Recht 04.04.2022

Befreiung von der Maskenpflicht nur durch nachvollziehbare Angaben



Befreiung von der Maskenpflicht nur durch nachvollziehbare Angaben

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Zwei Arbeitsgerichte durften sich aktuell mit der Frage befassen, ob das Verweigern eines Arbeitnehmers, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, als Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu bewerten ist. Gegenstand beider Verfahren war der Bestand des Arbeitsverhältnisses angesichts der jeweiligen Kündigung wegen Nichttragens eines Mund-Nasen-Schutzes.

Sowohl das Arbeitsgericht Köln (Urt. v. 17.06.2021 – Az. 12 Ca 450/21) als auch das Arbeitsgericht Cottbus (Urt. v. 17.06.2021 – Az. 11 Ca 10390/20) wiesen die Klagen des jeweils klagenden Arbeitnehmers ab.

Arbeitsgericht Köln – Worum ging es?

In dem vom Arbeitsgericht Köln entschiedenen Fall war der klagende Arbeitnehmer seit 2015 bei der beklagten Arbeitgeberin als Servicetechniker im Außendienst tätig. Aufgrund der Pandemiesituation erteilte die Beklagte allen Servicetechnikern die Anweisung, bei Kundeneinsätzen eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.

Anfang Dezember 2020 erhielt der Kläger einen Serviceauftrag bei einem Kunden, der ausdrücklich auf die Maskentragepflicht hingewiesen hatte. Der Kläger teilte daraufhin dem Kunden direkt mit, dass er keine Maske tragen und den Auftrag nicht durchführen werde.

Am selben Tag reichte er unter dem Betreff „Rotzlappenbefreiung“ ein auf Blankopapier ausgestelltes auf Juni 2020 datiertes ärztliches Attest bei seinem Arbeitgeber ein. In diesem hieß es wörtlich, dass es dem Kläger aus medizinischen Gründen unzumutbar sei, eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der SARS-COV-2 Eindämmungsmaßnahmen-verordnung zu tragen.

Die Beklagte erkannte das vorgelegte Attest mit Schreiben gleichen Tages mangels konkreter nachvollziehbarer Angaben nicht an und erteilte dem Kläger die Weisung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Gleichwohl bot sie dem Kläger eine betriebsärztliche Untersuchung an, die er jedoch ablehnte. Daraufhin mahnte ihn die Arbeitgeberin wegen des Anfang Dezember 2020 abgelehnten Serviceauftrags ab. Anschließend übersandte der Kläger mit dem Absender „XXX Mensch mit natürlicher Person entspr. § 1 des Staatlichen BGB, Stand 1896…“ ein Schreiben an die Beklagte, in dem er Ausführungen zum Anlass seiner Gesundheitsbeeinträchtigungen machte.

Die Durchführung eines weiteren Anfang Januar 2021 anstehenden Serviceauftrags machte der Kläger davon abhängig, dass er keine Maske tragen müsse. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Hiergegen richtete sich seine Klage. Ohne Erfolg!

Außerordentliche Kündigung wirksam

Das ArbG ordnete bereits die außerordentliche Kündigung als wirksam ein. Entsprechend war das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang beendet worden.

Der Kläger habe mit seiner beharrlichen Verweigerung, bei der Ausübung seiner Tätigkeit bei den Kunden den von der Beklagten angeordneten und von dem Kunden verlangten Mund-Nasen-Schutz zu tragen, wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen. Dabei wurden die durch das Nichttragen verbundenen Risiken während der Pandemiehochphase im Januar 2021 für den Kläger selbst sowie für die Kunden als offenkundig unterstellt.

Attest mangelhaft

Das vorgelegte Attest vom 26. Juni 2021 sei aus verschiedenen Gründen nicht geeignet gewesen, dieses Verhalten zu rechtfertigen. Zum einen sei das Attest zum Zeitpunkt seiner Vorlage Anfang Dezember 2021 bereits fast ein halbes Jahr alt und damit nicht mehr aktuell gewesen. Zudem enthalte das formularmäßige Attest nur einen Satz und keinerlei Begründung, aufgrund welcher gesundheitlicher Gründe das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für den Kläger nicht möglich bzw. zumutbar gewesen sein soll. Es fehle an der konkreten Diagnose eines Krankheitsbildes. Ein derartiges Attest sei nicht hinreichend aussagekräftig und zur Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe, die eine Befreiung von der Maskenpflicht rechtfertigten, nicht ausreichend.

Für eine Glaubhaftmachung der Befreiung von der Maskenpflicht aus gesundheitlichen Gründen bedürfe es ärztlicher Bescheinigungen, die konkrete und nachvollziehbare Angaben enthielten. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass ggf. durch Gefälligkeitsattest die angeordnete Maskenpflicht unterlaufen und ihre Wirksamkeit verlieren würde. Die notwendige ärztliche Begründung habe der Kläger auch nicht durch seine schriftliche Eigendiagnose ergänzt. Weiterhin verweise das Attest nur auf Einschränkungen des Tragens „nichtmedizinischer“ Masken, so dass hiernach sogar das Tragen medizinischer Masken möglich gewesen wäre. Die Beklagte habe dem Kläger hierzu sogar die Kostenübernahme angeboten bzw. ihm angeboten, die von ihm behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen durch entsprechende ärztliche Diagnose nachzuweisen.

