Recht 28.02.2011

Arbeitsrechts-Update für den Laborinhaber



Arbeitsrechts-Update für den Laborinhaber

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Ein zahntechnisches Labor lebt von modernster Technik und Geräten sowie von Service und kompetenten Mitarbeitern. Der Laborinhaber ist deshalb nicht nur zahntechnischer oder zahnmedizinsicher Fachmann, sondern stets auch Arbeitgeber. Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer können kostspielig und nervenaufreibend sein. Der Laborinhaber sollte deshalb fachlich auf dem neuesten Stand sein und auch über die Grundsätze des Arbeitsrechts Bescheid wissen.

Nachfolgend werden die neuesten – für den Laborinhaber relevanten – Entwicklungen vorgestellt.

Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG)

Bei Kündigungssachverhalten ist die zentrale Weichenstellung zunächst die Frage, ob das KSchG überhaupt anwendbar ist. Denn nur dann müssen personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe die Kündigung rechtfertigen. Im Streitfall muss der Arbeitgeber diese Gründe auch beweisen können. Ist das KSchG dagegen nicht anwendbar, ist der Arbeitgeber bis zur Grenze der Willkür frei in seiner Kün­digungsentscheidung. Konkret bedeutet dies, dass die Kündigung von Mitarbeitern bei Anwendbarkeit des KSchG erheblich schwieriger ist.

Das Gesetz ist zunächst nur auf Arbeitnehmer anwendbar, die eine Wartezeit von sechs Monaten erfüllt haben, deren Arbeitsverhältnis also ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat (§ 1 Abs. 1 KSchG). Es findet zudem nur auf Betriebe Anwendung, die in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigen (§ 23 Abs. 1 S. 3 KSchG). Kleinbetriebe sollen bewusst von der Anwendbarkeit ausgenommen werden. Für schon vor Ende des Jahres 2003 eingestellte Arbeitnehmer liegt die Grenze noch bei mehr als fünf Arbeitnehmern, wobei sich diese Mitarbeitergrenze auf sogenannte „Altmitarbeiter“ bezieht; auch sie müssen vor Ende 2003 angestellt worden sein.

In einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln (Urteil vom 22.05.2009) stritten sich ein angestellter Zahntech­niker und der Inhaber eines Zahnlabors um die konkrete Beschäftigungszahl und damit um die Anwendbarkeit des KSchG. Der klagende Zahntechniker musste die Überschreitung der maßgeblichen Schwelle darlegen und beweisen. Dies gelang ihm am Ende nicht. Zunächst musste berücksichtig werden, dass Teilzeitkräfte nicht voll mit 1,0, sondern mit 0,75 bei regelmäßig nicht mehr als 30 Wochenstunden bzw. mit 0,5 bei regelmäßig nicht mehr als 20 Wochenstunden gezählt werden. Das Gericht stellte zudem klar, dass zwar Mitarbeiter in Elternzeit und länger­fristig Erkrankte mitgerechnet würden, nicht jedoch Beschäftigte, welche so erkrankt sind, dass mit einer Rückkehr an den Arbeitsplatz nicht mehr zu rechnen sei. Dies gelte auch, wenn ein Arbeitsverhältnis noch formal bestehe.

Zudem sei in der Regel die vertragliche Arbeitszeit maßgeblich, die vereinbarte dauerhafte Verringerung der Arbeitszeit einiger Beschäftigter auf unter 30 Wochenstunden müsse also – als vertragliche Absprache – berücksichtigt werden. Überstunden und kurzfristige Arbeitsschwankungen blieben außer Betracht, sofern der Mitarbeiter nicht dauerhaft mit einer längeren Arbeitszeit eingesetzt werde. Wesentlich sei auch der Arbeitnehmerstatus, sodass Selbstständige wie etwa freie Mitarbeiter nicht eingerechnet würden. Bei einem Außendienstmitarbeiter der Beklagten gingen Zweifel an dessen Arbeitnehmerstellung zulasten des Klägers. Schließlich sei auch ein Beschäftigter, der an die Stelle des Gekündigten trete und diesen ersetze, nicht zusätzlich neben diesem mitzuzählen. Der Nachfolger auf der Position des Klägers wurde deshalb nicht als weiterer Arbeitnehmer einbezogen.

Tipp: Vor Ausspruch einer Kündigung muss überprüft werden, ob das KSchG Anwendung findet. Bei der Bestimmung der Mitarbeiterzahl ist Sorgfalt geboten.

Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer bei Kündigungsfristen

Bei einer ordentlichen Kündigung sind gesetzliche Fristen zu beachten, deren Länge sich nach der Betriebszugehörigkeit des zu kündigenden Mitarbeiters richtet. In § 622 Abs. 2 BGB sind bestimmte gestaffelte Fristen für eine Beschäftigungsdauer von z.B. zwei, fünf, acht und zehn Jahren aufgelistet. Nach dem bislang geltenden Recht sah § 622 Abs. 2 S. 2 BGB als Ausnahmeregel vor, dass Beschäftigungszeiten eines Arbeitnehmers vor Vollendung des 25. Lebensjahrs nicht bei der Berechnung der gesetzlichen Kündigungsfristen berücksichtigt wurden. Diese Vorschrift wurde nun vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen Altersdiskriminierung jüngerer Arbeitnehmer für europarechtswidrig – und unanwendbar – erklärt.

