urt. v. 11.2.2019, 113 C 89/17). Ferner soll die Beschränkung der Behandlung auf den Oberkiefer planerisch nicht zu beanstanden sein, wenn ein Beratungsarzt der privaten Krankenversicherung aus Kostengründen allein den dritten Quadranten für behandlungswürdig hält (Amtsgericht Düsseldorf, Urt. v. 19.5.2018, 33 C 10350/13).

Solche Planungen wären nach bisheriger Rechtsprechung als Planungsfehler qualifiziert worden (insbesondere im prothetischen Bereich); offenbar ermöglicht die digitale Planung eine stärkere Segmentierung der Behandlungsziele, was für ästhetisch angetriebene Patienten ein Segen sein mag, für den konventionell tätigen Kieferorthopäden aber sicher einige Fragen aufwirft. Immerhin dürfte eine solche Planung dank einer vorherigen Visualisierung des prospektiven Ergebnisses in einem stärken Maße vom „informed consent“ des Patienten getragen sein als bei einer rein textlichen Darstellung der Behandlungsziele im schriftlichen Heil- und Kostenplan.

Neben der Arzt- und Patienteninformation im Vorfeld der Behandlung bildet die Verlaufskontrolle eine weitere Kernfunktion der digitalen Befunddarstellung. Möglicherweise ist die Kieferorthopädie dasjenige zahnmedizinische Fach, in dem ein Behandlungserfolg am sichersten realisiert werden kann, wenn einmal eine ideale Patientenmitwirkung vorausgesetzt wird. Dies mag wohl der Grund dafür sein, warum die Realisierung eines Behandlungszieles, wie z. B. „perfekte Zähne“ in der Werbung einer Fachzahnärztin für Kieferorthopädie, als sicher dargestellt wurde, was indes nach dem zahnärztlichen Werberecht nicht zulässig ist. Denn stets kann im Einzelfall auch eine standardgerecht und fachzahnärztlich begleitete Behandlung scheitern. Das Erfordernis einer Verlaufskontrolle entspringt den zum Teil beträchtlichen Behandlungszeiträumen von bis zu vier Jahren bei Verlängerungsmöglichkeit (Indikation vorausgesetzt). Zusätzliche Scans können hier eine zusätzliche Absicherung bewirken.

Durch regelmäßige Scans in der Praxis nach 0065 GOZ kann die Erwartungstreue einer Behandlung durch digitale Applikationen erfasst und bewertet werden. Hierzu ergänzend eingesetzte „remote monitoring tools“ gestatten die Einbindung des Patienten in die Behandlung. Die Erkenntnisse aus beiden Bildgebungen und deren Kommunikation mit dem Patienten erhöhen nicht nur bei digitalaffinen Alignerpatienten die Therapietreue. Insofern schafft die Digitalisierung dem Kieferorthopäden Zugang zu eben jenem Bereich, der bislang die Hauptursache des Versagens einer fachgerechten Therapie war: die unzureichende Patientenmitwirkung.

Dieser Beitrag ist in KN Kieferorthopädie Nachrichten erschienen.

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