Zweifel an Ernsthaftigkeit der medizinischen Einschränkung

Schließlich bestünden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der vom Kläger behaupteten medizinischen Einschränkungen, da er selbst den Mund-Nasen-Schutz als Rotzlappen bezeichnet und dem Angebot einer betriebsärztlichen Untersuchung trotz behaupteter gesundheitlicher Einschränkungen nicht nachgekommen sei.

Aufgrund des wiederholten Verhaltens und seiner Einlassungen im Kündigungsschutzprozess ging das Gericht abschließend auch von einer negativen Zukunftsprognose aus. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn für die Zukunft feststeht, dass ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsvertrag nicht erfüllen können wird.

Arbeitsgericht Cottbus – Worum ging es?

Ähnlich verhielt es sich bei dem vom Arbeitsgericht Cottbus entschiedenen Fall. Hier sollte eine angestellte Logopädin nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit bei Antritt der Arbeit am 10. August 2020 auf Anordnung der Inhaberin der logopädischen Praxis bei der Arbeit einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Die klagende Arbeitnehmerin war die einzige Beschäftigte in der logopädischen Praxis.

Unter Vorlage mehrerer ärztlicher Atteste verweigerte die Klägerin wiederholt das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Das Angebot der Beklagten, verschiedene Masken auszuprobieren bzw. das Tragen zu trainieren und zusätzlichen Pausen einzulegen, nahm die Klägerin nicht an.

Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 12. August 2020 das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Oktober 2020 und stellte die Klägerin unwiderruflich unter Anrechnung auf Urlaubs- und Freistellungansprüche frei. Gegen diese Kündigung wandte sich Klage. Auch hier blieb die Klage ohne Erfolg.

Kündigung nicht treuwidrig

Das Arbeitsgericht Cottbus qualifizierte die Kündigung als wirksam, insbesondere sei sie nicht treuwidrig.

Die Beklagte habe zu Recht die Entscheidung treffen können, dass während der Behandlung ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen sei. Dies sei nach § 2 der zum damaligen Zeitpunkt gültigen SARS-CoV-2 -Umgangsverordnung des Landes Brandenburg zwingend vorgeschrieben gewesen. Es sei insoweit nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte die Vorgaben umsetze.

Die Beklagte sei nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet gewesen, zum Schutz der Gesundheit der Patienten und der Klägerin sowie zum Eigenschutz, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes anzuordnen. Auch im Hinblick auf das Risiko einer zeitweisen Schließung der Praxis infolge einer Infektion und Quarantäneanordnung sei die Entscheidung absolut nachvollziehbar. Sie sei weder willkürlich noch unangemessen gewesen.

Hinzu komme, dass die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung zahlreiche Bemühungen unternommen habe, der Klägerin ein Arbeiten mit Mund-Nasen-Schutz zu ermöglichen. Nachdem die Klägerin das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes während der Behandlung endgültig abgelehnt habe, sei für sie keine Einsatzmöglichkeit im Betrieb der Beklagten mehr vorhanden gewesen.

Atteste beruhen nicht auf seriöser medizinischer Einschätzung

Darüber hinaus seien die von der Klägerin vorgelegten Atteste nicht geeignet gewesen, eine wirksame Befreiung vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zu begründen. In den von der Klägerin vorgelegten Attesten sei lediglich die Rede davon, dass ihr das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes unzumutbar sei. Es sei nicht erkennbar, worin die Störungen bestünden, wie sich diese konkret äußerten und worauf sie beruhten. Derartige Atteste seien nicht hinreichend aussagekräftig und zur Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe, die eine Befreiung von der Maskenpflicht rechtfertigen, nicht ausreichend. Es spreche viel dafür, dass die Atteste Gefälligkeitsbescheinigungen waren, die jedenfalls erkennbar nicht auf einer seriösen medizinischen Einschätzung beruhten. 

Fazit

In der Rechtsprechung zeichnet sich insgesamt die Tendenz ab, dass hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe für eine Befreiung von der Maskenpflicht gestellt werden (vgl. bspw. OVG NRW Beschl. v. 24.9.2020 – 13 B 1368/20 ; VGH München, Beschl. v. 08.12.2020 – 20 CE 20.2875 ; LAG Köln, Urt. v. 12.04.2021 – 2 SaGa 1/21).

Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass Arbeitgeber im Rahmen der allgemeinen Fürsorgepflicht zum größtmöglichen Schutz der Beschäftigten verpflichtet sind (vgl. hierzu § 618 Abs. 1 BGB, § 3 ArbSchG); in der Pandemiesituation nochmals gesteigert. Diese Fürsorgepflicht betrifft beide Richtungen gleichermaßen, also den maskenverweigernden Arbeitnehmer aber auch alle anderen Arbeitnehmer (sowie Kunden/Patienten/Besucher, etc.), die durch die Maskenverweigerung einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sein können. Hinzu tritt, dass der durch die Maskentragepflicht angestrebte Infektionsschutz durch Gefälligkeitsbescheinigungen ausgehebelt wird.

Für Arbeitgeber bedeutet das im Ergebnis, dass sie anspruchsvoll sein können, wenn ihnen ärztliche Atteste zur Befreiung von der Maskentrageplicht vorgelegt werden. Eine pauschal attestierte „Unverträglichkeit“ kann, wie sich zeigt, unter Umständen sogar eine fristlose Kündigung begründen.

Quelle: lennmed.de aktuell Newsletter 03/2022

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