Recht 28.09.2011
Botox – ein echtes Wettbewerbsgift?
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Im Bereich des Gesichtes wird es besonders deutlich: die Grenzen zwischen verschiedenen medizinischen Bereichen verschwimmen immer mehr und eine interdisziplinäre Arbeit wird für einen erfolgreichen Behandlungsverlauf zunehmend wichtig. Wo es früher eine klare Trennung zwischen dem ärztlichen Behandlungsspielraum und der zahnärztlichen Tätigkeit gab, sind solche Grenzen im Zeitalter von Plastischer Chirurgie, Implantologie und Oralchirurgie zunehmend verschwommen.
Ein neues Urteil des Verwaltungsgerichts Münster hat dem versucht entgegenzuwirken und Behandlungsspielräume zwischen den verschiedenen Berufen klarer und damit im Einklang mit der zahnärztlichen und ärztlichen Berufsordnung zu definieren. Besonders für das Werberecht ist diese Unterscheidung zwischen den verschiedenen Fachbereichen von entscheidender Bedeutung. Im Folgenden soll daher die Relevanz des neuen Urteils für die tägliche Praxis sowohl von Zahnmedizinern als auch Plastischen Chirurgen aufgezeigt und mit weiteren praxisrelevanten Beispielen verdeutlicht werden. Insbesondere soll hierbei auf unerlaubte, irreführende Werbung im Bereich von kosmetischen Behandlungen hingewiesen werden.
Die Musterberufsordnung für Zahnärzte sowie auch das Zahnheilkundegesetz (ZHG) schreiben vor, dass der Beruf des Zahnarztes kein Gewerbe ist und somit auch die Möglichkeiten für Werbung dementsprechend ausgerichtet sein müssen. Ähnliches gilt für die Musterberufsordnung der Ärzte. Zwar dürfen sowohl Ärzte als auch Zahnärzte prinzipiell alle Werbemedien nutzen, wie zum Beispiel Praxisschilder, Briefbögen, Rezeptaufdrucke oder Internetauftritte, es gelten hierfür jedoch strenge Regeln. So darf sowohl zahnärztliche als auch ärztliche Werbung nicht anpreisend, irreführend, herabsetzend oder vergleichend sein. Genaueres ist im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie im Heilmittelwerbegesetz (HWG) geregelt.
Im Zeitalter des Internets, welches Ärzten und Zahnärzten die Möglichkeiten einer grafischen Darstellung ihrer Behandlungsräume- und -leistungen bietet, ist eine klare Trennung zwischen erlaubter und nicht erlaubter Werbung jedoch trotz der bestehenden Rechtsgrundlagen zunehmend problematisch geworden. Insbesondere das Verbot einer irreführenden Werbung hat bereits vermehrt zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten geführt und ist daher in der Praxis unbedingt zu beachten. Als irreführende Werbung gilt solche, die Angaben enthält, die bei einem Patienten Fehlvorstellungen über die Person des Arztes, über die Praxis oder deren Behandlungsmethoden hervorrufen könnte. Dies geht sowohl aus der Berufsordnung der Zahnärzte und Ärzte als auch dem UWG hervor. Beispiele für irreführende Werbung reichen von der Darstellung einer Einzelpraxis als „Klinik“ bis zur Aufzählung von Therapiemöglichkeiten auf der Internetseite eines Arztes, die nicht dem tatsächlichen Therapiespektrum oder zugelassenen Leistungsangebot der Praxis entspricht. Solche Fälle können durchaus auch wettbewerbsrechtliche Konsequenzen haben, wie eine uns bekannte Abmahnwelle von in Deutschland tätigen, approbierten Zahnärzten durch eine Schweizer Firma zeigt. Der Abmahnwelle liegt ein Fall des Verwaltungsgerichts Münster zugrunde, in dem es sich mit der Frage, ob Zahnärzte kosmetische Behandlungen durchführen dürfen, beschäftigte. Der Fall gibt wichtige Aufschlüsse über die Grenzen zwischen der ärztlichen und zahnärztlichen Tätigkeit, sowohl im Werberecht als auch in der ärztlichen Praxis.
