Recht 21.02.2011

Auskunftspflicht gegenüber der PKV?

Auskunftspflicht gegenüber der PKV?

Foto: © Shutterstock.com

Das Auskunftsbegehren der Kostenerstatter gegenüber den Praxen nimmt stetig zu. Aber was darf die Versicherung anfordern und was muss die Praxis tatsächlich herausgeben? Eine aktuelle Entscheidung des LG Düsseldorf 29.07.2010 (Az. 3 O 431/02) schlägt eine  bedenkliche Richtung ein und öffnet Versicherungen Tür und Tor, um weitreichende Informationen ihrer Versicherungsnehmer einzuholen.

Das Problem

Versicherungen fragen zunehmend entweder unmittelbar die Praxis oder mittelbar über den Patienten nach Herausgabe der Behandlungsdokumentation.

Einsichtnahmerecht des Patienten

Soweit der Weg über den Patienten geht, ist dies unbedenklich. Unzweifelhaft hat der Patient gegenüber dem Behandler zu jedem Zeitpunkt das Recht auf Einsichtnahme in seine Behandlungsdokumentation. „Einsichtnahme“ heißt übersetzt: Der Patient kann in der Praxis die Dokumentation einsehen oder – gegen Kostenübernahme – eine Kopie der Unterlagen erhalten. Dieses Recht steht dem Patienten unabhängig davon zu, warum er Einsicht wünscht. Er kann damit die Weiterbehandlung unterstützen wollen, einen Haftungsprozess vorbereiten oder eben die Auskünfte an seinen Kostenerstatter weitergeben. Was er mit der Behandlungsdokumentation – auf die er Anspruch hat – macht, bleibt ihm überlassen.

Vorsicht – Keine Originale herausgeben

Es ist ausdrücklich davor zu warnen, Originale herauszugeben. Diese sind zwingend in der Praxis zu belassen. Alleine schon vor dem Hintergrund, dass sie eines Tages zu Beweiszwecken benötigt werden. Einen Anspruch auf die Herausgabe von Originalen hat der Patient nicht. Persönliche Anmerkungen dürfen ebenso wie für den Patienten „schädliche“ Bemerkungen geschwärzt werden.

Einsichtnahme durch PKV?

Wie aber verhält es sich, wenn die PKV die Herausgabe unmittelbar von der Praxis verlangt? Wendet sich die PKV unmittelbar an die Praxis und begehrt Auskünfte jedweder Art, muss grundätzlich und unverzichtbar eine Schweigepflichtentbindungserklärung des Patienten vorliegen. Hinweise der Versicherung, eine solche würde Ihnen vorliegen, Sie seien allgemein berechtigt oder die Erklärung würde nachgereicht werden, reichen unter keinen Umständen aus. Die Schweigepflichtentbindungserklärung muss der Praxis in aktueller und unterschriebener Form vorliegen.

Auskunftsverpflichtung aus dem Behandlungsvertrag

Das Urteil des LG Düsseldorf 29.07.2010 (Az. 3 O 431/02) räumt der Versicherung erstaunlich weitreichende Rechte ein, die von anderen Gerichten bislang in diesem Ausmaß nicht gewährt wurden. Andersherum formuliert: Das LG Düsseldorf leitet als Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag die Verpflichtung des Behandlers zur Auskunft gegenüber der Versicherung ab.

Aus den Entscheidungs­gründen des LG Düsseldorf: „Der Beklagte hat einen fälligen Anspruch gegen den Kläger aus § 242 BGB i.V.m. Behandlungsvertrag auf Erläu-terung der Gebührenabrechnung gehabt. Der Behandlungsvertrag steht wirtschaftlich unter der Rahmenbedingung, dass der Patient Ausgleich seiner Aufwendungen bei seiner Krankenversicherung sucht. Der Patient als Versicherungsnehmer hat gemäß §§ 34 VVG, 9 Abs. 2 MB/KK dem Versicherer jede Auskunft zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder der Leistungspflicht des Versicherers oder ihres Umfangs erforderlich ist. Der Versicherer kann hierfür diejenigen Auskünfte verlangen, die er für notwendig erachtet. Dazu gehört auch die Einsicht in die vollständigen Behandlungsunterlagen. Vor Erteilung der Auskünfte oder Beiziehung der Krankenunterlagen ist die Versicherungsleistung gemäß § 6 Abs. 1 MB/KK nicht fällig.

