Recht 27.03.2024
Teil 1 der Serie: Der MVZ GmbH- Geschäftsführer
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Dieser Beitrag ist unter dem Originaltitel „Der MVZ GmbH-Geschäftsführer“ im BDIZ Konkret erschienen.
Medizinische Versorgungszentren werden immer beliebter, auch unter Zahnärzten. Das hat mit einer Vielzahl von Gründen zu tun, nicht zuletzt mit dem demografischen Wandel, den Vorstellungen zur sog. Work-Life-Balance und der Scheu vor dem Risiko einer Niederlassung als Einzelunternehmer.
Die Zahlen sprechen für sich.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung meldet für das Jahr 2022 (neuere Zahlen liegen noch nicht vor) 4.574 MVZ mit insgesamt 28.140 Ärzten und Psychotherapeuten, davon nur 1.706 als selbstständig tätig, die überwiegende Mehrheit (93,94 %) ist angestellt. Die meisten MVZ (3.167 = 69,24 %) waren in der Rechtsform der GmbH organisiert.
Die Kassenzahnärzte Bundesvereinigung meldet für das Jahr 2022 1.405 Z-MVZ mit insgesamt 4.183 angestellten Zahnärzten. Bis zum 30.06.2023 ist die Zahl der angestellten Zahnärzte in Z-MVZ auf 4.388 gestiegen. Das ist eine signifikante Veränderungsrate (+ 4,9 % in sechs Monaten). Es ist anzunehmen, dass die meisten Z-MVZ ebenfalls als GmbH organisiert sind.
Für die Wahl der Teilnahmeform des MVZ gibt es Gründe, die in den Bundesmantelverträgen liegen. Für Einzelpraxen und Berufsausübungsgemeinschaften gibt es bei den Ärzten und Zahnärzten eine 1:3-Regel in § 14a Abs. 1 Satz 2 BMV-Ä bzw. § 9 Abs. 3 Satz 5 BMV-Z. An einem Vertrags(zahn-)arztsitz können maximal drei vollbeschäftigte angestellte (Zahn-)Ärzte mitarbeiten. Für MVZ gibt es diese Beschränkung nicht. Das ist ein klarer strategischer Vorteil für MVZ, insbesondere in den gegenwertigen Zeiten stark nachlassender Bereitschaft zur Niederlassung. Man kann diesen strategischen Vorteil dadurch beseitigen, dass man (vergeblich) nach dem Gesetzgeber ruft, wie dies die Bundesversammlung der KZBV am 13./14.11.2019 getan hatte, oder indem man die genannten Regelungen aus den Bundesmantelverträgen rausverhandelt und Einzelpraxen Berufsausübungsgemeinschaften mit MVZ insoweit gleichstellt.
Wenn ein MVZ als Beteiligungsform an der vertrags(zahn-)ärztlichen Versorgung gewählt wird, gibt es gute Argumente für die Wahl der GmbH als Rechtsform. Die sollen hier nicht aufgezählt werden. Entscheidend ist, dass man sich bewusst macht, dass mit der Wahl der GmbH als Rechtsform der Vertrags(zahn-)arzt aus seiner bisherigen Praxistätigkeit vertrautes Terrain verlassen wird.
Die Erfahrungen mit (zahn-)ärztlichen GmbH-Geschäftsführern sind teilweise wenig ermutigend. Eine Einführung in die Aufgaben bekommen sie meist nicht, jedenfalls keine, die den Namen Einführung verdient. Enttäuschend (wenn auch nachvollziehbar) ist dies vor allem bei sog. iMVZ, die i. d. R. großen Wert darauf legen, dass der Verkäufer in der neuen MVZ GmbH Geschäftsführer wird.
Die Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers übersteigen die Pflichten eines Praxisinhabers bei Weitem. Kennt man sie nicht, läuft man als GmbH-Geschäftsführer in viele rechtliche Risiken, die man als Praxisinhaber nicht hat und daher auch nicht kennt.
Grundwissen ist auch immer Entscheidungswissen. Die Frage, ob man sich die Aufgabe des Geschäftsführers antun will, kann sinnvoll nur dann getroffen werden, wenn man einigermaßen weiß, worauf man sich einlässt.
Überblick über die GmbH
Die GmbH ist juristische Person und Kapitalgesellschaft. Von der Grundidee unterscheidet sich eine Kapitalgesellschaft von einer Personengesellschaft wie der GbR und der Partnerschaftsgesellschaft dadurch, dass in der Personengesellschaft die Gesellschafter persönlich mitarbeiten, dagegen in der Kapitalgesellschaft die Gesellschafter ihr Kapital für sich arbeiten lassen. Es ist nicht verboten, dass Gesellschafter einer GmbH in dieser mitarbeiten, aber es ist nicht erforderlich.
Das Recht der GmbH findet sich primär im GmbHG (Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung). Daneben spielt das HGB (Handelsgesetzbuch) eine große Rolle.
Eine GmbH ist kraft Rechtsform Kaufmann i. S. des § 2 HGB, da die GmbH nach § 7 Abs. 1 GmbHG in das Handelsregister einzutragen ist und nach § 13 Abs. 3 GmbHG als Handelsgesellschaft gilt. Erst mit der Eintragung in das Handelsregister besteht die GmbH (§ 11 Abs. 1 GmbHG).