Der am 19.04.2011 am Verwaltungsgericht Münster verhandelte Fall beschäftigte sich vor allem mit der Frage, inwiefern Zahnärzte im Rahmen ihrer Approbation kosmetische Behandlungen im Bereich des Gesichtes durchführen dürfen. Konkret hatte die behandelnde Zahnärztin bei einer Patientin im Mund- und Naso-Labialbereich Falten unterspritzt und dies mit ihrer Berechtigung, im Rahmen ihrer zahnärztlichen Zulassung Behandlungen im Bereich der Zähne, des Mundes und des Kiefers durchzuführen, begründet. Nach Ansicht der Zahnärztin sei der Behandlungsraum eines Zahnarztes nicht auf den intraoralen Bereich beschränkt, sondern lasse auch extraorale, kosmetische Behandlungen zu. Dem widersprach das Gericht und bestätigte damit die vom ZHG und der Musterberufsordnung der Zahnärzte auferlegten Grenzen der zahnärztlichen Behandlungstätigkeit. Zahnärzten ist zwar eine kosmetische Behandlung mit Botox oder ähnlichen Mitteln im Bereich der Zähne erlaubt, nicht aber eine weitergehende kosmetische Behandlung des Gesichtes, z.B. wie hier im Rahmen einer kosmetischen Faltenbehandlung. Diese erfordere eine gesonderte Qualifikation und Zulassung als Arzt oder Heilpraktiker.
Das Urteil bestätigte damit unter anderem ein Urteil des Oberlandesgericht Zweibrücken vom 21.08.1998, in dem das Gericht bereits auf die Grenzen zwischen der Heilpraktiker- und Zahnarzttätigkeit im Rahmen des ZHG hinwies. Das Gericht betonte hier, dass Zahnärzte allgemein zur Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten der Verhütung, Diagnose und Behandlung von Anomalien und Krankheiten der Zähne, des Mundes und des Kiefers sowie des dazugehörigen Gewebes berechtigt seien, nicht aber zur Versorgung von Gesichtswunden nach Unfällen, soweit diese nicht im Rahmen der Behandlung von Kieferbrüchen erfolgt. Einen ähnlichen Ansatz vertrat auch das Bundesverwaltungsgericht in einem Beschluss vom 25.06.2007, in welchem es darauf hinwies, dass die Einordnung der Faltenunterspritzung als Ausübung der Heilkunde im Wesentlichen von der Einschätzung der mit dieser Tätigkeit verbundenen Risiken abhängt. Das Gericht stellte hier fest, dass das durch die Klägerin durchgeführte Faltenunterspritzen weit über das im Rahmen der zahnärztlichen Approbation zugelassene Aufspritzen der Lippen hinausging.
Das neue Urteil des Verwaltungsgerichts Münster bestätigt diese Herangehensweise und betont, dass Zahnärzte eine kosmetische Behandlung, die über den unmittelbaren Bereich der Lippen hinausgeht, nur mit einer zusätzlich erworbenen Heilkundeausbildung durchführen dürfen. Es stehe jedem Zahnarzt frei, eine solche Zusatzqualifikation zu erwerben und im Rahmen dieser Qualifikation tätig zu werden. Anderes gilt für Mund,- Kiefer- und Gesichtschirurgen, die mit ihrer Doppelapprobation weiterhin sowohl ärztlich als auch zahnärztlich im Bereich des Gesichtes tätig sein dürfen. Indem das Urteil eine klare Trennung der zahnärztlichen und ärztlichen Tätigkeit zieht und dem Verschwimmen der verschiedenen Fachbereiche entgegenwirkt, leistet es somit einen wichtigen Beitrag zum rechtlichen Verständnis der medizinischen Praxis.