Da allein der behandelnde Arzt in der Lage ist, die von der Versicherung zur Prüfung ihrer Eintrittspflicht benötigten Angaben zu machen und der Patient auf diese Informationen angewiesen ist, um eine Kostenerstattung zu erlangen, ist der Arzt aus dem Behandlungsvertrag verpflichtet, dem privat versicherten Patienten alle Informationen zur Verfügung zu stellen, welche dieser benötigt, um eine Kostenerstattung von seinem Versicherer zu erlangen. Es handelt sich insoweit um eine aus § 242 BGB herleitbare selbstständige Nebenpflicht des Arztes. Die Erfüllung dieser Pflicht ist dem Arzt auch zumutbar. Denn er und kein anderer Beteiligter hat die Leistungen erbracht und die Gebührenrechnung gestellt. Der Patient als medizinischer Laie ist dagegen nicht in der Lage, ohne die erforderliche Unterstützung des Arztes seinen Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag nachzukommen.“

Es müssen keine konkreten Fragen gestellt werden

Nach Auffassung des LG Düsseldorf müssen dem Behandler keine konkreten Fragen gestellt werden. Seine Auskunftspflicht besteht demnach unabhängig von einem Fragenkatalog seitens der Versicherung.

Das LG Düsseldorf führt aus: „Der Anspruch auf Erläuterung der Gebührenrechnung hat auch unabhängig davon bestanden, ob der Beklagte bzw. die Streithelferin konkrete Fragen an den Arzt formuliert haben oder nicht. Der Patient kann die Herausgabe der gesamten Behandlungsunterlagen an sich oder an seine Versicherung verlangen. Hieraus ergibt sich, dass der Pa­tient nicht darauf beschränkt sein kann, fest umrissene Fragen zu stellen.“

Kein Honoraranspruch ohne Auskunft

Noch weiter geht das LG Düsseldorf, indem es die Auffassung vertritt, der Zahlungsanspruch könne von dem Patienten so lange blockiert werden, bis der Behandler die Auskünfte erteilt hat.

Das LG Düsseldorf leitet wie folgt her: „Infolge der Nichterfüllung der Ne-benpflicht aus dem Behandlungsvertrag ist der Beklagte berechtigt gewesen, sich auf ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB zu berufen. Denn der Patient kann nicht darauf ver-wiesen werden, die Arztrechnung umgehend zu bezahlen, obwohl er wegen der fehlen-den Unterstützung des Arztes eine Erstattung seiner Versicherung nicht erlangen kann. Dies würde dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen. Dem Patient ist es nicht zuzumuten, ohne Handhabe gegen den Arzt die Rechnung zu bezahlen und den Arzt danach auf Herausgabe der Krankenunterlagen oder Erteilung von näheren Auskünften verklagen zu müssen.“

Kritik an dem Urteil des LG Düsseldorf

Das Urteil ist in mehrerer Hinsicht deutlich zu kritisieren. Einmal muss der Auskunftsanspruch der Versicherung ganz konkret und ausschließlich auf das beschränkt sein, was die Versicherung tatsächlich zur Prüfung ihrer Erstattungsverpflichtung benötigt. Alles darüber Hinausgehende – im schlimmsten Falle bis hin zur Herausgabe der gesamten Behandlungsdokumentation – muss hier ganz klar heraus gehalten werden. Weiter darf der Honoraranspruch des Behandlers auf keinen Fall davon abhängen, ob dieser jeder – sei sie noch so unsinnig und wiederholt – Nachfrage der Versicherung nachgekommen ist.

Fazit

Alles in allem darf das Ergebnis nicht sein, dass es ohne jedes Rechtsverhältnis zwischen Praxis und Versicherung zu so weitreichenden Eingriffen seitens der PKV kommen darf.

Autor: Kanzlei Dr. Zentai – Heckenbücker Rechtsanwälte Partnergesellschaft



Mehr News aus Recht

ePaper