Im zu entscheidenden Fall hatte der Arbeitgeber nur die drei Jahre nach der Vollendung des 25. Lebensjahrs der Mitarbeiterin berücksichtigt und nicht die vollen zehn Jahre Beschäftigungszeit, die sie seit ihrem 18. Geburtstag zurückgelegt hatte. Dementsprechend wurde die Kündigung mit einer Frist von einem Monat – und nicht mit einer längeren Frist von vier Monaten – ausgesprochen.

Der EuGH ging in der Vorabentscheidung vom 19.01.2010 davon aus, dass eine europarechtswidrige direkte Altersdiskriminierung durch die Ungleichbehandlung vorliege. Diese könne auch nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, jüngere Arbeitnehmer könnten nach einer Kündigung schneller eine neue Stelle finden und von ihnen sei eine höhere Mobilität zu erwarten. Die nicht zu berücksichtigenden Beschäf­tigungszeiten würden sich auch noch viele Jahre später bei einer langen Betriebszugehörigkeit auf die Kündigungsfrist des Mitarbeiters auswirken, sodass der Zweck der Regelung nicht erreicht werde.

Auf nach dem 02.12.2006 ausgesprochene Kündigungen dürfe § 622 Abs. 2 S. 2 BGB – auch in privaten Rechtsverhältnissen – nicht mehr Anwendung finden. Für die Berechnung der richtigen Kündigungsfrist komme es nur noch auf die Dauer der Betriebszuge­hörigkeit des Mitarbeiters an, Zeiten vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs müssen mitgezählt werden.

Tipp: Bei der Bestimmung der Kündigungsfrist ist auch bei jüngeren Mit­arbeitern auf die gesamte Betriebszugehörigkeit abzustellen. § 622 Abs. 2 S. 2 BGB ist diskriminierend und deshalb unanwendbar.

Urlaubsanspruch und Urlaubs­abgeltung bei Langzeiterkrankungen

Eine wesentliche Veränderung hat auch das deutsche Urlaubsrecht durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erfahren. Streitpunkte waren die Bestimmungen zur Übertragung des Jahresurlaubs in § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) und zur finanziellen Abgeltung bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Langzeiterkrankungen. Nach § 7 Abs. 3 BUrlG musste der gesetzliche Jahresurlaub innerhalb des Kalenderjahrs gewährt und genommen werden und konnte nur im Ausnahmefall – etwa bei einer Krankheit des Arbeitnehmers – auf die ersten drei Monate des Folgejahrs übertragen werden. Sofern auch in diesem Übertragungszeitraum die Urlaubs­gewährung wegen längerer Krankheit nicht möglich war, verfiel der Urlaub nach der alten Rechtslage ersatzlos und dem Arbeitnehmer stand deshalb auch kein finanzieller Abgeltungsanspruch bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu. Obwohl der Arbeitnehmer eventuell für die Überschreitung des Übertragungszeitraumes gar nichts konnte, hatte er das Nachsehen.

Die Luxemburger Richter stellte im Urteil vom 20.01.2009 nun fest, dass diese Regelungen gegen Europarecht verstoßen, sofern der Arbeitnehmer wegen einer Krankheit ohne Verschulden gehindert war, seinen Urlaub zu nehmen. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger als Schwerbehinderter anerkannt und über zunehmend längere Zeiträume arbeitsunfähig krank, sodass ihm die Beklagte eine Rente bewilligte, mit der das Arbeits­verhältnis endete. Der EuGH stand dem Kläger das Recht zur finanziellen Ab­geltung des – auch im Übertragungszeitraum – nicht genommenen gesetzlichen Jahresurlaubs für die Zeit vor dem Renteneintritt zu. Der Arbeitnehmer müsse nach Auffassung des EuGH zumindest die Möglichkeit haben, sein Recht auf gesetzlichen Mindesturlaub ausüben zu können. Dazu war hier der Kläger wegen der andauernden Erkrankung aber gar nicht in der Lage. Ein Ver-fall des Urlaubsanspruches komme deshalb nicht in Betracht.

Der EuGH betonte, der Urlaubsanspruch sei ein besonders wichtiger Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft, er diene der Erholung und Gesundheit des Arbeitnehmers. Sei der Mitarbeiter krank, stehe dagegen die Genesung im Vordergrund. Falls der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch unverschuldet nicht habe wahrnehmen können, müsse er zumindest bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine finanzielle Vergütung erhalten.

Dieses Urteil beziehe sich allerdings nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 24.03.2009) nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub (und auf Zusatzurlaub von Schwerbehinderten), nicht jedoch auf darüber hinausgehenden Mehrurlaub, etwa aufgrund von großzügigeren Vereinbarungen in Tarif- oder Arbeitsverträgen. Für letzteren gilt § 7 Abs. 3 BurlG – also die Verfallsmöglichkeit – weiterhin.

Tipp: Bei Langzeiterkrankten kann es zu einer Kumulation von Urlaubsansprüchen kommen. In Arbeitsverträgen sollte deutlich zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und vertraglich oder tariflichen Mehrurlaub unterschieden werden, damit auf letztere die Verfallsvorschriften weiterhin Anwendung finden.

Autoren: RA Dr. Christopher Liebscher, LL.M., RA Wolf Constantin Bartha


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