Hervorzuheben sind besonders die werberechtlichen Konsequenzen dieses Urteils. Insbesondere geht aus dem Urteil deutlich hervor, dass Werbung von Zahnärzten für kosmetische Behandlungen, die über den unmittelbaren Bereich des Mundes, des Kiefers und der Zähne hinausgehen, nicht ZHG-konform ist und auch als solches geahndet wird. Es wirft somit ein neues Licht auf bisherige Werbepraktiken von Zahnärzten, wie insbesondere eine Reihe von auf dieses Urteil folgenden Fällen bezüglich der Werbeauftritte von verschiedenen deutschen Zahnärzten durch eine Schweizer Firma zeigt.
Seit Urteilsverkündung im April 2011 gingen wiederholt Abmahnungen von einer Schweizer Firma bei einer Reihe von deutschen Zahnärzten ein, auf deren Internetseiten sich Hinweise auf Botoxbehandlungen finden lassen. Die Zahnärzte hatten in ihrem Internetauftritt einen Lexikoneintrag verwendet, der, so die Schweizer Firma, dem Patienten irreführend suggerierte, die Zahnärzte würden kosmetische Behandlungen wie das Unterspritzen von Falten im Gesicht durchführen und somit nicht im Sinne der zahnärztlichen Approbation handeln. Sich auf das Urteil vom Verwaltungsgericht stützend mahnte die Firma an, die Zahnärzte hätten sich nicht ZHG- und wettbewerbsrechtlich konform verhalten. Die Firma stellt infolgedessen Schadensersatzansprüche in nicht unerheblicher Höhe. Da die Sach- und Rechtslage bei solchen Abmahnungen stets von den Details im Einzelfall abhängt, ist betroffenen Zahnärzten zu raten, anwaltliche Hilfe zur Prüfung der Rechtslage herbeizuziehen und in jedem Fall von einer sofortigen Zahlung des geforderten Schadensersatzbetrages abzusehen.
Sowohl das im April diesen Jahres erlassene Urteil des Verwaltungsgerichts Münster als auch die seit dem bei Zahnärzten eingegangene Abmahnwelle zeigen, dass der werberechtliche Rahmen der zahnärztlichen und kosmetischen ärztlichen Tätigkeit durchaus nicht immer klar für juristische Laien nachvollziehbar ist. Insbesondere im Bereich der kosmetischen Behandlung im Gesicht gibt es Überschneidungen zwischen den verschiedenen Fachbereichen, die aus den zuständigen Berufsordnungen und Gesetzestexten (ZHG, HWG) nicht immer eindeutig hervorgehen. Das Verwaltungsgericht Münster hat hier mit seinem Urteil zwar die Grenzen zwischen der zahnärztlichen und ärztlichen/heilkundlichen Tätigkeit bestätigt und vertieft, die Berührungspunkte werden jedoch im Zuge der zunehmenden Verschmelzung der Fachbereiche nicht abnehmen. Zahnärzten ist daher von Tätigkeiten abzuraten, die sich möglicherweise zu sehr in der Grauzone zur kosmetischen Medizin befinden. Es ist zu beachten, dass die Approbation Zahnärzte nur zu kosmetischen Behandlungen im unmittelbaren Bereich des Mundes, der Zähne und des Kiefers, einschließlich der Lippen, berechtigt. Dies sollte auch in der Werbung reflektiert werden. Neben dem weiterhin geltenden Verbot gegen anpreisende, vergleichende und irreführende Werbung ist deshalb darauf zu achten, dass Werbeprofile keinerlei Hinweise auf nicht zulassungskonforme Behandlungsmethoden beinhalten. Wie die beschriebene Abmahnwelle zeigt, sollten sowohl Ärzte als auch Zahnärzte werberechtlichen Grauzonen aus dem Weg gehen um unnötige und langwierige Rechtstreitigkeiten zu vermeiden. Auch eine vorherige Prüfung des Werbeauftrittes durch einen qualifizierten Anwalt ist durchaus ratsam.