Als Kapitalgesellschaft braucht die GmbH ein Stammkapital, das nach § 5 Abs. 1 GmbHG mindestens 25.000 € betragen muss. Das Stammkapital einer GmbH wird in Geschäftsanteile aufgeteilt. Die Mindestgröße eines Geschäftsanteils beträgt 1 €. Geschäftsanteile müssen jeweils auf volle Euro-Beträge lauten, 2 € sind also zulässig, 2,50 € nicht.
§ 5a GmbHG stellt mit der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) (UG) eine Rechtsform für Start-ups zur Verfügung, in der das Stammkapital weniger als 25.000 € betragen darf.
Für die Geschäftsführer bringt die UG keine Entlastung, eher im Gegenteil, wenn man die Pflichtenverschärfung in der Unternehmenskrise durch § 5 Abs. 4 GmbHG bedenkt.
Hauptgrund für die Wahl der Rechtsform der GmbH ist die „beschränkte Haftung“. Im Regelfall ist mit der Insolvenz der GmbH für die Gesellschafter nicht mehr verloren, als das von ihnen eingezahlte Stammkapital. Soweit jedenfalls die Idee hinter der GmbH. In der Praxis pflegen sich allerdings vor allem die Banken durch Bürgschaften abzusichern, welche die Gesellschafter den Banken stellen müssen, damit die Banken der GmbH Kredite geben. Die Idee greift aber gegenüber sonstigen Gläubigern, sofern die nicht auf gleiche Ideen wie die Banken kommen, was eher seltener der Fall ist, und vor allem auch gegenüber den Arbeitnehmern der GmbH.
Und natürlich setzt die Idee voraus, dass die Insolvenz unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben, d. h. vor allem rechtzeitig eingeleitet wurde und es zu keinen strafrechtlich relevanten Insolvenzdelikten kam.
Wenn man sich das rechtliche Gesamtkonstrukt der GmbH ansieht, dann sollte man sich als Faustregel merken, dass nur eine erfolgreiche GmbH keine unbeherrschbaren Probleme aufwirft
Organe der GmbH
Eine GmbH braucht mindestens einen Gesellschafter (§ 1 GmbHG) und mindestens einen Geschäftsführer (§ 6 Abs. 1 GmbHG). Die Gesellschafter bilden die Gesellschafterversammlung (§ 48 GmbHG). Gesellschafterversammlung und Geschäftsführer sind die Organe einer GmbH.
In der GmbH steht über dem Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung. Sie stellt ihn ein und entlässt ihn, macht üblicherweise Vorgaben für die Geschäftsführung und überwacht ihn.
Das darf man allerdings nicht dahin verstehen, dass der GmbH-Geschäftsführer ein Werkzeug der Gesellschafter ist. Dem ist nicht so. Die GmbH wird durch die Geschäftsführer vertreten (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Beschränkungen, welche der Gesellschaftsvertrag (Satzung) der GmbH oder Gesellschafterbeschlüsse oder z. B. der Geschäftsführerdienstvertrag vorsehen, sind nur im Innenverhältnis wirksam, nicht aber gegenüber Dritten (§ 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Schlägt der Geschäftsführer „über die Stränge“, bleibt den Gesellschaftern nur der Widerruf der Bestellung, der, wenn nichts anderes vereinbart ist, nach § 38 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich „zu jeder Zeit“ erfolgen kann.
Während bei einer Aktiengesellschaft als weiteres Organ ein Aufsichtsrat gesetzlich vorgeschrieben ist, kann eine GmbH fakultativ einen Aufsichtsrat haben. Notwendig ist ein Aufsichtsrat bei einer GmbH erst, wenn die Gesellschaft unter die Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes (mehr als 2.000 Arbeitnehmer), des Drittelbeteiligungsgesetzes (mehr als 500 Arbeitnehmer) oder des Montanmitbestimmungsgesetzes (betrifft Bergbauunternehmen und die Eisen und Stahl erzeugende Industrie) fallen. MVZ-GmbHs, die Aufsichtsräte haben müssen, existieren bisher in Deutschland – soweit ersichtlich – noch nicht.
Man trifft, gerade auch im Gesundheitswesen, bei GmbHs auf eine Reihe weiterer Gremien, die aus den unterschiedlichsten Gründen eingerichtet werden, aber nicht vorgeschrieben sind, wie z. B. Beiräte. Meist geht es um effizientere Kontrolle der Geschäftsführung oder – besonders bei den Beiräten – darum, das Prestige der in den Beirat berufenen Mitglieder für die Zwecke der GmbH zu nutzen.
Bestellung des Geschäftsführers
Das GmbHG beschränkt die Bestellbarkeit eines Geschäftsführers in § 6 Abs. 2 GmbHG ein. Verletzen die Gesellschafter bei ihrer Bestellungsentscheidung die darin enthaltenen Vorgaben vorsätzlich oder grob fahrlässig, haften sie „der Gesellschaft solidarisch für den Schaden, der dadurch entsteht, dass diese Person die ihr gegenüber der Gesellschaft bestehenden Obliegenheiten verletzt (§ 6 Abs. 5 GmbHG).
Geschäftsführer kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein, also ein nicht minderjähriger Mensch, keine Personen- und keine Kapitalgesellschaft (§ 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG).
§ 6 Abs. 2 Satz 2 GmbHG enthält eine Liste vor Verboten. Geschäftsführer kann nicht sein, wer
- als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1825 BGB) unterliegt,
- aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt,
- wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten
- des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung),
- nach den §§ 283 bis 283d StGB (Insolvenzstraftaten),
- der falschen Angaben nach § 82 GmbHG oder § 399 AktG,
- der unrichtigen Darstellung nach § 400 AktG, § 331 HGB, § 346 UmwG oder § 17 des Publizitätsgesetzes oder
- nach den §§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a StGB zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist.
Von besonderer praktischer Bedeutung für Geschäftsführer ist die Verurteilung wegen Insolvenzstraftaten. Der Ausschluss von einer Geschäftsführertätigkeit gilt für die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils. Zeiten behördlicher Verwahrung in einer Anstalt (Psychiatrie) werden nicht angerechnet.
Die Ausschlussklausel erstreckt sich auch auf entsprechende Verurteilungen in anderen Mitgliedsstaaten der EU.
Es gibt alle möglichen Versuche, diese Verbote mit Tricksereien zu umgehen; so mit Strohmännern als Geschäftsführer. Wenn diese unentdeckt bleiben, passiert nichts, wenn sie entdeckt werden, sind die Strohmänner, die Hintermänner und die Gesellschafter der GmbH, die dabei mitgespielt haben, haftungsrechtlich und strafrechtlich dran.
Geschäftsführerdienstvertrag
Der Geschäftsführer wird von der Gesellschafterversammlung bestellt. Er ist Organ der GmbH. Dem wird meist dadurch vertraglich Rechnung getragen, dass mit ihm ein Geschäftsführerdienstvertrag abgeschlossen wird.
Das beschreibt die rechtliche Situation des GmbH-Geschäftsführers aber nur unzureichend. Wenn er nicht zugleich Mehrheitsgesellschafter der GmbH ist, dann ist er i.S. des § 7 SGB IV sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Wenn er Fremdgeschäftsführer, also Geschäftsführer ist, ohne zum Kreis der Gesellschafter zu gehören, dann tritt neben das Dienstverhältnis als Organ u. U. zugleich ein Arbeitsverhältnis.
Arbeitsrechtlich ist der Geschäftsführer im Normalfall leitender Angestellter i.S. des § 5 BetrVG und i.S. des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Gesellschaftsrechtlich ist er kein Arbeitnehmer. Das führt zu beachtlichen Normenkreiskonflikten.
Die mangels anderweitiger vertraglicher Regelung nach § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit mögliche Abberufung als Geschäftsführer beendet i. d. R. nicht das parallel bestehende Arbeitsverhältnis.
Hier gibt es aktuell divergierende Ansichten zwischen dem Bundesgerichtshof auf der einen und dem Bundesarbeitsgericht auf der anderen Seite. Der BGH wendet auf die Kündigung eines Fremdgeschäftsführers § 622 BGB an, also verlängert die Kündigungsfristen. Das Bundesarbeitsgericht hält das für falsch und will § 622 BGB nur auch echte Arbeitsverhältnisse anwenden, nicht aber auf Fremdgeschäftsführer einer GmbH.
Bei der Abfassung des Geschäftsführerdienstvertrages ist nicht nur deshalb große Sorgfalt dringend zu empfehlen. Es muss insbesondere vertraglich geregelt werden,
- was der Geschäftsführer darf (Kompetenzbereich),
- wie sich dieser Kompetenzbereich zum Kompetenzbereich der Gesellschafterversammlung abgrenzt, welche Geschäfte darf er ohne, welche nur mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung durchführen,
- bei mehreren Geschäftsführern: wie sich die Kompetenzbereiche der Geschäftsführer zueinander verhalten (eine ebenso wichtige wie schwierige Abgrenzung),
- was der Geschäftsführer muss (Aufgaben- und Pflichtenkreis)
- welche Beschränkungen der Geschäftsführer ggf. im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft beachten muss,
- Haftungsfragen,
- Versicherungsfragen, insbesondere der Abschluss einer sog. D&O-Versicherung (directors and officers),
- Dienstort,
- Arbeitszeit (für GmbH-Geschäftsführer gilt das Arbeitszeitgesetz nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG nicht!),
- Fixvergütung (Gehalt),
- Variable Vergütungsbestandteile wie z. B. Tantiemen, Prämien, Zielvorgaben,
- Firmenfahrzeug,
- Reisekostenregelungen,
- Betriebliche Altersversorgung,
- Krankheitsregelungen,
- Urlaub,
- Vertretung,
- Nachvertragliches Wettbewerbsverbot
- Datenschutzrechtliche Vereinbarungen (z. B. Einverständnis mit Bildveröffentlichungen),
- Vertragsdauer und Kündigung.
Der Beitrag wird fortgesetzt.